Die Auswirkungen der globalen Erwärmung und der Klimakrise betreffen alle Länder auf allen Kontinenten. Die internationale Gemeinschaft muss sich damit beschäftigen, was das für die Siedlungsgebiete des Menschen bedeutet. Ein Beitrag von T. Alexander Aleinikoff, Direktor des Zolberg Institute on Migration and Mobility, und Ottilie Bälz, Bereichsleiterin Globale Fragen der Robert Bosch Stiftung.
Die Ukrainer:innen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten und müssen, stehen derzeit zu Recht im Fokus der weltweiten Aufmerksamkeit. Andere heraufziehende Krisen sollten wir darüber jedoch nicht vergessen: Schon jetzt führt der Klimawandel vielerorts dazu, dass Menschen migrieren müssen. Diese Entwicklung dürfte in den kommenden Jahren dramatisch zunehmen. Bis 2050 könnten 216 Millionen Menschen gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen – sei es wegen Katastrophen wie Überschwemmungen, wegen langsam eintretender Umweltveränderungen wie des Anstiegs des Meeresspiegels oder sinkender Ernteerträge aufgrund von Dürren. Die internationale Gemeinschaft ist auf diese neuen und immensen Herausforderungen, die vor ihr liegen, nur unzureichend vorbereitet. Wir müssen eine Migrationspolitik entwickeln, die die Rechte und die Würde derjenigen schützt, die zur Migration gezwungen sind und sein werden.
In dieser Woche werden Regierungsvertreter:innen aus aller Welt in New York zum Internationalen Überprüfungsforum Migration (IMRF) zusammenkommen, um die Fortschritte bei der Umsetzung des Globalen Pakts für Migration zu bewerten. Der 2018 von den Vereinten Nationen verabschiedete Pakt ist das erste Abkommen, in dem sich Staaten verpflichten, durch bessere internationale Zusammenarbeit eine sichere, geordnete und reguläre Migration zu gewährleisten.
Klimabedingte Migration muss bei diesem Treffen ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Die Beratungen sollten sich dabei auf zwei zentrale Themen konzentrieren: die Unterstützung von Staaten und Städten, die bei der Bewältigung der klimabedingten Migration eine Vorreiterrolle spielen, sowie die Vereinbarung rechtlich verbindlicher Normen und eine wirksame Koordination auf internationaler Ebene.
Wenn entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, werden Menschen, die besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, ihre Heimatorte nicht verlassen müssen. Aktuell bleibt die überwiegende Mehrheit in ihren Heimatländern - meist ziehen diese Menschen in bereits überlastete Städte in der Nähe.
Für die internationale Gemeinschaft bedeutet das, dass sie Betroffene stärker direkt technisch und finanziell unterstützen muss. Ein Beispiel hierfür ist der Global Cities Fund for Inclusive Climate Action, der von dem von Bürgermeister:innen geführten Mayors Migration Council und dem Städteverbund C40 Cities Climate Leadership Group geleitet wird. Gleichzeitig müssen wir anerkennen, dass Migration eine geeignete Anpassungsstrategie an den Klimawandel sein kann. Die internationale Politik muss Menschen unterstützen, die eine gefährdete Region verlassen möchten, auch über Grenzen hinweg.
Die rechtlichen Normen auf internationaler Ebene sind nicht ausreichend, um Menschen Schutz zu bieten, die aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels vertrieben werden und in ihren Heimatländern nicht mehr sicher sind. Ihnen muss Zugang zu anderen Ländern gewährt werden, in denen sie auf Hilfe zählen können. Dazu sollte das Prinzip der garantierten Nichtzurückweisung (non-refoulement) von Flüchtlingen auch auf Klimamigrant:innen ausgeweitet werden. Es verbietet, Flüchtlinge zurückzuweisen, denen in ihrer Heimat Gefahr droht.
Wenn eine Rückkehr in die Heimat nicht mehr absehbar ist, sollten die Aufnahmestaaten einen dauerhaften Status anbieten. Drittstaaten wiederum sollten Klimamigrant:innen Zugang zu Arbeitsmärkten und Bildung gewähren und Familienzusammenführungen ermöglichen. Außerdem sollten Geflüchtete dorthin ziehen können, wo es Arbeit gibt. Auf regionaler Ebene könnte man dies erreichen, indem Klimamigrant:innen Zugang zu Freizügigkeitszonen wie ECOWAS in Afrika, dem Andenmigrationsstatut in Südamerika und dem europäischen Schengen-Raum erhalten.
Um denjenigen zu helfen, die durch den Klimawandel bedroht oder vertrieben werden, ist ein internationaler Fonds zur Finanzierung verschiedener Projekte erforderlich. Parallel dazu muss die internationale Gemeinschaft die verschiedenen Akteure und Agenturen auf globaler Ebene besser koordinieren. Es gilt Lösungen zu entwickeln, die die Bedürfnisse der vom Klimawandel betroffenen Bevölkerung in den Mittelpunkt stellen - von der Unterstützung für Menschen, in ihrer Heimat bleiben zu können, bis hin zur Hilfe für diejenigen, die gezwungen sind, anderswo Schutz zu suchen.
Eine globale Plattform für umweltbedingte Migration sollte geschaffen werden, um koordiniertes Handeln auf internationaler Ebene zu erreichen. Sie würde engagierte Regierungen, internationale Organisationen, zivilgesellschaftliche und private Akteure zusammenbringen. Zugegeben, das würde eine enorme gemeinsame Anstrengung von internationalen Organisationen und Regierungen erfordern. Aber das IMRF in New York bietet eine noch nie dagewesene Gelegenheit, dieser Idee jetzt eine Chance zu geben.