Appell an die Bundesregierung

Klimapolitik: Schutz der Pazifikinseln vorantreiben

Der steigende Meeresspiegel ist eine existenzielle Bedrohung für die Atoll-Inselstaaten im Pazifik. Was die Robert Bosch Stiftung, die Rising Nations Initiative und das Global Centre for Climate Mobility jetzt von der deutschen Bundesregierung fordern. 

Text
Robert Bosch Stiftung
Bilder
Josh Orter/Rising Nations Initiative Heritage Project
Datum
22. Mai 2023

Im April 2023 stellte die Weltorganisation für Meteorologie fest, dass sich der Anstieg des Meeresspiegels im globalen Durchschnitt in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat. Dieser Anstieg und die Folgen der Klimakrise bedrohen in vielen Teilen der Welt eine sichere Zukunft: Die pazifischen Atoll-Inselstaaten Tuvalu, Kiribati und die Marshall-Inseln werden innerhalb der nächsten Jahrzehnte unbewohnbar werden. Der steigende Meeresspiegel ist damit zu einer existenziellen Frage für das politische, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Gefüge und Erbe dieser Länder geworden.

Deutschland kann eine globale Führungsrolle übernehmen

Die internationale Gemeinschaft muss JETZT handeln – angeführt von Ländern wie Deutschland, die bereit sind, die Klimakrise und ihre Folgen anzugehen. In ihrer Eröffnungsrede des 14. Petersberger Klimadialogs am 2. Mai hob Außenministerin Annalena Baerbock die existenzielle Bedrohung einiger kleiner Inselstaaten hervor. Anlässlich des Besuchs der Vertreter:innen von Tuvalu in Deutschland ermutigen die Rising Nations Initiative (ein Zusammenschluss der 15 unabhängigen pazifischen Inselstaaten), das Global Centre for Climate Mobility und die Robert Bosch Stiftung die Bundesregierung eindringlich dazu, eine globale Führungsrolle zu übernehmen und die Zukunft der pazifischen Atoll-Inselstaaten zu einem Kernthema ihrer Klimaaußenpolitik zu machen.

„Angesichts der ungewissen Zukunft von Tuvalu und anderen pazifischen Atoll-Inselstaaten kann und sollte Deutschland seine Führungsrolle wahrnehmen und auf mehr internationale Unterstützung drängen.“

Zitat vonDr. Bernhard Straub, Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung

Zum ersten Mal werden durch die Klimakrise souveräne Länder unbewohnbar

Der steigende Meeresspiegel wird zum ersten Mal in der Geschichte dazu führen, dass die Klimakrise – oder besser gesagt, die kollektive Untätigkeit vieler Nationen bei der Verhinderung dieser Krise –  mehrere souveräne Länder unbewohnbar machen wird. Für Tuvalu, ein Atoll-Inselstaat im Pazifik, der auf halbem Weg zwischen Hawaii und Australien liegt, wird diese Aussicht höchstwahrscheinlich bis Mitte des Jahrhunderts Realität. Kiribati und die Marshall-Inseln erwartet eine ähnliche Zukunft. Besonders tragisch: Die pazifischen Inselentwicklungsländer sind nicht für die Klimakrise verantwortlich sie tragen zusammen weniger als 0,03% zu den weltweiten Kohlenstoffemissionen bei. 

Die Rising Nations Initiative, das Global Centre for Climate Mobility und die Robert Bosch Stiftung fordern daher die Bundesregierung auf, folgende Maßnahmen zu prüfen:

Die deutsche Auswärtige Kulturpolitik sollte mit der deutschen Klimapolitik verknüpft werden, um das kulturelle Erbe pazifischer Inselentwicklungsländer wie Tuvalu zu schützen. Das kann durch eine stärkere Unterstützung der Bemühungen zum Erhalt und Schutz des kulturellen Erbes bedrohter Länder geschehen. Darüber hinaus gilt es, sich für die weltweite Anerkennung des universellen Wertes ihrer Kultur, ihrer Bräuche und ihres Erbes einzusetzen - auch in der UNESCO und anderen einschlägigen internationalen Foren.

Deutschland sollte sich dafür einsetzen, die Bemühungen zum Schutz der Souveränität, der Staatlichkeit und der Rechte bedrohter kleiner pazifischer Inselstaaten wie Tuvalu zu unterstützen. Dabei müssen die beispiellosen Herausforderungen Berücksichtigung finden, die sich aus dem Anstieg des Meeresspiegels ergeben. So könnte Deutschland die Klärung rechtlicher Fragen innerhalb bestehender internationaler Rechtsforen vorantreiben, für internationale Anerkennung der einzigartigen Situation Tuvalus und anderer pazifischer Atoll-Inselstaaten eintreten sowie Projekte unterstützen, die die Fortsetzung der Regierungstätigkeit sicherstellen, beispielsweise durch eine digitale Infrastruktur und Konnektivität.

Deutschland sollte weiter in die Anpassungsbemühungen der kleinen Inselstaaten im Pazifik investieren, um deren Lebensgrundlage und wirtschaftliche Aktivität zu schützen. Deutschland sollte auch verstärkt in die Bewältigung von Verlusten und Schäden (loss and damage) investieren, z. B. durch die Unterstützung von Programmen zur Verringerung des Katastrophenrisikos und die Bereitstellung finanzieller Hilfe für die Menschen, die von klimawandelbedingten Katastrophen betroffen sind.

Die Menschen der pazifischen Atoll-Inselstaaten brauchen angesichts ihrer ungewissen Zukunft dringend internationale Unterstützung. Wir müssen in die Resilienz, die Menschenwürde und die Handlungsfähigkeit der betroffenen Menschen investieren, damit sie sich an diese noch nie dagewesene Herausforderung der Klimakrise anpassen können, auch wenn sie sich für eine Umsiedlung in Würde und Souveränität entscheiden. Deutschland sollte sich für eine auf die Menschen ausgerichtete Klimapolitik einsetzen, die lokal verankert ist und von den Menschen vor Ort getragen wird.

Mit der Priorisierung dieser Themen kann Deutschland daran mitwirken, die Staatlichkeit, Souveränität, Rechte und das kulturelle Erbe der kleinen Inselentwicklungsländer wie Tuvalu zu schützen und gleichzeitig die Klimagerechtigkeit und die Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels vorantreiben. Diese Bemühungen werden entscheidend dazu beitragen, die betroffenen Gesellschaften auf ihrem beispiellosen Weg der Anpassung zu unterstützen. 

„Die Suche nach der richtigen Lösung erfordert Führungsstärke und Einfühlungsvermögen – und das beginnt mit der Erkenntnis, dass eine weltweit verursachte Situation auch eine global gerechte und ausgewogene Lösung haben muss.“

Kausea Natano, Premierminister von Tuvalu 

Deutschland kann als Beispiel vorangehen

Deutschlands Führungsrolle im internationalen System wurzelt in seinem Bekenntnis zu einer regelbasierten Ordnung und einer wertebasierten Führung in der internationalen Politik. In der internationalen Politik und Zusammenarbeit geht es um die gemeinsame Verantwortung, eine bessere Welt für alle zu schaffen. Durch die Unterstützung bedrohter Inselentwicklungsländer wie Tuvalu, kann Deutschland beispielhaft vorangehen. Diesem Beispiel können andere Länder und Europa im Geist der internationalen Zusammenarbeit für Klimagerechtigkeit und Klimamaßnahmen folgen. 

Botschafter Samuelu Laloniu, Sondergesandter Tuvalus, Rising Nations Initiative

Grace Malie, Jugenddelegierte der Rising Nations Initiative 

Kamal Amakrane, Direktor des UN Global Centre for Climate Mobility und derzeit Richard von Weizsäcker Fellow der Robert Bosch Academy 

Dr. Bernhard Straub, Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung

Rising Nations Initiative

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Die Rising Nations Initiative (RNI) wurde im September 2022 von Tuvalu und den Marshall-Inseln gegründet. Die RNI ist eine von den Mitgliedstaaten geführte Initiative, zu denen heute alle 15 Inselstaaten des pazifischen Atolls gehören. Ihr Ziel ist es, den Schutz der Staatlichkeit der pazifischen Atollstaaten voranzutreiben, ihre Souveränität zu wahren und die Rechte und das Erbe der betroffenen Bevölkerung angesichts der existenziellen Bedrohung durch die Klimakrise zu schützen. Sie stützt sich auf drei Aktionsbereiche: Wissen, Partnerschaften und Interessenvertretung. Sie wird getragen vom Global Centre for Climate Mobility (GCCM), das von der UN, der Weltbank und regionalen Organisationen unterstützt wird, um klimabedingte Migration und Vertreibung in den durch den Klimawandel am stärksten gefährdeten Regionen der Welt anzugehen.  Die Robert Bosch Stiftung fördert die Rising Nations Initiative als Projekt.

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