Eine vergessene Zollinsel wird zum Ausgangspunkt für gelebtes Europa: Im Projekt „R(h)einverbindlich“ entwickeln Menschen aus Deutschland und Frankreich gemeinsam Ideen für ihre Region – kreativ, alltagsnah und grenzüberschreitend.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt: Mit diesem mutigen Leitsatz machten sich der Landkreis Emmendingen (D) und der französische PETR Sélestat-Alsace Centrale auf den Weg, die Grenzregion in Zukunft enger miteinander zu verflechten. Wie genau das aussehen könnte? Das sollten die Bürger:innen mit entscheiden. Denn wer wüsste besser, worauf es im gemeinsamen Alltag wirklich ankommt, als die Menschen vor Ort?
Ausgangspunkt für das Vorhaben war eine ehemalige Zollinsel im Grenzfluss Rhein. Während auf der Insel früher Grenzkontrollen stattfanden, liegt sie seit Jahrzehnten brach. Das sollte sich ändern. Mit dem Projekt „R(h)einverbindlich“ wollte man dem Areal gemeinsam mit den Bürger:innen neues Leben einhauchen – und davon ausgehend wissen: Was verbindet uns in Sachen Mobilität, Ernährung, Biodiversität und Energie?
Dabei sollten die Menschen nicht nur beraten, sondern ihre Region aktiv gestalten: Diese Freiheit brachte zwar große Chancen mit sich, aber erforderte auch den Spagat, alle Anforderungen unter einen Hut zu bringen. Hier wurde schnell deutlich, an welchen Punkten das grenzübergreifende Projekt so seine Tücken hat: Während es auf französischer Seite stärker von öffentlichen Stellen getragen wurde, waren es in Deutschland tendenziell Ehrenamtliche, die sich an der Umsetzung beteiligten. Dieses Ungleichgewicht spiegelte sich in der Resonanz der Bürger:innen auf die Beteiligungsangebote wider: Der hohe Aufwand auf deutscher Seite, zufällig ausgewählte Menschen für das Projekt zu begeistern, brachte leider nicht den gewünschten Erfolg.
Eine Alternative musste her – und die war bunt: Statt aufwendiger Auswahlprozesse setzte man schließlich auf nahbare Formate, die mitten im Leben der Bevölkerung stattfanden und machte die europäische Idee im Alltag erlebbar - ganz im Sinne des Common Ground Programms, von dem "Rheinverbindlich" gefördert wird. Bei verschiedenen Mitmach-Aktionen wurden zum Beispiel grenzübergreifende Klimabrunchs veranstaltet oder Spaziergänge organisiert, bei denen Politiker:innen, Bürger:innen und Expert:innen vor Ort Ideen entwickelten, um die Mobilität auf beiden Seiten der Grenze zu verbessern. Gemeinsam wurden Streuobstwiesen gepflegt und auf Radtouren über erneuerbare Energien diskutiert.
Dabei kamen nicht nur Menschen zusammen, die sonst vermutlich eher nicht miteinander ins Gespräch gekommen wären. Auch die kulturellen und sprachlichen Unterschiede auf deutscher und französischer Seite wurden nicht als Hürde, sondern als Bereicherung für eine gemeinsame Vision empfunden.
So konnten langfristig nicht nur Verwaltung, Zivilgesellschaft und Politik über die Grenze hinweg besser miteinander vernetzt werden. Auch für die Rheininsel kamen u.a. über eine Onlinebeteiligung eine ganze Reihe von Ideen zusammen – vom Naherholungsgebiet über Restaurants und Tourismusangebote. Die gesammelten Ideen wurden in einer erstmalig stattgefundenen grenzübergreifenden Kreistagssitzung den Politiker:innen vorgestellt. Ein toller Erfolg! Die Vorschläge werden jetzt von Entscheidungsträger:innen auf beiden Seiten weiter diskutiert und geprüft.