Common Ground

Eine deutsch-polnische Grenzregion wächst zusammen

In der deutsch-polnischen Grenzregion Spree-Neiße-Bober wurde aus der Pandemieerfahrung ein Beteiligungsprozess, bei dem Bürger:innen gemeinsam Ideen für eine widerstandsfähige und lebenswerte Zukunft entwickelten.

Text
Sabine Fischer
Bilder
Manuel Frauendorf Fotografie
Datum
06. August 2025
Lesezeit
3 Min.

In der deutsch-polnischen Grenzregion Spree-Neiße-Bober wurde die Coronapandemie gleich zur doppelten Krise. Denn zur gesundheitspolitischen und sozialen Ausnahmesituation kam hier noch die Frage: Wie soll das grenzübergreifende Leben in der eng verflochtenen Gegend ohne einen abgestimmten EU-Krisenplan funktionieren? Der Alltag vieler Menschen stand Kopf: Personen, deren Arbeitsplatz im jeweils anderen Land war, musste mit geschlossenen Grenzen umgehen, gemeinsame Sportkurse oder Veranstaltungen fielen aus. In einer Region, die zudem von Überalterung und politischer Skepsis geprägt ist, wurden die Jahre der Pandemie so zur echten Herausforderung.

Aus diesen Erfahrungen hat die Grenzregion gelernt. Im Rahmen des Programms "Common Ground - Über Grenzen mitgestalten" wollte sie gemeinsam mit den Menschen vor Ort ein Krisenkonzept erarbeiten, um in Zukunft besser für Ausnahmesituationen gerüstet zu sein. Doch wie konnte die oft skeptische Bevölkerung für eine solche Mammutaufgabe begeistert werden?    

Bürger:innen vor dem Infostand von Common Ground
Eine Bürgerin und ein Bürger im Gespräch mit einem älteren Herrn im Anzug.
Das 30-jährige Jubiläum der Euroregion war eine schöne Gelegenheit zum Austausch mit den Bürger:innen.

Echte Beteiligung braucht Maßarbeit

Schnell war klar: Beteiligung braucht Mut, echte Beteiligung braucht Maßarbeit. Vor allem bei sensiblen Themen ist es wichtig genau darauf achten, sprachliche Feinheiten und Unterschiede zu berücksichtigen, um die Bewohner:innen auf beiden Seiten der Grenzen gleichermaßen mitzunehmen. Und obwohl auf dem Papier alle Personen gleichberechtigten Zugang zu den Beteiligungsformaten hatten, konnte man nicht alle in gleichem Maße erreichen. Deswegen wurden neue Wege ausprobiert, um Personen anzusprechen, die sich seltener beteiligen, wie zum Beispiel Jugendliche: Um sie ins Boot zu holen, setzte die Region in einem Format mit Erfolg auf eine Zufallsauswahl junger Menschen aus dem Melderegister. 

Diese Schritte zeigten Wirkung – und das sogar umfassender als gedacht. Denn die Coronapandemie hatte sich zwar ins Gedächtnis der Menschen eingebrannt, doch schnell wurde deutlich, dass es ihnen für die Zukunft der Region um weit mehr ging als um ein gemeinsames Vorgehen in Krisenzeiten. Aus dem ursprünglichen Plan entwickelte sich ein mutiges Beteiligungskonzept, das noch mehr Themen auf den Tisch brachte. 

Auf einen Blick

Key Learning

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  • Besonders zum Erfolg beigetragen hat die Begleitung durch einen professionellen, unabhängigen Beteiligungsdienstleister, der die regionalen Besonderheiten kennt. 
  • Unkompliziert umzusetzende Ergebnisse aus den Dialog- und Beteiligungsprozessen sollten als Chance begriffen werden, um den Bürger:innen so zu zeigen, dass sich Beteiligung lohnt.
     
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Vom gemeinsamen Krisenkonzept zum ersten deutsch-polnischen Bürgerrat

Bei fünf lebendigen Bürgerdialogen diskutierten sie über die Themen, die ihnen auf dem Herzen lagen. Von Sprachkitas bis hin zu einem besseren ÖPNV brachten sie Ideen für Gesundheit, Tourismus, Bildung und Mobilität ein. Trotz der Unterschiede zeigte sich dabei schnell: Die Sorgen waren auf beiden Seiten der Grenze oft dieselben, die Gespräche schufen Nähe, Verständnis und ein neues Gefühl von Gemeinschaft. Ein Wunsch aus den Bürgerdialogen, ein gemeinsamer Veranstaltungskalender für die Doppelstadt Guben-Gubin, konnte von der Verwaltung direkt umgesetzt werden - die Bürger:innen merkten, dass ihre Stimme zählt.

Das Projekt "Gemeinsam stärker - die Zukunft in Ihren Händen" war der Auftakt für die Gründung des ersten deutsch-polnischen Bürgerbeirats. Der Beirat aus dreizehn engagierten Bürger:innen begleitete das Projekt beratend und kritisch, entwickelte Vorschläge weiter und formulierte sogar einen Offenen Brief zu grenzübergreifenden Gesundheitsthemen an politische Entscheidungsträger:innen.

Die Gruppe wurde zur Stimme der Zivilgesellschaft und präsentierten sich der Öffentlichkeit – zum Beispiel bei der Mitgliederversammlung der Euroregion. Der nächste Schritt: diese Prozesse sollen in der Region noch verstetigt werden – strukturell, politisch und gesellschaftlich.

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