Robert Jütte: Brückenbauer der Medizingeschichte
Nach 30 Jahren an der Spitze des Instituts für Geschichte der Medizin verabschiedet sich Prof. Dr. Dr. h. c. Robert Jütte in den Ruhestand. Als Experte für Medizingeschichte hat er dem Institut zu weltweiter Anerkennung verholfen. Das Institut, das zur Robert Bosch Stiftung gehört, wird künftig als „lebendiges“ Archiv weitergeführt.
Zu Beginn seiner Karriere hätte Robert Jütte nie gedacht, in der Welt der Medizin zu landen. Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft in Marburg, Münster und London bekam Jütte Anfang der 1980er-Jahre als erster Deutscher eine feste Anstellung als Professor an der Universität Haifa in Israel. Er blieb mehrere Jahre, lernte Hebräisch und entdeckte seine Faszination für die jüdische Geschichte.
1990 folgte der Wechsel in die Medizingeschichte. Jütte übernahm die Leitung des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung (IGM) in Stuttgart. Unter seiner Leitung und dank finanzieller Unterstützung der Stiftung entwickelte sich das IGM zum weltweit größten außeruniversitären Forschungsinstitut für Medizingeschichte. „Vor allem durch unsere jahrzehntelange Erforschung der Geschichten von Patient:innen sind wir international bekannt und anerkannt“, sagt Jütte.
Jütte selbst wurde nicht nur zu einem Spezialisten für die Sozialgeschichte der Medizin, sondern auch für die Geschichte der Homöopathie – und damit zum Brückenbauer zwischen Alternativ- und Schulmedizin. Bei seiner Forschungsarbeit war es ihm stets wichtig, die Fachgebiete nicht separat zu betrachten, sondern sie mit der allgemeinen Geschichte zu verbinden. Anerkennung von unerwarteter Seite fand der Historiker, als er 1994 als erster Geisteswissenschaftler in den wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer berufen wurde, dessen stellvertretender Vorsitzender er bis letztes Jahr war.
Ende Mai 2020 verlässt Robert Jütte das Institut für Geschichte der Medizin und geht in den Ruhestand. „Mit Robert Jütte geht ein für uns unersetzbarer Experte der Medizingeschichte, der in besonders wirksamer Weise sein großes und differenziertes Wissen in den wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs eingebracht hat“, sagt Prof. Dr. Joachim Rogall, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung. Jüttes Position wird nicht nachbesetzt. Das Archiv des Instituts, das unter anderem den Nachlass des Homöopathie-Begründers Samuel Hahnemann enthält, steht aber weiterhin der Forschung zur Verfügung. Damit wird eine lange Tradition fortgesetzt, die bereits der Unternehmer und Stifter Robert Bosch begonnen hatte.