Robert Bosch hat der Stiftung den Auftrag hinterlassen, ihre Arbeit immer wieder den Erfordernissen der Zeit anzupassen. Und so sind die Meilensteine der Stiftungsgeschichte auch ein Spiegel gesellschaftlicher Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte – von der Überwindung des Eisernen Vorhangs in Europa bis zum PISA-Schock in Deutschland. Ein Rückblick.
Robert Bosch stirbt 1942. Er war Unternehmer mit sozialem Verantwortungsbewusstsein, liberaler Demokrat – und zeitlebens engagierter Bürger und Stifter. Wichtig war ihm etwa, dass die Menschen gerade in den politisch instabilen Zeiten der Weimarer Republik ein demokratisches Verständnis entwickelten. Nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs setzte er sich mit großem Engagement für die Völkerversöhnung ein. So wurde er Vorsitzender für die erste europäische Einigungsbewegung, der Paneuropa-Union, er trat der deutsch-französischen Gesellschaft bei und förderte die Vereinigung Carl Schurz für die deutsch-amerikanische Verständigung. Auch der Bereich der Gesundheit war ihm ein großes Anliegen; 1940 weihte er selbst das Robert Bosch Krankenhaus in Stuttgart ein.
Die Fortsetzung seines unternehmerischen und philanthropischen Wirkens hat Robert Bosch weitsichtig geregelt. In seinem Vermächtnis, den Richtlinien für die Vermögensverwaltung Bosch GmbH, hat er den Auftrag erteilt, sie solle sich den Themen „Gesundheit, Erziehung, Bildung, Förderung Begabter, Völkerversöhnung und dergleichen“ widmen (im Bild unten: die Testamentsvollstrecker im Jahr 1954). Bosch verzichtet darauf, feste Direktiven zu formulieren. Bei der Erfüllung seines Auftrags sollen die Verantwortlichen freie Hand haben – ihre Arbeit jedoch kontinuierlich überdenken und gegebenenfalls neu ausrichten.
1964 erhält die Vermögensverwaltung Bosch GmbH eine neue Struktur, die ihre Unabhängigkeit für die Zukunft sichert, wenige Jahre später wird sie in Robert Bosch Stiftung GmbH umbenannt. Sitz der Stiftung wird das ehemalige Wohnhaus von Robert Bosch im Stuttgarter Osten.
Im Jahr 1974 nimmt die Robert Bosch Stiftung die Förderung der deutsch-polnischen Beziehungen auf – damals eine Pioniertat. Direkter Kontakt mit den kommunistischen Staaten jenseits des Eisernen Vorhangs ist für viele in der Bundesrepublik Deutschland in dieser Zeit noch unvorstellbar. Die Verantwortlichen in der Stiftung aber sehen in den Beziehungen zu Polen und Frankreich den Schlüssel für eine gesamteuropäische Verständigung.
In Polen hat die Stiftung wesentliche Formate entwickelt, die später ihre Arbeit in ganz Mittel- und Osteuropa kennzeichnen, wo sie die Entwicklung einer starken Bürgergesellschaft fördert. In Polen initiierte Programme werden auf andere Länder ausgeweitet – häufig in Zusammenarbeit mit Polen. Dazu gehören unter anderem das Theodor-Heuss-Kolleg, mit dem die Stiftung das zivilgesellschaftliche Engagement junger Menschen unterstützt oder das Lektorenprogramm, mit dem sie Hochschulabsolventen aus Deutschland an osteuropäischen Hochschulen unterbringt.
Besonders erfreulich ist, dass dieses Engagement im Lauf der Jahre ein eigenes, starkes Netzwerk hervorgebracht hat. Mit dem Verein MitOst haben sich ehemalige Bosch-Lektoren zusammengeschlossen und ihre Mittlerrolle in der Region weiter ausgebaut (im Bild unten eine Gruppe von Bosch-Lektoren beim MitOst-Festival in Vilnius 2004). MitOst ist heute ein wichtiger Partner in der Ukraine-Förderung der Stiftung.
Mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis schafft die Robert Bosch Stiftung 1985 einen bis dahin einzigartigen Literaturpreis, der schnell zu den anerkanntesten in Deutschland gehört. Er rückt die Werke von Autor:innen mit Migrationsgeschichte in den Fokus und trägt dazu bei, ihren besonderen Beitrag zur deutschen Gegenwartsliteratur sichtbar zu machen. Zu den Chamisso-Preisträger:innen gehören Autoren wie Feridun Zaimoglu, György Dalos, Yoko Tawada, Terézia Mora, Ilija Trojanow und José F. A. Oliver.
Außerdem ermöglicht die Stiftung Autor:innen in ihrem Programm „Grenzgänger“ Recherchereisen in Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas sowie Nordafrikas. Über die entstandenen Werke hat sich ein breites Publikum mit der Kultur und den Entwicklungen in diesen Ländern auseinandergesetzt.
Viele Autor:innen haben nach der Förderung durch die Stiftung wichtige Preise und Auszeichnungen gewonnen. Herausragendes Beispiel ist der Literaturnobelpreis für Herta Müller (im Bild unten), deren preisgekröntes Buch „Atemschaukel“ mit Hilfe eines „Grenzgänger“-Stipendiums entstanden ist.
Mit der Denkschrift „Pflege braucht Eliten“ sorgt die Robert Bosch Stiftung 1992 bundesweit für Aufsehen. Das Papier zur Hochschulausbildung von Lehr- und Leitungskräften in der Krankenpflege ist eine Reaktion auf den Pflegenotstand. Die Verfasser:innen fordern innerhalb von fünf Jahren mindestens einen Pflegestudiengang pro Bundesland. Mit Erfolg: 1995 waren es in ganz Deutschland bereits 30, im Jahr 2000 54. Hospitations-, Graduierten- und Postgraduiertenprogramme sorgen für wissenschaftlichen Nachwuchs und Expertise. So hat die Stiftung entscheidend dazu beigetragen, dass die Pflege ihren Platz im Kreis der wissenschaftlichen Disziplinen gefunden hat.
Auch in den Folgejahren nimmt sich die Stiftung der Weiterentwicklung der Gesundheitsberufe an. 2013 schreibt sie ein neues Förderprogramm zum interprofessionellen Lernen der Gesundheitsberufe aus und veröffentlicht die Denkschrift „Gesundheitsberufe neu denken, Gesundheitsberufe neu regeln“. In dem Appell an die Politik geht es vor allem darum, die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen zu verbessern und sich stärker am regionalen Bedarf auszurichten. Damit thematisiert die Stiftung als erste, dass medizinische und pflegerische Aspekte in der Berufsausbildung in Zukunft besser verzahnt sein müssen – und liefert mit Projekten wie „360 Grad Pflege“ oder „Operation Team“ eigene Impulse, wie dies in die Praxis umgesetzt werden kann.
Bürgerschaftliches Engagement zu fördern ist seit ihrer Gründung ein wesentliches Anliegen der Robert Bosch Stiftung. Sie hilft, gute Ideen zu verbreiten, Netzwerke zu knüpfen und Startschwierigkeiten zu überwinden. So fördert sie unmittelbar nach dem Fall der Mauer auch das bürgerschaftliche Engagement in den neuen Bundesländern. Mit Hilfe der Stiftung entstehen die ersten Keimzellen einer neuen, lebendigen Zivilgesellschaft – sie prägen die Entwicklung in vielen Regionen maßgeblich.
Als Antwort auf den Strukturwandel und demografische Veränderungen, die besonders in vielen Regionen Ostdeutschlands Leerstellen hinterlassen, entwickelt die Stiftung 2012 das Programm „Neulandgewinner – Zukunft erfinden vor Ort“ – und stößt sofort auf große Resonanz. Zahlreiche Initiativen werden im Laufe der Jahre gefördert. Sie schaffen Begegnungsräume in Dörfern und beleben ganze Landstriche neu. Orte, die zuvor mit Abwanderung gekämpft haben, ziehen durch das Engagement der "Neulandgewinner" wieder neue Einwohner an.
Mehrere ostdeutsche Bundesländer steigen schließlich in die Förderung mit ein. Die Geförderten haben sich inzwischen im Verein Neuland gewinnen e.V. zusammengeschlossen, um den Erfahrungsaustausch fortzusetzen und Engagierte im ländlichen Raum weiter zu unterstützen.
Als um die Jahrtausendwende der PISA-Schock die gesellschaftliche Diskussion über die deutsche Bildungslandschaft befeuert, beschließt die Robert Bosch Stiftung, den Blick in eine lösungsorientierte Richtung zu lenken und hervorragende Schulen in Deutschland sichtbar zu machen. Gemeinsam mit der Heidehof Stiftung ruft sie 2006 den Deutschen Schulpreis ins Leben. Schon die erste Preisverleihung führt zu großer öffentlicher Aufmerksamkeit: Ausgerechnet eine Grundschule im sozialen Brennpunkt wird als beste Schule Deutschlands ausgezeichnet. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler überreicht den Hauptpreis und ist von der Arbeit in der Schule „Kleine Kielstraße“ so begeistert, dass er sie umgehend besucht.
Der jährlich verliehene Deutsche Schulpreis gehört inzwischen zu den bekanntesten und anspruchsvollsten Preisen für Schulen. Davon ausgehend sind vielfältige Angebote entstanden, die gute Schulpraxis für alle zugänglich machen und das Schulsystem als Ganzes voranbringen. Zum Beispiel das Deutsche Schulportal: die größte deutschsprachige Plattform für Schulentwicklung, mit Konzepten der Preisträgerschulen und kostenlosen Online-Fortbildungen für Lehrkräfte. Oder das Netzwerk der Preisträgerschulen, ein gemeinsamer Lernraum für Schulentwicklung. Oder Projekte, die die Praxiskonzepte der ausgezeichneten Schulen aufbereiten und in einzelne Bundesländer tragen, wo sie in die Qualifizierungsprogramme für Pädagog:innen Eingang finden.
Seit 2002 setzt sich die Robert Bosch Stiftung dafür ein, die akademische Altersmedizin in Deutschland zu stärken. Zunächst fördert sie mit dem Forschungskolleg Geriatrie die Weiterbildung von Nachwuchsmediziner:innen. 2014 hebt die Stiftung ihr Engagement im Bereich Geriatrie auf eine neue Stufe und kündigt die Förderung von mehreren Lehrstühlen für Altersmedizin an. Denn obwohl der demografische Wandel eine deutliche Zunahme älterer Patient:innen erwarten lässt, sind solche Lehrstühle bis dato rar.
Die Resonanz ist bemerkenswert: Die Hälfte der Universitäten mit medizinischer Fakultät in Deutschland bewirbt sich auf die Ausschreibung der Stiftung. Heute hat sich die Geriatrie als eigenes akademisches Fach etabliert, und an vielen Universitäten werden Fachärzt:innen für Altersmedizin ausgebildet – eine Errungenschaft, die auch auf das Engagement der Stiftung zurückgeht.
Im Bereich Bildung verfolgt die Stiftung das Ziel, faire Startbedingungen für alle zu schaffen, unabhängig von Herkunft und sozialem Status – und das von Anfang an. Daher liegt ein besonderes Augenmerk auf der frühkindlichen Bildung. Mit dem „Forschungskolleg Frühkindliche Bildung“ fokussiert sich die Robert Bosch Stiftung ab 2009 auf die Qualifizierung exzellenter Nachwuchswissenschaftler:innen in diesem Bereich, die an Universitäten und Fachhochschulen forschen und lehren. Ziel dahinter ist es, das Angebot der akademischen Ausbildung für Fachkräfte von Kindertageseinrichtungen zu verbessern.
Im Zuge des flächendeckenden Ausbaus von Kita-Plätzen in Deutschland nimmt die Stiftung auch die pädagogische Qualität der Kindertagesbetreuung in den Blick. So initiiert sie mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Deutschen Jugendinstitut die „Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte“ – ein Ansatz, der die Bildung für die Kleinsten als Basis des Bildungssystems stärkt.
Mit der Robert Bosch Academy eröffnet die Stiftung 2014 eine neue Einrichtung in Berlin, die renommierten Entscheidungsträger:innen und Expert:innen aus aller Welt die Möglichkeit bietet, einen Arbeitsaufenthalt in Berlin zu verbringen. Die Fellows sind eingeladen, sich am politischen Dialog in Berlin zu beteiligen – und bereichern Debatten in Deutschland damit um globale Stimmen und Perspektiven.
Die Academy spiegelt alle Themen und Schwerpunkte der Stiftungsarbeit – von Gesundheit über Exzellenz in der schulischen Bildung bis hin zur Völkerverständigung. Bis heute waren an der Academy 112 Fellows aus 46 Nationen und sechs Kontinenten zu Gast. Unter den Fellows, die an der Robert Bosch Academy gearbeitet und geforscht haben, sind zum Beispiel der international bekannte Osteuropa-Experte Ivan Krastev, die Mitbegründerin der #BringBackOurGirls-Bewegung Obiageli Ezekwesili oder der ehemalige Generalsekretär von Amnesty International, Kumi Naidoo.
2014 gründet die Robert Bosch Stiftung das Robert Bosch College UWC in Freiburg – das bis dahin größte Einzelprojekt in der Geschichte der Stiftung. Die Schule ist Teil des Netzwerks von 18 United World Colleges (UWCs) weltweit. Alle basieren auf einem besonderen Schulkonzept: Junge Menschen aus aller Welt und aus allen sozialen Schichten leben und lernen zwei Jahre lang gemeinsam in einem Umfeld, das Toleranz und interkulturelles Verständnis fördert.
Mit der Gründung der internationalen Oberstufenschule verfolgt die Stiftung das Ziel, Menschen unterschiedlicher Nationen durch Bildung zusammenzubringen und so langfristig zu einer friedvolleren Welt beizutragen. Am UWC Robert Bosch College gibt es 200 Plätze, pro Jahrgang werden 100 Jugendliche aufgenommen. Ein Viertel der Schüler:innen stammt aus Deutschland, drei Viertel stammen aus anderen Ländern.
Die Schüler:innen eines UWCs werden ausschließlich nach Eignung und Begabung ausgewählt. Ein Stipendienprogramm stellt sicher, dass sich alle Schüler:innen den Schulbesuch leisten können. Bis heute haben am Robert Bosch College UWC 781 Schüler:innen aus rund 100 Ländern ihren Abschluss, das International Baccalaureate, gemacht. Es wird weltweit als Hochschulzugangsberechtigung anerkannt.
2022 gründet die Robert Bosch Stiftung den Bosch Health Campus (BHC) – ein neues Zentrum für patientenorientierte Spitzenmedizin mit den vier Schwerpunkten Behandeln, Forschen, Bilden, Fördern. Die Einrichtungen des BHC finden sich heute am Burgholzhof, dem Stammsitz des Robert Bosch Krankenhauses, außerdem am "Standort City" im Innenstadtbereich Stuttgarts. Im Bosch Health Campus bündelt die Stiftung ihre vielfältige Arbeit im Bereich Gesundheit. Integriert werden neben dem Krankenhaus unter anderem das Dr. Margarete Fischer-Bosch Institut für klinische Pharmakologie, das Robert Bosch Centrum für Tumorerkrankungen und das Irmgard-Bosch-Bildungszentrum.
Die Zusammenführung der Fachbereiche an einem Ort ermöglicht die interdisziplinäre Versorgung von Patienten – auf universitärem Niveau und auch bei komplexen Krankheitsbildern. Die enge Verzahnung von Behandlung und medizinischer Forschung ist dabei ideal, um Ergebnisse aus der Spitzenforschung schnell in die Gesundheitsversorgung zu bringen und damit den Patient:innen zunutze zu machen. Dank des Campus-eigenen Bildungszentrums können Fachkräfte gezielt aus- und fortgebildet werden.
Der im Bosch Health Campus ebenfalls integrierte Förderbereich – das Robert Bosch Zentrum für Innovationen im Gesundheitswesen – macht aus dem Campus ein Living Lab: ein Experimentierfeld für Ideen, wie eine bessere Gesundheitsversorgung aussehen kann. Schnelles und agiles Vorgehen ist in diesen disruptiven Zeiten ein entscheidendes Kriterium für Erfolg. Der Bosch Health Campus bietet alle Voraussetzungen dafür.