Die neueste Befragung des Deutschen Schulbarometers zeigt eine enorme Belastung der deutschen Schulen. Im Vordergrund sollte jetzt der Blick auf die Schüler:innen und ihre Bedürfnisse liegen, meint Dr. Dagmar Wolf, Bereichsleitung Bildung der Robert Bosch Stiftung.
Die neueste Umfrage des Deutschen Schulbarometers hat alarmierende Ergebnisse zu Tage gefördert. Wie sehen Sie die aktuelle Situation an deutschen Schulen?
Dr. Dagmar Wolf: Schulen stehen momentan vor großen Herausforderungen. Wir befinden uns im dritten Schuljahr unter Coronabedingungen und auch wenn sich die Lage langsam normalisiert, so sind die Auswirkungen deutlich spürbar. Psychische Folgen des langen Schulabsentismus, Leistungsrückstände, Verhaltensauffälligkeiten sind Herausforderungen, denen sich Schüler:innen und Lehrkräfte gleichermaßen stellen müssen. Hinzu kommen Kinder mit Fluchterfahrung. All diese Herausforderungen treffen auf ein System, das seit Jahren unter personellem Mangel leidet und aufgrund der dauernden Belastungen oft nur noch reagieren statt agieren kann. Unser Schulsystem fährt auf Kante.
„Hoffnung machen die vielen Schulen, die trotz der vielfältigen Belastungen aktiv Schule gestalten, an ihrer Schul- und Unterrichtsentwicklung arbeiten und zeigen, dass gute Schule möglich ist.“
Was sollte nun getan werden, um die Situation zu verbessern?
Im Vordergrund sollte jetzt der Blick auf die Schüler:innen und ihre Bedürfnisse liegen. Dazu gehört Beziehungsarbeit und das Erleben in der Schulgemeinschaft. Schulen brauchen Zeit und Freiheiten, um individuell auf die Bedürfnisse der Schüler:innen eingehen zu können. Wir erleben hier Schulen als besonders innovativ und erfolgreich, die etablierte Teamstrukturen haben und in Schulteams mit unterschiedlichen Professionen zusammenarbeiten. Manche Schulen benötigen auf diesem Weg noch zusätzliche Unterstützung z.B. durch Schulentwicklungs-berater:innen, die ihnen helfen Prioritäten zu setzen und Teamstrukturen zu etablieren. Kollegiale Strukturen über die Einzelschule hinweg in Netzwerken, kollegialen Beratungsgruppen etc. unterstützen Lehrkräfte bei ihrer täglichen Arbeit.
Wie erklären Sie sich, dass die Lehrkräfte trotz aller Belastungen recht zufrieden sind mit ihrem Beruf?
Lehrer:in wird man in der Regel aus Überzeugung und weil man gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeitet. Die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen ist bereichernd, sinnstiftend und motivierend. Das macht die Berufszufriedenheit aus. Schwierig wird es, wenn man immer wieder an Grenzen stößt und den Kindern und Jugendlichen mit den Mitteln, die der Schule zur Verfügung stehen, nicht mehr adäquat helfen kann. Die jüngste Befragung des Deutschen Schulbarometers zeigt, dass Lehrkräfte an Schulen, die ihre Schüler:innen nicht adäquat unterstützen können, unzufriedener im Job sind.
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