Zwischen KI-Skepsis, dem Wunsch nach mehr Demokratiebildung und wachsender Belastung: Das aktuelle Deutsche Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung zeigt, was Lehrkräfte bewegt – und wo sie dringend Veränderung sehen. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.
Das Deutsche Schulbarometer Lehrkräfte gibt jährlich Einblick in die aktuelle Situation an allgemein- und berufsbildenden Schulen – direkt aus der Perspektive der Lehrer:innen. Bei der jüngsten repräsentativen Erhebung für das Deutsche Schulbarometer 2025 standen zentrale Themen wie berufliche Zufriedenheit, Herausforderungen im Schulalltag, der Umgang mit Heterogenität und Inklusion, Fortbildungsaktivitäten sowie psychosoziale Unterstützungsangebote an Schulen im Fokus. Erstmals wurden in der aktuellen Ausgabe auch Fragen zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Unterricht und zur Demokratiebildung gestellt. Lesen Sie im Folgenden die wichtigsten Ergebnisse.
Die größte berufliche Herausforderung für Lehrkräfte stellt derzeit das Verhalten der Schüler:innen dar. Bereits im vergangenen Jahr rangierte dieses Thema an erster Stelle – nun ist der Anteil der Lehrkräfte, die es als zentrales Problem benennen, nochmals deutlich gestiegen: von 35 Prozent auf 42 Prozent. An Haupt- Real- und Gesamtschulen trifft das sogar auf jede zweite Lehrkraft zu (52 Prozent). An zweiter Stelle der meistgenannten Herausforderungen stehen die hohe Arbeitsbelastung und der zunehmende Zeitmangel – ein Problem, das inzwischen 34 Prozent der Lehrkräfte betrifft, sechs Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Der Lehrkräftemangel, der lange Zeit als zentrales Problem galt, wird aktuell nur noch von 20 Prozent der Befragten als größte Schwierigkeit genannt.
Trotz der hohen Belastungen im Schulalltag zeigt sich eine große Mehrheit (84 Prozent) überraschend zufrieden mit ihrer beruflichen Situation. 70 Prozent würden sich wieder für den Lehrerberuf entscheiden. Noch höher fällt die Zustimmung zur eigenen Schule aus – 90 Prozent der Befragten sagen, dass sie dort gerne arbeiten.
Der Einsatz von KI im Unterricht wird von vielen Lehrkräften mit gemischten Gefühlen betrachtet. Bei vielen überwiegt die Sorge, wenn Schüler:innen KI-Tools im Lernprozess nutzen – selbst bei jenen, die bereits eigene Erfahrungen mit KI gesammelt haben. In der Befragung sollten Lehrkräfte einschätzen, wie sich der Einsatz von KI auf verschiedene Kompetenzen auswirkt. Das Ergebnis: Vor allem bei sozialen und kommunikativen Fähigkeiten sowie beim kritischen Denken sehen über 60 Prozent der Befragten eher negative Auswirkungen. Doch es gibt auch eine andere Seite: Viele Lehrkräfte erkennen durchaus Chancen – insbesondere dann, wenn KI gezielt zur individuellen Förderung eingesetzt wird. 57 Prozent sehen darin einen klaren Vorteil für das Lernen. „ChatGPT und vergleichbare Anwendungen sind längst Teil der Lebenswelt junger Menschen und lassen sich auch durch Verbote nicht mehr aus dem schulischen Alltag verbannen", sagt Dr. Dagmar Wolf, Leiterin des Bildungsbereichs der Robert Bosch Stiftung. „Lehrkräfte sollten eigene Erfahrungen mit diesen Technologien sammeln. Darüber hinaus sind systematische Fortbildungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Unterricht unerlässlich. Nur so können Schüler:innen zu einem reflektierten und verantwortungsvollen Umgang befähigt werden."
„Richtig eingesetzt, kann KI Lehrkräfte entlasten und ihnen mehr Freiraum für pädagogische Aufgaben verschaffen."
Mehr als die Hälfte der Lehrkräfte ist der Meinung, dass an ihrer Schule mehr für die Demokratiebildung getan werden sollte. Von denjenigen, die sich ein stärkeres Engagement in diesem Bereich wünschen, sehen 77 Prozent die fehlende Unterrichtszeit als das größte Hindernis. Rund jede fünfte Lehrkraft äußert die Sorge, dass Demokratiethemen im Unterricht zu kurz kommen könnten, weil viele unsicher im Umgang mit dem Neutralitätsgebot sind. In ostdeutschen Bundesländern zeigen sich zusätzliche Herausforderungen. Dort berichten 38 Prozent der Lehrkräfte von einem geringen Interesse im Kollegium an Demokratiebildung. Zudem befürchten 29 Prozent, dass Diskussionen über demokratische Themen zu Konflikten unter den Schüler:innen führen könnten. „Demokratieerziehung findet nicht nur im Politikunterricht statt. Schulen müssen sich zu demokratischen, partizipativen und inklusiven Orten entwickeln, die von Lernenden und Lehrenden gemeinsam gestalten werden“, fordert Wolf. „Dafür brauchen wir einen echten Wandel – strukturell, personell und kulturell. Ein wichtiger Schritt ist die konsequente Umsetzung des angekündigten Investitionsprogramms Bildung und des Digitalpakts 2.0 durch Bund und Länder.“
Die Mehrheit der Lehrkräfte sieht die schulische Inklusion weiterhin kritisch. 71 Prozent sind der Meinung, dass Inklusion den Unterricht nicht oder sogar überhaupt nicht verbessert – ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr, als noch 74 Prozent dieser Ansicht waren. Mehr als die Hälfte der Lehrkräfte (55 Prozent) glaubt sogar, dass die zunehmende Vielfalt in den Klassen die Qualität des Unterrichts beeinträchtigt. „Für guten Unterricht in inklusiven und heterogenen Klassen fehlen schlicht die Voraussetzungen“, so Dagmar Wolf.
Erstmals wurde in der Befragung auch das sogenannte „Growth Mindset“ der Lehrkräfte berücksichtigt. Damit ist die Überzeugung gemeint, dass Fähigkeiten und Intelligenz nicht festgelegt sind, sondern sich durch Lernen und Anstrengung weiterentwickeln lassen. Die Ergebnisse zeigen: Lehrkräfte mit einem ausgeprägten Growth Mindset stehen der Inklusion deutlich offener gegenüber. Allerdings trifft das nur auf 13 Prozent der Befragten zu. 12 Prozent vertreten ein sogenanntes „Fixed Mindset“, also die Ansicht, dass Begabungen weitgehend angeboren und unveränderlich sind. Die große Mehrheit – 75 Prozent – lässt sich keinem der beiden Pole eindeutig zuordnen.