Nach der Weltklimakonferenz bietet die letzte COP in diesem Jahr, die UNCCD COP16 zur Bekämpfung der Wüstenbildung, noch einmal die Möglichkeit, wichtige Synergien zu nutzen und Erfolge zu erzielen. Warum Landrechte dabei eine zentrale Rolle spielen.
Nach der allseits beachteten und ebenso kritisierten Weltklimakonferenz in Aserbaidschan und der im Oktober ausgerichteten Biodiversitätskonferenz in Kolumbien richten sich nun die Augen vom 2. bis 13. Dezember auf die letzte Conference of the Parties (COP) der drei Rio-Konventionen, dem UN-Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD).
Im Vergleich zur Weltklimakonferenz haben die Biodiversitätskonferenz und die Wüstenbildungskonferenz zu ihrem Vorteil noch nicht den Status eines Mega-Events erreicht. Dennoch wird erwartet, dass die diesjährige UNCCD COP16 an ihrem Austragungsort in Riad, Saudi-Arabien, die bislang größte Zusammenkunft der 197 Vertragsparteien der UNCCD sein wird (196 Länder und die Europäische Union). Sie ist weniger bekannt, aber genauso bedeutsam wie die Schwesterkonventionen. Denn die in Riad verhandelte Landdegradation hängt untrennbar mit der Klima- und Biodiversitätskrise zusammen.
Der Klimawandel bedroht zuallererst die Lebensgrundlagen der Menschen „on the ground“ - Landwirt:innen, indigene Gruppen, Hirt:innen und lokale Gemeinschaften. Mehr als 2,5 Milliarden Menschen sind in den Ländern des Globalen Südens auf gemeinschaftlich genutztes Land angewiesen, um ihre grundlegenden Lebensbedürfnisse zu decken. Doch Landdegradation und Dürren als Folge des Klimawandels setzen ihnen zu. Außerdem wird das Land, auf dem sie leben, zur Erreichung der in den Rio-Konventionen gesetzten Ziele eingefordert: Land soll klimafreundlich genutzt werden. Es soll bereitstehen für (Wieder-)Aufforstung, für Naturschutz und Restaurierung, zur Energiegewinnung und für landbasierte Projekte zur Kohlenstoffkompensation. Der Bedarf an Land ist enorm, insbesondere in den Ländern des Globalen Südens. Sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Lösungen können aber nur entwickelt werden, wenn alle an den Entscheidungsprozessen Beteiligten, die Vertreter:innen der Vertragsstaaten, die Zivilgesellschaft, die Wissenschaft u.a. bereit sind, durch die Brille der jeweils anderen Konvention zu sehen und aktiv an Synergien zu arbeiten. Dabei sollten die Rechte und Bedarfe der lokalen Landnutzer:innen leitend sein für Entscheidungen zu Landrechten auf der globalen Ebene und ihre anschließende Umsetzung in den Ländern. Eine starke Rolle von Grassroots-Organisationen in allen Prozessen ist die Voraussetzung dafür.
„Es reicht nicht aus, über die Umsetzung auf lokaler Ebene zu diskutieren. Man muss die Rolle der Gemeinschaft verstehen [...]. Es geht nicht nur darum, Menschen zu internationalen Veranstaltungen zu bringen. Wir brauchen eine formellere Möglichkeit, um auf Augenhöhe zu informieren und Entscheidungen zu treffen.“
Mit dem Druck auf die begrenzte Ressource Land stehen gesicherte Landrechte für lokale und indigene Gemeinschaften im Zentrum einer gerechten Bewältigung unserer globalen Umweltkrisen. Menschenrechte wie etwa das Recht auf Nahrung können nur eingehalten werden, wenn Landrechte gesichert sind und ein Zugang zu fruchtbaren Böden möglich ist. Es ist zudem erwiesen, dass gesicherte kollektive Landrechte indigener und lokaler Gemeinschaften entscheidend für die nachhaltige und gerechte Bewirtschaftung von Gebieten sind. Insbesondere Frauen nehmen mit ihrem umfangreichen Wissen, ihren praktischen Erfahrungen und ihren Aufgaben zur Versorgung von Familien und Gemeinschaften eine wichtige Rolle für die nachhaltige Nutzung von Land ein.
„Landrechte sollten in den Zielen aller drei Rio-Konventionen verankert sein, denn sie bilden die Basis für die erfolgreiche Umsetzung land-basierter Maßnahmen. Während UNCCD die Bedeutung von Frauenlandrechten bereits hervorhebt, ist es höchste Zeit, dass sich die Schwesterkonventionen diesem Beispiel anschließen."
Trotz der zentralen Bedeutung von Landrechtefragen in verschiedenen Kontexten von Klimaschutzmaßnahmen wie Carbon Markets und Agrarökologie spiegelt sich diese Diskussion bisher kaum in den Verhandlungstexten der UNFCCC-COPs wider, einschließlich des Pariser Abkommens. Diese Lücke steht im Gegensatz zu Fortschritten in anderen internationalen Rahmenwerken wie der UNCBD, der UNCCD und den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs), die gesicherte Land- und Ressourcenrechte für lokale und indigene Gemeinschaften als zentralen Bestandteil zur Erreichung ihrer Ziele anerkennen. Was das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit angeht: Auf der Weltklimakonferenz in Baku hat sich gezeigt, dass Staaten wie Saudi-Arabien, Russland, Iran der Vatikan u.a. genderbezogene Verhandlungen verstärkt abblocken und sich diese Haltung auch am Widerstand gegen inklusive Sprache in den Verhandlungstexten äußerte.
Frauen und Mädchen gehören weltweit oft zu den ersten, die die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels, des Verlusts der biologischen Vielfalt und der Landdegradierung erfahren. Bei Dürre, Wasserknappheit und schwindenden Ressourcen sind sie als Versorgerinnen gezwungen, mehr Zeit für die Bewirtschaftung von Land aufzuwenden und größere Entfernungen zurückzulegen, um Wasser zu sammeln oder nach Nahrung und Medizin zu suchen. Damit verringern sich auch ihre Chancen auf Schulbildung und ein angemessenes Einkommen.
Selbst wenn Landrechte rechtlich anerkannt oder sogar dokumentiert sind, werden Frauen oft durch soziale, für Männer vorteilhafte Normen daran gehindert, Entscheidungen in Bezug auf Land zu treffen. Haben Frauen jedoch Kontrolle über Landressourcen und damit über die Produktion von Nahrungsmitteln, so stärkt sie das nicht nur individuell, sondern es verbessert auch die Ernährungssicherheit für ihre Familie und Gemeinschaft und fördert die nachhaltige Bewirtschaftung der Landflächen.
Auch musste UN Women, die UN-Einheit zu Geschlechtergleichstellung und zur Stärkung von Frauen und Mädchen, in einem Policy Brief vor wenigen Tagen feststellen, dass die Umsetzungen der Rio-Konventionen einschließlich ihrer Gender-Bestimmungen und Aktionspläne immer noch weitgehend isoliert voneinander erfolgen. Die UN-Organisation fordert daher die Vertragsparteien sowie deren Sekretariate und Interessengruppen auf allen Ebenen dringend dazu auf, gendersensible (gender-responsive), effizienzsteigernde Synergien in allen Prozessen zu schaffen – in Sitzungen und Verhandlungen, bei Finanzierung, Kapazitätsaufbau, Umsetzung von Politikentscheidungen bis hin zu Monitoring und Berichterstattung. Als vielversprechendes Beispiel für eine Verbindung zwischen Geschlechtergerechtigkeit und den Rio-Konventionen nennt UN Women u.a. die „Women’s Land Rights Initiative“ von TMG Research und der Robert Bosch Stiftung.
Die Robert Bosch Stiftung hat zusammen mit dem Berliner Think Tank TMG Research und den drei Sekretariaten der UNCCD (Wüstenbildungskonvention), UNCBD (Biodiversitätskonvention) und UNFCCC (Klimarahmenkonvention) die Women's Land Rights Initiative (WLRI) ins Leben gerufen: Ein informelles Netzwerk, getragen von Organisationen aus aller Welt, das sich nun gemeinsam in den Arbeitsprozessen der drei Rio-Konventionen für abgestimmte und ambitionierte Entscheidungen zu Frauenlandrechten und zur Geschlechtergerechtigkeit an der Schnittstelle von nachhaltigem Landmanagement und Klima- und Biodiversitätsschutz einsetzt.
Bei aller berechtigten Kritik am Ausgang der Weltklimakonferenz in Baku und dem Ruf nach Reformen bleiben die Prozesse rund um die Rio-Konventionen und ihre dazugehörigen COPs die zentralen Verhandlungsorte, in denen die Staaten der Welt unter Beteiligung der Zivilgesellschaft Bewältigungsstrategien entwickeln und für ihre Entscheidungen geradestehen müssen.
Die UNCCD ist nach wie vor die einzige der drei Rio-Konventionen, die die Rechte der Frauen auf Land priorisiert und Landrechte als entscheidend anerkennt, um die Ziele zu Land Degradation Neutrality (LDN) zu erreichen. Sie hat Raum für zivilgesellschaftliche Organisationen geschaffen und einen Gender-Aktionsplan verabschiedet, der die Landrechte von Frauen einschließt. Initiativen wie nationale Multi-Stakeholder-Konsultationen zu Landrechten und die Frauenlandrechte-Kampagne #HerLand haben das Bewusstsein für dieses Thema geschärft.
Wir, die Robert Bosch Stiftung und ihre Partner:innen, werden auf der COP 16 die Women’s Land Rights Initiative vorstellen und uns mit dem Netzwerk dafür einsetzen, dass Frauenlandrechte auch in den Schwesterkonventionen UNFCCC und UNCBD auf die Agenda gesetzt und übergreifend weiter ausgestaltet werden. Wir unterstützen Vertreter:innen von Grassroots-Organisationen darin, ihre Forderungen in die UNCCD-Diskurse einzubringen. Es geht beispielsweise darum, Gender-Perspektiven an Verhandler:innen heranzutragen und die aktive Teilhabe und Rechte von Frauen in den COP-Entscheidungen und in Plänen zur Umsetzung auf nationaler Ebene sicherzustellen.
Ebenso fördern wir die Debatte um einen verbesserten Zugang zu Finanzierung von frauengeführten Initiativen, die sich für gesicherte Landrechte, die Wiederherstellung von Land und agrarökologische Methoden in der Landwirtschaft einsetzen. So könnte etwa ein gesondertes Budget für Frauenlandrechte in Finanzierungsprogrammen enthalten sein, die den Ländern Mittel zur Erreichung der nationalen LDN-Ziele bereitstellen.
Besonders junge Menschen sind offen für neue Perspektiven: Ergänzend zum Climate Youth Negotiators Programme während der UNFCCC fördern wird daher mit dem Land Youth Negotiators Programme (LYNP) die Vorbereitung und Teilnahme an den UNCCD-Verhandlungen von Nachwuchskräften aus 14 afrikanischen Ländern. Sie kommen aus verschiedenen Sektoren und sind in Riad Mitglieder ihrer nationalen Verhandlungsdelegationen. Die jungen Verhandler:innen beider COPs treffen sich außerdem in gemeinsamen Trainings und lernen in diesen Begegnungen, übergreifend und vernetzt zu denken.