Meinungsbeitrag
Worauf es bei der Wiederherstellung von Ökosystemen ankommt

Im Rahmen seiner Präsidentschaft der UN-Klimakonferenz (COP26) hat Großbritannien eine „Natur“-Kampagne gestartet, um den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität zu bekämpfen. So genannte Naturbasierte Lösungen (Nature-based Solutions, NbS) können zu einer nachhaltigeren Landnutzung beitragen und den Klimawandel verlangsamen – allerdings nur, wenn sie auch lokal funktionieren. Ein Standpunkt von Dr. Gerrit Hansen, ehemalige Teamleiterin Klimawandel der Robert Bosch Stiftung.

Dr. Gerrit Hansen | November 2021
Auf fruchtbarem Boden wachsen neue Pflanzen
Peter Irungu

Ein großer Schwerpunkt der COP26 in Glasgow ist das Pflanzen und Pflegen von Bäumen. Bäume sind Teil der vom britischen Premierminister Boris Johnson vor einigen Wochen lautstark verkündeten Prioritätenliste „Kohle, Autos, Finanzen und Bäume“. Er drängt die Staats- und Regierungschefs der Welt, das Ende der Entwaldung bis zum Jahr 2030 zuzusichern und fordert von großen Produzenten und Konsumenten von Gütern wie Soja- oder Palmöl, die Abholzungen zu stoppen. Dabei sollte ihm allerdings klar sein, dass es bisher nicht an internationalen Initiativen zum Schutz oder zur Wiederherstellung von Ökosystemen gemangelt hat – und dass diese leicht scheitern können.

So wurden etwa die Ziele der New York Declaration on Forests nicht erreicht, und sowohl für die Great Green Wall wie auch für die African Forest Landscape Restoration Initiative (AFR100) gab es zwar hohe Zusagen, die Umsetzung läuft bisher jedoch schleppend. NbS haben zu Landkonflikten mit lokalen Gemeinschaften geführt und einige Länder zu dem Glauben verleitet, sie könnten sich durch das Pflanzen von Bäumen der Aufgabe entziehen, ihre Wirtschaft zu dekarbonisieren. Die Klimaziele werden wir ohne den Schutz und Ausbau natürlicher Kohlenstoffsenken nicht erreichen können. Glücklicherweise gibt es aber auch NbS, die Menschenrechte achten, örtliche Lebensbedingungen verbessern und gleichzeitig zu Resilienz beitragen, die Kohlenstoff speichern und die Biodiversität schützen.

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Die Robert Bosch Stiftung setzt sich für eine regenerative Welt ein, in der durch eine gerechte Transformation der Landnutzung Leben und Lebensgrundlagen erhalten werden – im Einklang mit den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und dem Pariser Klimaabkommen.

Erfolgreiche NbS stärken lokale Akteure wie Graswurzelgruppen, Dörfer, Gemeinden oder Regionalverwaltungen dabei, die Wiederherstellung von Land anzugehen und mitzugestalten. Das Global Landscapes Forum beispielsweise ist die größte wissensbasierte Plattform für nachhaltige Landschaften. Sie baut eine globale Community von Praktikern (GLFx) auf, deren Ortsgruppen Akteure und Interessensvertreter online und offline zusammenbringen. Sie mobilisieren lokale Gruppen und koordinieren Projekte wie die Anpflanzung von Bäumen und Hecken oder die Renaturierung von Wasserläufen und Graslandschaften.

Die Robert Bosch Stiftung hat den Aufbau der GLFx-Ortsgruppen in der erweiterten Sahelregion unterstützt und dadurch Aktivitäten vor Ort sowie einen gezielten Kompetenzaufbau ermöglicht. Das Treffen mit GLFx-Repräsentanten bei der GLF-Forest Food Finance Conference in Glasgow war ein echtes Highlight. Ebenfalls freuen wir uns über die Kooperation mit dem World Resources Institute (WRI), um nationale AFR100-Zusagen in inklusive und entschlossene Maßnahmen vor Ort umzusetzen. AFR100 verfolgte ursprünglich den Plan, bis 2030 in Afrika 100 Millionen Hektar Land wiederaufzuforsten. Seit COP21 in Paris haben bereits 32 Länder zugesichert, 128 Millionen Hektar aufzuforsten.

Das WRI will betroffene Interessensvertreter vor Ort und benachteiligte Gruppen, wie etwa Frauen und Jugendliche, über regionale Plattformen einbeziehen und ihnen dabei helfen, erfolgreiche Ansätze zu entwickeln und zu identifizieren. Außerdem sollen lokale Erfolge weitergetragen werden (unter anderem in andere AFR100-Regionen). Das zeigt, dass NbS nicht nur einen Beitrag leisten, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Sie können außerdem unsere Lebensgrundlagen nachhaltig sichern, die Gesundheit und Biodiversität verbessern sowie die Klimaresilienz stärken und Ungleichheiten verringern. Nachdem ich in Glasgow so vielen enthusiastischen Praktikern aus aller Welt begegnet bin, bin ich sicher, dass wir das auch schaffen können.