Die Menschen eint mehr, als sie trennt
Die Vereinten Nationen (UN) feiern ihren 75. Geburtstag. Der UN-Generalsekretär nutzt die Gelegenheit und rief Menschen aus aller Welt zu einem Dialog auf: Welche Entwicklungen sind für unsere Zukunft entscheidend? Und wie sollte sich die UN angesichts aktueller und künftiger Herausforderungen verhalten? Mehr als eine Million Menschen äußerten sich. Die Ergebnisse zeigen: Die Menschen weltweit eint mehr, als sie trennt.
Eine Pandemie erschüttert die Welt, die Klimaveränderungen bedrohen die Menschheit existenziell, wir erleben Konflikte und gewalttätige Auseinandersetzungen in vielen Teilen der Welt. Die Welt bleibt gespalten – durch digitale Technologien und den demografischen Wandel, zunehmende Ungleichheit und Armut. Wie können wir diese zentralen Herausforderungen unserer Zeit angehen, wenn weltweit wachsender Nationalismus, schwindende globale Zusammenarbeit und mangelndes Vertrauen in etablierte internationale Organisationen zu beobachten sind?
Um Antworten zu finden und in kritischer Auseinandersetzung mit ihrer Arbeit, starteten die Vereinten Nationen im Januar 2020 einen weltweiten Dialog unter dem Motto „Die Zukunft, die wir wollen, und die Vereinten Nationen, die wir brauchen“ – ganz im Geiste der Präambel der UN-Charta, die mit den Worten „Wir, die Völker der Vereinten Nationen“ beginnt. In Umfragen, Diskussionsrunden und Austauschformaten beantworteten Menschen überall auf der Welt Fragen wie: Wenn Sie an die Zukunft denken, was sind Ihre Hoffnungen und Ängste? Wo sollten Ihrer Ansicht nach die Prioritäten in der internationalen Zusammenarbeit liegen? Und was erwarten Sie von einer Organisation wie den Vereinten Nationen? Die Fragen wurden in verschiedenen Kontexten diskutiert, in Klassenzimmern und Vorstandsetagen, Parlamenten und Gemeindehäusern, mit dem Ziel, so viele Gesprächspartner wie möglich zu erreichen – einschließlich junger, kritischer und marginalisierter Menschen. Da sich persönliche Treffen aufgrund der Pandemie schwierig gestalten, fanden die Dialogformate verstärkt online statt.
Die Forschungsmethode: Fünf verschiedene Datenstränge
In den vergangenen Monaten, und trotz der Pandemie, nahmen über eine Million Menschen in allen 193 Mitgliedsstaaten der UN an der Online-Umfrage teil. Außerdem wurden in 82 Ländern rund eintausend Dialoge geführt, 50.000 Menschen in 50 Ländern wurden im Rahmen einer unabhängigen Meinungsumfrage befragt. Zusätzlich wurde eine Analyse von sozialen und traditionellen Medien in 70 Ländern umgesetzt sowie wissenschaftliche Beiträge aus allen Regionen weltweit zusammengetragen.
Der nun veröffentlichte Bericht führt die Ergebnisse dieser unterschiedlichen Datenstränge zusammen. Er zeigt die dringlichste Erwartung der meisten Teilnehmer des Dialogs: Ein besserer Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, insbesondere zu Gesundheitsversorgung, sauberem Trinkwasser, sanitären Einrichtungen sowie Bildung. Auf Platz zwei der Prioritätenliste steht der Wunsch nach mehr Solidarität zwischen Menschen und Nationen und mehr Unterstützung der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder. Längerfristig betrachtet ist die größte Sorge der Menschen weltweit der Klimawandel und seine Auswirkungen. Die vergeblichen Bemühungen, die Klimakrise in den Griff zu bekommen, und die Zerstörung der Umwelt beunruhigen die Umfrageteilnehmer in allen Regionen der Welt am meisten: von Nord bis Süd, von Ost nach West.
Diese Bestandsaufnahme der Herausforderungen und des Handlungsdrucks wird anlässlich des 75. Jubiläums der UN auch politisch anerkannt: Bei der offiziellen Gedenkfeier am 21. September 2020 überreicht UN-Generalsekretär António Guterres den Bericht an die Staats- und Regierungschefs der UN-Mitgliedsstaaten. Zusätzlich verabschiedet die UN-Generalversammlung eine politische Erklärung zur Zukunft der Vereinten Nationen und der internationalen Kooperation. Darin werden die bisherigen Errungenschaften der UN unterstrichen, aber auch Versäumnisse der Organisation seit ihrer Gründung erwähnt. In erster Linie aber wird in der Erklärung Handlungsbedarf eingeräumt, die Wiederbelebung des Multilateralismus eingefordert und damit eine Bereitschaft zu Reformen und Erneuerungen signalisiert. Sie enthält 12 Beschlüsse, mit denen die UN Mitgliedstaaten „die Zukunft, die wir wollen, und die Vereinten Nationen, die wir brauchen“ erreichen wollen.
„Menschen weltweit einzubeziehen und ein politisches Bekenntnis einzufordern, entspricht der Dringlichkeit vieler Herausforderungen“
„Wir begehen das 75. Jubiläum einer historischen Verpflichtung für Frieden zu einer Zeit, in der Kooperationen zu globalen Herausforderungen mehr denn je gebraucht werden. Jedoch befinden wir uns in einem ausgeprägt nationalen Moment im Umgang mit Fragen von globaler Relevanz. Menschen weltweit einzubeziehen und ein politisches Bekenntnis zu fortwährender Zusammenarbeit einzufordern, entspricht der Dringlichkeit vieler Herausforderungen,“ sagt Sandra Breka, Mitglied der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung. „Diese politische Erklärung richtet sich an die Menschen, in deren Dienst die UN steht, und wird an ihren Versprechen gemessen: Staatsoberhäupter kommen nicht nur zusammen, um das Jubiläum feierlich zu würdigen, sondern um zu handeln. Die vorhandenen Instrumente erfordern dringend Reformen und die Bereitschaft zur Durchsetzung, die von politischem Willen getragen werden.“
Die Ergebnisse der globalen Konversation spiegeln das Bedürfnis nach mehr internationaler Zusammenarbeit mit großer Mehrheit wider: Drei Viertel der Befragten der Umfrage sind sich einig, dass die UN eine bedeutende Organisation bei der Bewältigung der größten Herausforderungen ist. Fast 90 % meinen, dass internationale Zusammenarbeit unverzichtbar sei, um diese zu meistern.
„Die politische Erklärung fordert den Generalsekretär dazu auf, Vorschläge zu unterbreiten, wie die UN sich für die Gegenwart und Zukunft aufstellen sollte“
Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der globalen Dialoge zusätzlich eine Vielzahl konkreter und belastbarer Vorschläge für eine Stärkung und Erneuerung der Vereinten Nationen. Die meisten davon zielen auf eine inklusive UN ab, die der Vielfalt der Akteure des 21. Jahrhunderts stärker Rechnung trägt. Auch wird vorgeschlagen, Institutionen zu reformieren, die Führungsrolle der UN zu stärken und ihre moralische Autorität entschlossener zugunsten von Frieden, Sicherheit, menschlicher Entwicklung und Menschenrechten einzusetzen.
„UN-Generalsekretär António Guterres nutzt das Jubiläum dafür, die wachsende Kluft zwischen Menschen und Institutionen zu überbrücken – Institutionen, deren Mandat ursprünglich darin liegt, den Bedürfnissen der Menschen zu dienen“, meint Sandra Breka. „Die weltweite UN75-Konversation hat bei weitem nicht nur statistischen Wert, sondern bietet einen reichen Schatz zukunftsweisender Vorschläge. Die politische Erklärung fordert den Generalsekretär dazu auf, Vorschläge zu unterbreiten, wie die UN sich für die Gegenwart und Zukunft aufstellen sollte. Dies ist eine einzigartige Gelegenheit, zu beweisen, dass die UN und Regierungen weltweit bereit sind, den Sichtweisen von „uns, den Völkern der Vereinten Nationen“ zuzuhören. Es ist auch als Verpflichtung für alle anderen gesellschaftlichen Akteure zu verstehen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Stärkung internationaler Zusammenarbeit beizutragen.“
Lesen Sie den vollständigen Bericht
Offzielle Übergabe des Berichts: Seien Sie per Livestream dabei!
UN-Generalsekretär Guterres überreicht heute im Rahmen der offiziellen Feier den Bericht an die Staats- und Regierungschefs der UN-Mitgliedsstaaten. Gleichzeitig verabschiedet die UN-Generalversammlung eine politische Erklärung zur Zukunft des Vereinten Nationen.
Heute ist Weltfriedenstag!
Der 21. September ist jährlich der „International Day of Peace“ der Vereinten Nationen. Das Motto in diesem Jahr lautet „Shaping Peace Together“ und rückt den Zusammenhalt während der Covid-19 Pandemie in den Fokus. Weltweit wird dazu aufgerufen, sich für die Förderung von Dialog einzusetzen und gemeinsam Frieden zu gestalten. Geschlossen stellen sich die Vereinten Nationen gegen Bestrebungen, Covid-19 für Diskriminierung und Hass zu instrumentalisieren. „Gemeinsam Frieden gestalten“ passt zu dem Ansatz, den die Robert Bosch Stiftung im Thema Frieden verfolgt: In unserer Förderung stehen inklusive, lokale Ansätze im Mittelpunkt. Wir verstehen darunter, dass Friedensprozesse maßgeblich von den Akteuren gestaltet werden, die am meisten von einem Konflikt betroffen sind.