Kurz erklärt
UN-Klimakonferenz in Glasgow: Zwischen Erfolg und Enttäuschung

Um den gefährlichen Treibhauseffekt zu bremsen, braucht es weltweit verbindliche Maßnahmen für mehr Klimaschutz und deutlich höhere Investitionen in diesen. Auf der UN-Klimakonferenz COP 26 in Glasgow lagen daher große Erwartungen. Auch die Stiftung war vor Ort und setzte beim wichtigsten Klima-Event des Jahres 2021 Akzente.

Robert Bosch Stiftung | Dezember 2021
Luftaufnahme von Überschwemmungen in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone
Michael

Hitzewellen, Extremniederschlägen, Dürre: Der Klimawandel beeinflusst die Zahl und Stärke von Wetterextremen. So auch in Freetown, der Hauptstadt des westafrikanischen Staates Sierra Leone.

2015 verpflichtete sich die Weltgemeinschaft in einem historischen Klimaabkommen in Paris, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, möglichst sogar auf 1,5 Grad. Doch bisher bleibt die Realität weit hinter diesem Ziel zurück. Trotz vieler politischer Maßnahmen steigen die weltweiten Treibhausgasemissionen weiter. „Auf der Klimakonferenz  ist ein durchaus ambitioniertes Kompromiss-Paket geschnürt worden“, sagt Dr. Gerrit Hansen, ehemalige Teamleiterin Klimawandel bei der Robert Bosch Stiftung. „Dazu gehört, dass die nationalen Klimapläne ab sofort jährlich überprüft werden, das 1,5 Grad-Ziel und der Bezug zur Wissenschaft gestärkt wurden und die große Mehrheit der Länder sich zur Treibhausgasneutralität um die Mitte des Jahrhunderts bekennt. Wenig Fortschritt gab es hingegen in wichtigen Gerechtigkeitsfragen wie der Unterstützung armer Länder bei der Anpassung an Klimawandelfolgen.“

Neben einer Brücke steht das grün erleuchtete Gebäude, in dem die COP26 stattfindet
Tomek Emigrant

In diesem Gebäude in Glasgow trafen sich in diesem Jahr zum 26. Mal Regierungsvertreter:innen, Journalist:innen und Klimaschutzaktivist:innen.

Worum ging es auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow?

Neben konkreten Maßnahmen beispielsweise zur Beschleunigung des Kohleausstiegs, mehr Investitionen in Erneuerbare Energien oder dem Schutz der Wälder als so genannte Kohlenstoff-Senken hatte die UN-Klimakonferenz in Glasgow zwei wichtige übergeordnete Ziele: durch eine ambitionierte Abschlusserklärung die Ziele des Paris-Abkommens und das Vertrauen in den multilateralen Prozess zu untermauern, und breite Unterstützung für einen sektorübergreifenden Umbau zur treibhausgasneutralen Gesellschaft zu organisieren . Beides ist der britischen Präsidentschaft gelungen: Der Glasgow Climate Pact enthält viele wichtige Entscheidungen. Die Konferenz selbst entwickelte Schwung durch eine Vielzahl an Absichtserklärungen und Bekanntgabe neuer Partnerschaften zwischen Regierungen, Wirtschaft und Finanzindustrie genauso wie durch die Einbindung indigener und Jugendgruppen in den Prozess.  

Welche Themen waren besonders wichtig?

Die britische Präsidentschaft der diesjährigen Klimakonferenz setzte sich stark für die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels ein. Ein weiterer wichtiger Punkt auf ihrer Agenda war die Rolle der Natur und naturbasierter Lösungen. Zum Beispiel sollten zur Anpassung an die Folgen der Klimakrise verbindliche Vereinbarungen für einen besseren Schutz bzw. die Wiederherstellung wichtiger Ökosysteme getroffen werden. Zudem stand die Klimagerechtigkeit im Mittelpunkt: Neben der Frage, wie die 2015 in Paris zugesagten 100 Milliarden US-Dollar an finanzieller Unterstützung für ärmere Länder zusammenkommen, war auch der Umgang mit Verlusten und Schäden durch den Klimawandel ein zentrales Thema. Denn selbst bei erfolgreichem Klimaschutz werden gravierende Auswirkungen des Klimawandels in den nächsten Jahrzehnten vor allem diejenigen treffen, die am wenigsten zu seiner Entstehung beigetragen haben. Auch „just transition“, die gerechte Gestaltung des Umbaus hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft, war ein zentrales Thema.

Welche Vereinbarungen und Fortschritte im Klimaschutz wurden in Glasgow erzielt?

Um die bereits in Paris vereinbarten Klimaziele umzusetzen, wurde in den letzten Jahren von den beteiligten Staaten ein detailliertes Regelwerk erarbeitet. In Glasgow ist es gelungen, nun endlich die letzten offenen Punkte dieses Regelbuchs auszuarbeiten: Ein zentraler Streitpunkt, die Ausgestaltung der internationalen Zusammenarbeit, insbesondere des Handels mit Emissionszertifikaten, konnte geklärt werden. Nun gibt es eindeutige Regeln, wie Unternehmen und Staaten Treibhausgas-Emissionen außerhalb der eigenen Landesgrenzen ausgleichen können. Bei der Anrechenbarkeit von Emissionsreduktionen steckt der Teufel im Detail. Ein robuster Rahmen, wie er jetzt in Glasgow gesetzt wurde, ist jedoch Voraussetzung für das Erreichen der Klimaziele.

Enttäuschend war hingegen das schwache Ergebnis zu Klimafinanzierung, und die anhaltende Weigerung der Industrieländer, Geld für Verluste und Schäden zur Verfügung zu stellen. Hier liegen jetzt viele Hoffnungen auf der „Afrika-COP 27“ in Ägypten, wo Resilienz und Anpassung im Fokus stehen werden.

Ein Thema, das weitgehend auf der Agenda fehlte, ist Migration als eine Reaktion auf den Klimawandel. Die Weltbank prognostiziert, dass Migration vor allem innerhalb von Landesgrenzen bis 2050 deutlich zunehmen wird, sollte der globale Temperaturanstieg nicht deutlich verlangsamt werden. Städte, zivilgesellschaftliche Akteure und einige Staaten haben dieses Thema in Glasgow platziert und sich dafür eingesetzt, dass es bei der Klimakonferenz im Jahr 2022 einen noch größeren Stellenwert einnehmen wird.  

Tiere versammeln sich unter dem einzigen Baum in der Steppe
Ricardo Lima

Eine Folge des Klimawandels: Vertrocknete Böden und Wasserknappheit haben tragische Folgen für Mensch und Umwelt.

Wie brachte sich die Robert Bosch Stiftung auf dem Klimagipfel ein?

Ein Weltklimagipfel ist auch ein Forum für Akteure aus aller Welt, die auf ihre Projekte und Initiativen aufmerksam machen und sich vernetzen. So haben in Glasgow viele Partnerinnen und Partner der Stiftung ihre Arbeit vorgestellt: Zum Beispiel veranstaltete das Global Landscape Forum in Zusammenarbeit mit der britischen Präsidentschaft eine dreitägige Konferenz zu „Forests, Food and Finance“, auf der ein Stiftungsprojekt zur Renaturierung von Trockengebieten im Sahel erstmals vorgestellt wurde. Die Global Alliance for the Future of Food beteiligte sich an vielen Aktivitäten rund um das Thema Klima und Ernährung, unter anderem der Vorstellung der „Glasgow Declaration for Food and Climate“ und der Climate Justice Resilience Fund organisierte ein umfangreiches Programm zu Klimagerechtigkeit. Der „Mayors Migration Council“, ein internationaler Zusammenschluss von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, stellte einen Aktionsplan zu Klima und Migration vor . Die Robert Bosch Stiftung nutzte die Konferenz unter anderem, um den „Global Cities Fund for Inclusive Climate Action“ anzukündigen, aus dem fünf Städte in Subsahara-Afrika ab 2022 insgesamt eine Million US-Dollar Stiftungsförderung erhalten, um Migrant:innen besser vor den Folgen des Klimawandels zu schützen.

Welche Schwerpunkte setzen wir in unserer Arbeit zum Klimawandel?

Klimawandel und Landnutzung

Neben dem Ausstieg aus fossilen Energien ist der Landsektor zentral für den Klimaschutz: Entwaldung, Bodenerosion, synthetischer Dünger und Massentierhaltung sind für etwa ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Gleichzeitig sind gerade Kleinbauern im globalen Süden schon heute massiv von den Folgen des Klimawandels betroffen. Für eine nachhaltige Entwicklung zur klimaneutralen Gesellschaft ist ein rascher und gerecht gestalteter Umbau der Landnutzung unabdingbar. Wir fördern Lösungen, die Klima und Ökosysteme schützen, Resilienz aufbauen und Ungleichheit adressieren. Dabei arbeiten wir international, mit geographischen Schwerpunkten in Subsahara-Afrika und Europa.

Klimabedingte Migration

Die weltweiten klimatischen Veränderungen entziehen Millionen Menschen die Lebensgrundlage und bringen sie dazu, ihre Heimat zu verlassen. Viele Menschen suchen zunächst in Städten ein neues Zuhause. Gerade in afrikanischen Metropolen überschneiden sich rasche Urbanisierung und Klimaauswirkungen – mit schwerwiegenden Folgen für eine der am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen: Migrantinnen und Migranten. Wir unterstützen Akteure insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent dabei, innovative und nachhaltige Lösungsansätze zu erarbeiten und umzusetzen. Wir fördern den Austausch zwischen Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft und tragen dazu bei, wissenschaftliche Befunde und Erkenntnisse aus der Praxis in politische Prozesse zu klimabedingter Migration einzubringen. 

Klimagerechtigkeit und „just transition“

Sowohl innerhalb von Ländern als auch global besteht eine große Kluft zwischen den Verursacher:innen und den Betroffenen der Klimakrise. Besser gestellte Menschen und reiche Länder haben mehr zur Erhitzung der Atmosphäre beigetragen. Zugleich sind sie für die Folgen des Klimawandels besser gerüstet als ärmere und gesellschaftlich benachteiligte Menschen. Da die Folgen der Klimakrise bestehende Ungleichheiten weiter vertiefen, ist es nicht zuletzt eine soziale Frage, dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Wir unterstützen Akteure dabei, die Maßnahmen zum Schutz des Klimas mit der Verringerung von Ungleichheiten verbinden.