Meinungsbeitrag
Mehr als nur "Net Zero"

Die UN-Klimakonferenz in Glasgow muss Ungleichheit als Teil der Klimakrise begreifen. Denn Klimagerechtigkeit ist entscheidend für nachhaltige Lösungen. Ein Standpunkt von Kathrin Strobel, ehemalige Teamleiterin Ungleichheit der Robert Bosch Stiftung.

Kathrin Strobel | Oktober 2021
Frau zertrümmert mit dem Hammer die Mauer eines Hauses am Meer
Moniruzzaman Sazal / Climate Visuals Countdown / CC BY-NC-ND 4.0

Mit dem November beginnt die UN-Klimakonferenz COP26, und so grau der Berliner Herbst ist, so sorgenvoll schaut alle Welt nach Glasgow. Sorgenvoll, weil die Verpflichtungen der Länder bisher nicht ausreichen, um die Erderwärmung unter 1,5 Grad zu halten und die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Sorgenvoll auch, weil die Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und dem drängendsten sozialen Problem unserer Zeit, der Ungleichheit, nach wie vor missachtet werden.

Wenn Staatsoberhäupter auf der COP26 nachhaltige Lösungen finden wollen, müssen sie soziale Fragen berücksichtigen. Erstens verlangt die Beendigung der Klimakrise eine grundlegende Veränderung unserer Gesellschaften. Zweitens sind die Folgen der Krise - gemessen daran, wer sie verursacht - ungleich und ungerecht verteilt. Die Reichen verantworten den Großteil der weltweiten Emissionen, während Ärmere und Marginalisierte, das heißt, gesellschaftlich Benachteiligte, am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden.

Portrait Kathrin Strobel

Zur Person

Dr. Kathrin Strobel leitet das Team Ungleichheit der Robert Bosch Stiftung. Die Stiftung will einen Beitrag dazu leisten, Ungleichheit zu verringern und ein Leben in Würde und Gleichberechtigung für alle Menschen zu ermöglichen. Sie will dabei der Vielschichtigkeit von Ungleichheit gerecht werden und den Blick auf die unterschiedlichen Faktoren richten, die zu Ausgrenzung führen.

Klimagerechtigkeit bedeutet, die Klimakrise zu bekämpfen und dabei alle gesellschaftlichen Gruppen angemessen einzubeziehen, um faire Lösungen zu finden. Drei Forderungen stehen dabei im Zentrum:

  • Gesteckte Ziele Ernst nehmen und über CO2-Fragen hinaus denken: Die Staaten müssen die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen endlich an vereinbarten Zielen messen und drastische Veränderungen einleiten. Der Schutz der Menschenrechte und die Umsetzung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung sollten zentraler Bestandteil aller Maßnahmen sein.
  • Niemanden zurücklassen: Alle Länder müssen eine Chance haben, die sie betreffenden politischen Prozesse zu gestalten. Mehrheitsentscheidungen dürfen die am stärksten Betroffenen nicht benachteiligen. Von der internationalen bis zur lokalen Ebene muss effektive Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen ermöglicht werden. Das Prinzip der freien, vorherigen informierten Zustimmung muss respektiert und Feedback- und Beschwerdeprozesse eingerichtet werden.
  • Jene unterstützen, die es am stärksten trifft: In Glasgow müssen Mittel für diejenigen bereitgestellt werden, die sie am dringendsten benötigen, um die Folgen des Klimawandels zu mildern und Resilienz zu stärken. Dabei müssen deutlich mehr als die 2009 versprochenen 100 Milliarden Dollar fließen.

Die Robert Bosch Stiftung unterstützt Gruppen, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen und Klimawandel als soziale Frage verstehen. Sie fördert den Global Greengrants Fund, der Basis- und Community-Arbeit unterstützt, und den Climate Justice Resilience Fund, der Menschen in besonders vom Klimawandel betroffenen Regionen hilft, Klimaresilienz zu entwickeln. Am 3. November lädt das Just Transition Donor Collaborative in Glasgow zu einer Diskussion über die Erwartungen an die Philanthropie ein. Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen dem grauen Berliner Herbst und fehlender Klimagerechtigkeit: Gegen Letzteres kann man mehr tun als abwarten und Tee trinken.