Wie Klimapolitik gerechter und sozialer gestaltet werden kann, zeigt eine neue Studie im Auftrag der Robert Bosch Stiftung. Bürgerbeteiligung spielt eine zentrale Rolle.
Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. In der Berichterstattung dominiert oft die individuelle Verantwortung der Bürger:innen, eine nachhaltige Lebensweise umzusetzen, aber die Möglichkeiten dazu sind stark von den politischen Rahmenbedingungen abhängig. Die Diskussion, ob Klimaschutz vor allem individuelle Verantwortung oder politische Aufgabe ist, ist also ein falsches Dilemma: Effektiver und sozialverträglicher Klimaschutz kann nur gelingen, wenn sowohl Rahmenbedingungen als auch individuelle Umsetzung verzahnt sind. Zentral sind hierbei die Schnittstellen zum Austausch: Bürgerbeteiligung in Form von Bürgerräten, Bürgerentscheiden oder anderen Formaten ist ein wichtiges Instrument, um beide Aspekte – also den politischen Rahmen und die individuelle Umsetzung – zusammenzubringen.
Bürger:innen informieren sich zunehmend auf einschlägigen Social Media Plattformen, die weniger Komplexität vermitteln. Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind aber komplexe Themen. Umso wichtiger ist die Möglichkeit, sich fundiert über diese Themen zu informieren und auszutauschen. Hier bieten Bürgerbeteiligungsprozesse großes Potential, das Bewusstsein für die Komplexität wieder zu schärfen. Insbesondere geloste Bürgerräte bringen unterschiedliche Teile der Gesellschaft zusammen, die in ihrem Alltag kaum noch Berührungspunkte mit politischen Entscheidungsprozessen haben. Eine gemeinsame Diskussion über die Bandbreite an Möglichkeiten und Risiken von Maßnahmen ist ein Baustein, um unsere Demokratie zu stärken. Nicht zuletzt macht Bürgerbeteiligung auch blinde Flecken und potenzielle Konflikte unterschiedlicher Entscheidungen frühzeitig sichtbar, indem sie die Lebensrealitäten vor Ort aktiv mit einbezieht.
Bürgerbeteiligungsformate werden von der lokalen bis zur globalen Ebene durchgeführt und sind insbesondere auf kommunaler Ebene ein wichtiges Instrument, um Maßnahmen im Sinne der Menschen vor Ort zu gestalten. Da die nationalen Rahmenwerke dabei den Spielraum für die Umsetzung und Akzeptanz vor Ort setzen, sollten Bürgerbeteiligungsformate auch auf Bundesebene gestärkt werden, damit sie in die Kommunen hineinwirken und dort die Lebensrealitäten abbilden können.
Eine neue Studie, die die Robert Bosch Stiftung gemeinsam mit Klimamitbestimmung e.V. veröffentlicht hat, zeigt hierfür verschiedene Ansätze und Möglichkeiten auf. So könnten vorhandene wichtige Prozesse, wie zum Beispiel die im Rahmen des Klimaschutzgesetzes auszuarbeitenden Klimaschutzprogramme und -pläne, durch gezieltere Beteiligung bereits während der Erarbeitung gestärkt werden. Außerdem wäre eine zentrale Kompetenzstelle des Bundes ein wichtiger Baustein, um den zusätzlichen Koordinationsaufwand von Beteiligung über Themen, Ebenen und Ministerien hinweg effizient zu gestalten. Die Studie betont, dass gut integrierte Beteiligungsverfahren eine wichtige Rolle bei der Überwindung von Polarisierung und der Förderung eines konstruktiven Dialogs spielen können.
Gemeinsam mit dem Partner Klimamitbestimmung e.V. veröffentlicht die Robert Bosch Stiftung am 1. Juli 2025 die Machbarkeitsstudie „Gemeinsam voran – Deliberative Beteiligung in Klimapolitik“. Darin machen die Autor:innen konkrete Vorschläge, wie Bürger:innen und wichtige Interessengruppen künftig sinnvoll in Gesetzgebungsprozesse eingebunden werden können.
Im Kern bieten Beteiligungsprozesse die Chance, die Klimapolitik auf Bundesebene zu stärken und mit den Stimmen und Erfahrungen der Menschen vor Ort zu verweben. Zwar sind Klimaziele und Strategien oft abstrakt formuliert - ihr Erfolg oder Misserfolg wird aber im Alltag der Menschen entschieden. Um eine Klimapolitik zu gestalten, die nicht nur wirksam ist, sondern auch von einer breiten Mehrheit mitgetragen wird, muss die Vielfalt der Lebensrealitäten Berücksichtigung finden.
"Doch bisherige Beispiele zeigen auch, dass eine Verantwortungsübernahme seitens der Regierung sowie klare Regelungen zum Umgang mit Empfehlungen notwendig sind. Die verpasste Chance, die Empfehlungen des Bürgerrats 'Ernährung im Wandel' umzusetzen, hat sehr engagierte, aber auch enttäuschte Teilnehmende zurückgelassen."
Fest steht: Für den Klimaschutz müssen Emissionen gesenkt werden. Hierfür gibt es eine Vielzahl an Maßnahmen und Wegen. Diese gilt es abzuwägen und mit möglichst breiter gesellschaftlicher Unterstützung sozialverträglich umzusetzen. Denn nicht jeder ist gleich handlungsfähig: Neben finanziellen Fragen erschweren oft auch rechtliche oder administrative Hürden das individuelle Handeln. Mieter:innen beispielsweise sind nicht befugt, eigenständige Entscheidung für E-Ladeinfrastruktur oder einen Heizungstausch zu treffen. Nötige Unterstützungsleistungen auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen abzustimmen – etwa die gezielte Förderung von E-Mobilität oder Heizungstausch – wäre ein immenser Fortschritt.
Andererseits muss das Bewusstsein für die Dringlichkeit von Maßnahmen gestärkt werden, so dass die Akzeptanz für Veränderung steigt. Die Studie zeigt, dass die Beteiligung von Bürger:innen und Stakeholdern die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen erhöhen kann, insbesondere wenn die Verfahren transparent und ergebnisoffen gestaltet sind.
Auf diese Weise übernimmt Bürgerbeteiligung eine wichtige Brückenfunktion im Maßnahmenmix für den Klimaschutz: Einerseits trägt sie durch ein besseres Verständnis der Komplexität zur Vermittlung zwischen verhärteten Positionen bei. Andererseits ermöglicht Bürgerbeteiligung bessere Maßnahmenpakete, wenn Lebensrealitäten in ihre Entwicklung und Umsetzung besser einbezogen werden. So wird eine mehrheitlich akzeptierte Klimaschutzpolitik möglich, die unsere Gesellschaft zukunftsfähig macht.