Veranstaltung zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine

Mit unseren Partner:innen zu Gast im Café Kyiv

Am 27. Februar lud die Konrad-Adenauer-Stiftung unter dem Motto „Café Kyiv - Wir wählen die Freiheit“ in das für wenige Tage im Rahmen einer Kunstaktion umbenannte Café Moskau in Berlin ein. Auch die Robert Bosch Stiftung, das iac Berlin, die Commit gGmbH sowie MitOst e.V. und ihre Partner:innen und Alumni aus der Ukraine beteiligten sich mit fünf von insgesamt knapp 50 Podiumsdiskussionen, Präsentationen, Lesungen und Konzerten.

Text
Kerstin Lohse-Friedrich
Bilder
Anika Nowak
Datum
28. Februar 2023

Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev freute sich bei der Begrüßung, dass „die Herzen an diesem Tag im blaugelben Takt schlagen“. Gleichzeitig dankte er Deutschland für die Aufnahme von rund einer Million seiner Landsleute. Es zeige sich, dass Deutschland und die Ukraine sich im vergangenen Jahr nähergekommen seien.
Diese Nähe war den ganzen Tag über zu spüren. Im persönlichen Gespräch machten die Gäste aus der Ukraine zwar immer wieder deutlich, dass sie die unterschiedlichen Realitäten in ihrer Heimat und Berlin kaum miteinander in Einklang bringen könnten. Einige, wie der Schriftsteller Jurko Prochasko, waren erstmals seit Kriegsbeginn ins Ausland gereist. Gleichzeitig freuten sie sich über das überwältigende Interesse an der Veranstaltung. Mehr als 2.500 Menschen hatten sich zum Café Kyiv angemeldet.

Zukunft der ukrainischen Städte

In einem der Räume konnten Besucher:innen mit Virtual-Reality-Brillen ukrainische Städte vor und nach den russischen Angriffen in einer 360 Grad-Perspektive betrachten. Von vielen Gebäuden sind nur noch schwarz verkohlte Steinhaufen übriggeblieben. Brücken, Wohnhäuser, Kirchen und Krankenhäuser wurden im Zuge der Raketenangriffe dem Erdboden gleichgemacht. Wie sollen die ukrainischen Städte der Zukunft aussehen?
Daryna Pryrogova von der NGO ReStart Ukraine präsentierte einen Überblick über die Wiederaufbauplanung der ukrainischen Städte und Dörfer am Beispiel eines Modellprojektes in der ehemals besetzten Stadt Tschernihiw im Nordosten des Landes. Während es im vergangenen Jahr zunächst darum ging, kurzfristig Orte der Zuflucht bereitzustellen und die Sicherheit von Gebäuden zu garantieren, ist der Blick nun auf die Zukunft gerichtet. Künftig gelte es, eine zukunftsweisende, ökologische und menschenzentrierte Stadtplanung umzusetzen, die sowohl die Erfahrungen und Geschichte der Belagerung widerspiegele als auch die Szenarien der globalen Erwärmung berücksichtigt, betonte die Stadtplanerin Pryrogova. Was soll erhalten, was wiederaufgebaut – und was darf ganz neu gedacht werden? Die NGO ReStart Ukraine bringt sich aktiv in den Gestaltungsprozess des Wiederaufbaus des Landes ein, indem sie den Verwaltungen und Stadtplanern eine offen zugängliche Wissensdatenbank und konkrete Beispiele zur Verfügung stellt, auf Risiken und Defizite hinweist und Anregungen gibt.

Eröffnung des Café Kyiv durch den ukrainischen Botschafter Oleksii Makeiev
Besucher:innen konnten mit Virtual-Reality-Brillen ukrainische Städte vor und nach den russischen Angriffen in einer 360 Grad-Perspektive betrachten
Nach der Eröffnung im großen Plenum konnten sich die Besucher in rund 50 Veranstaltungen informieren, u.a. auch in einer Virtual-Reality-Ausstellung

Die Rolle der Zivilgesellschaft beim Wiederaufbau der Ukraine

Rund fünf Millionen Menschen haben die Ukraine seit dem 24. Februar 2023 verlassen. Menschen, die für eine lebendige Zivilgesellschaft dringend gebraucht werden, betonte Annegret Wulff, Geschäftsführerin von commit gGmbH. Es sei wichtig, dass nun im Gleichklang gehandelt werde, statt wie in der Anfangszeit vor allem reaktiv, so Wulff.
Um die Frage, welche Rolle die Zivilgesellschaft in der Ukraine und im Exil für den Wiederaufbau spielt, ging es in einem reinen Frauenpanel, bei dem Wulff gemeinsam mit Nata Yeromenko, der Koordinatorin der Vidnova Fellowships für zivilgesellschaftliche Akteurinnen aus der Ukraine, zwei Fellows aus dem Programm sowie Ottilie Bälz, Bereichsleiterin Globale Fragen und Koordinatorin für das Ukraine-Engagement der Robert Bosch Stiftung, diskutierte. Es sei notwendig, dass die verschiedenen Organisationen innerhalb und außerhalb der Ukraine sich zusammentäten und mit einer starken Stimme zu Wort meldeten, betonte Ottilie Bälz. Auch die ukrainischen Teilnehmerinnen machten klar, was nach der ersten Phase der Nothilfe besonders gebraucht werde: dass jene Menschen, die ihre Heimat verlassen hätten, für die Zivilgesellschaft nicht verloren seien, sondern sich von anderer Stelle in Europa aus am Wiederaufbau beteiligten. Das Fellowship-Programm Vidnova wurde seit Kriegsbeginn ausgeweitet, um z.B. Frauen wie der Sozialunternehmerin Kira Okhrimenko die Möglichkeit zu geben, ihr Projekt mit älteren Frauen in der ländlichen Ukraine weiterzuentwickeln. Okhrimenko warnte davor, dass viele Ukrainer:innen, die sich seit Kriegsbeginn unaufhörlich für andere engagiert hätten, vor dem Burn-out stünden. Deshalb sei ein Unterstützungssystem dringend notwendig.

Graswurzelaktivitäten für Künstler:innen, Museen und Kunstwerke

Die drei Kulturschaffenden aus Kyiv, Alona Karavai, Serhiy Klymko und Olha Honcher, berichteten davon, wie sie innerhalb weniger Tage nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine erste Hilfsaufrufe zur Evakuierung von Kunstwerken gestartet, rund 900 in Not geratenen Künstler:innen finanziell geholfen und erste Ausstellungen und Konzerte im Krieg vorbereitet hätten. Gleichzeitig hätten sie innerhalb kürzester Zeit ein Online-Archiv für Kunstwerke, Künstler:innen und Institutionen aufgebaut. Über Artist-in-Residence-Programme wiederum schafften sie den Rahmen, damit Kunst entstehen kann, die den Krieg und ein Land im Ausnahmezustand zeigt. Mit einem Zwinkern sagte die Ko-Gründerin einer Galerie und des Residence-Projektes, Alona Karavai: „Die Gräben zwischen den verschiedenen Kulturschaffenden sind bei unserer Arbeit in den Hintergrund getreten. Über die Frage, wer zu den besten zählt, damit können wir uns nach dem Krieg wieder beschäftigen.“

 

Das Café Moskau in Berlin verwandelte sich anlässlich des Jahrestags des Ukrainekrieges in das Café Kyiv.

Das Café Moskau in Berlin verwandelte sich anlässlich des Jahrestags des Ukrainekrieges in das Café Kyiv.

Deutschland-Premiere der Kriegsoper Lullaby for Mariupol

Den Abschluss bildete die Oper „Lullaby for Mariupol“, die nur rund drei Wochen nach Kriegsbeginn ihre Uraufführung in einer siebenstündigen Version hatte. Mariupol war seit 2014 zum Symbol für den ukrainischen Widerstand geworden. Innerhalb weniger Tage wurde es im Frühjahr 2022 von russischen Streitkräften größtenteils zerstört. Wenige Tage zuvor hatten im damals noch friedlichen Kyiv die ukrainischen Komponisten Roman Grygoriv und Illia Razumeiko ein Stück für die ukrainische Lautenzither Bandura mit dem Titel „Mariupol“ komponiert, aus dem die Oper hervorging.


Bei der Aufführung von Opera Aperta in Berlin spielten drei Musiker:innen auf Saiteninstrumenten, während die drei Sänger:innen zwischen traditionellen Wiegenliedern und Klagelauten wechselten. Währenddessen waren an zwei großen Videoleinwänden Kriegsszenen zu sehen, die sich immer wieder aus vielen kleinen Pixeln in Mosaike verwandelten. Darunter seltene Aufnahmen von Mariupol-Mosaiken aus dem 6. und 7. Jahrhundert, die während der Belagerung der Stadt im März 2022 zerstört worden waren.

 

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