Das aktuelle „Deutsche Schulbarometer Schüler:innen“ wirft ein Schlaglicht auf das psychische und schulische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen.
Schulen sind wichtige Lebensmittelpunkte für Kinder und Jugendliche. Sie sind nicht nur Lernorte, sie spielen auch ein entscheidende Rolle für die seelische und geistige Gesundheit der Schüler:innen. Kinder und Jugendliche müssen sich in der Schule wohl fühlen, damit sie erfolgreich lernen können. Deshalb ist es erstaunlich, dass es bisher kaum Forschung zum Zusammenhang zwischen Schule und psychischer Gesundheit gibt.
Mit dem „Deutschen Schulbarometer Schüler:innen“ schließt die Robert Bosch Stiftung diese Lücke. Zum ersten Mal haben wir - in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig - nicht Lehrkräfte und Schulleitungen befragt, sondern Kinder, Jugendliche und ihre Eltern. Dabei interessierte uns vor allem, wie Kinder und Jugendlichen ihre eigenen psychischen Auffälligkeiten einschätzen, wie sie ihre Lebensqualität beurteilen und welchen Einfluss die Schule auf ihr Wohlbefinden hat.
Die Ergebnisse sind alarmierend: Die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen sind immer noch deutlich unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Ein Viertel der Jugendlichen schätzt die eigene Lebensqualität als gering ein. Zwei Drittel bewerten sie als mittel und nur sechs Prozent als hoch. Ungefähr ein Fünftel der Schüler:innen bezeichnet sich selbst als psychisch belastet. Ebenso viele klagen über ein geringes schulisches Wohlbefinden, bei Kindern aus Familien mit niedrigem Einkommen sogar knapp jedes Dritte. Die Kriege in der Welt, der Leistungsdruck in der Schule, die globale Klimakrise und die Ängste vor der eigenen Zukunft bereiten ihnen die meisten Sorgen.
Die Ergebnisse zeigen, dass das schulische Wohlbefinden der Schüler:innen vor allem davon abhängt, wie sehr sie von ihren Lehrkräften unterstützt werden. Schüler:innen, die sich von ihren Lehrkräften emotional und intellektuell unterstützt und beim Lernen begleitet fühlen, sind insgesamt zufriedener mit der Schule. Die Schüler:innen sagen ganz deutlich, dass sie sich mehr Führung in der Klasse und bessere Qualität des Unterrichts wünschen. Dennoch hat mehr als ein Drittel der Schüler:innen nie oder seltener als einmal im Monat eine Klassenleitungsstunde, in der sie mit der Lehrkraft über Probleme und andere Klassenthemen sprechen können. Dabei zeigt die Studie, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen in der Schule und dieser Gesprächsmöglichkeit.
„Es braucht ein neues Unterrichtsverständnis, das den Lernprozess in den Mittelpunkt stellt. Dazu sind neben datengestützter Diagnostik auch alternative Prüfungsformate und -zeiten notwendig, um die individuelle Lernentwicklung als neuen Standard zu etablieren.“
Die Studie beleuchtet auch, wie die Eltern mit dem Thema psychische Gesundheit umgehen und welche Hilfsangebote sie für ihr Kind nutzen. Dabei kam heraus, dass bis zu einem Drittel der Eltern die Hilfsangebote an der Schule ihrer Kinder nicht kennen. Wenn sie innerhalb der Schule nach Hilfe suchen, wenden sie sich in den meisten Fällen zuerst an die Klassenlehrkraft. Ein Viertel der Eltern, die sich an die Schule gewandt haben, hat dort aber keine Hilfe bekommen. Alarmierend ist, dass Kinder und Jugendliche im Durchschnitt fünf Monate warten, bis sie mit einer Therapie anfangen können.
Das Deutsche Schulbarometer Schüler:innen wurde von der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit Julian Schmitz von der Universität Leipzig und einem Forschungsteam aus verschiedenen Fachbereichen erstellt. Die Expert:innen leiten aus den Ergebnissen Handlungsempfehlungen ab, bei denen drei Punkte im Fokus stehen:
Schulen sollten sich mehr auf das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen konzentrieren, so die Expert:innen. Sie empfehlen, Schüler:innen in alle Entscheidungen des schulischen Zusammenlebens gleichberechtigt einzubeziehen, um einen positiven Kipppunkt – hin zu einer demokratischen Schule – in Gang zu setzen.
Die ausführlichen Handlungsempfehlungen lesen Sie im Forschungsbericht.
Mit dem Deutschen Schulbarometer lässt die Robert Bosch Stiftung seit 2019 regelmäßig repräsentative Befragungen zur aktuellen Situation der Schulen in Deutschland durchführen. Seit 2024 werden neben den Lehrkräften auch Schüler:innen befragt. Beide Erhebungen werden jährlich mit denselben Befragten durchgeführt. Für die erste Ausgabe des „Deutschen Schulbarometers Schüler:innen“ wurden zwischen 26. April und 20. Mai 2024 insgesamt 1.530 Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 17 Jahren sowie jeweils ein Elternteil vom Meinungsforschungsinstitut forsa befragt. Die Studie wurde in Kooperation mit der Universität Leipzig und in enger Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Forschungsteam konzipiert.