Intersektionalität ist ein Begriff, der seit einigen Jahren immer weitere Kreise zieht. Doch was bedeutet Intersektionalität eigentlich konkret? Und wie kann eine intersektionale Perspektive uns als Gesellschaft weiterbringen?
Intersektionalität beschreibt den Umstand, dass bei jedem Menschen Merkmale wie Geschlecht, ethnische Herkunft, Klasse, Behinderung, Religion oder sexuelle Orientierung zusammenwirken – und dass sich aus diesem Zusammenspiel mehrfache Privilegierung oder Diskriminierung ergeben kann.
Geprägt wurde der Begriff in den späten 1980er Jahren von der US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw. Sie betrachtete vor allem die Art und Weise, wie sich die genannten Merkmale gegenseitig beeinflussen und dadurch Diskriminierung verstärkt wird. So kann eine Schwarze Frau nicht nur aufgrund ihres Geschlechts, sondern gleichzeitig auch wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt sein, ohne dass sich die Diskriminierungsformen klar auseinanderhalten lassen.
Intersektionalität betrifft alle Menschen mit ihrem jeweils individuellen Zusammenspiel vielfältiger Merkmale. Die Praxis zeigt: Frauen, Menschen mit Migrationsgeschichte, Angehörige der LGBTQ+-Community oder Menschen mit Behinderungen sind besonders häufig von mehrfacher Diskriminierung betroffen.
Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Ausprägungen von Benachteiligung und Privilegierung je nach Kontext. Ein Beispiel: Eine Schwarze Frau in einer Führungsposition kann einerseits von Rassismus und Sexismus betroffen sein – aber aufgrund ihres beruflichen Status auch Zugang zu einflussreichen Entscheidungsträger:innen haben, die den Stimmen von nicht-weißen und nicht-männlichen Personen normalerweise wenig Gehör schenken. Die Komplexität individueller Lebensrealitäten macht es notwendig, Überschneidungen und Wechselwirkungen verschiedener Identitätsmerkmale zu berücksichtigen.
Eine intersektionale Perspektive hilft, die Ursachen von Ungleichheit und Unterdrückung zu erkennen, Machtstrukturen besser zu verstehen – und letztlich auch zu verändern. Intersektionalität birgt somit das Potenzial für mehr soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Fairness. Deshalb ist der Ansatz der Intersektionalität auch für uns bei der Robert Bosch Stiftung an vielen Stellen handlungsleitend und schlägt sich in unserer Förderarbeit nieder.
In vielen Projekten unterstützen wir (mehrfach) marginalisierte Menschen, um ihnen in politischen und gesellschaftlichen Debatten mehr Gehör zu verschaffen. Außerdem wollen wir dazu beitragen, dass Intersektionalität zunehmend praktisch angewendet wird. So haben wir im Rahmen des Förderprogramms Reducing Inequalities through Intersectional Practice gemeinsam mit Partner:innen erprobte intersektionale Ansätze beleuchtet und Prinzipien für eine wirklich intersektionale Praxis in verschiedenen Bereichen abgeleitet – von Politik über Sprache bis hin zu KI.
Wie können intersektionale Ansätze zur Reduzierung von Ungleichheit in der Praxis umgesetzt werden? Dieser Frage widmeten sich zwölf Partner aus unserem Förderprogramm Reducing Inequalities through Intersectional Practice. Aus ihren Erfahrungen und Erkenntnissen ist ein E-Booklet entstanden, das in 10 Kapiteln Intersektionalität in verschiedenen Kontexten behandelt. Mit dieser Publikation möchte die Robert Bosch Stiftung erfolgreiche intersektionale Ansätze in der Arbeit für den sozialen Wandel sichtbar machen und zu ihrer Verbreitung in der Praxis beitragen. Es steht in deutscher sowie englischer Sprache zur Verfügung und richtet sich an alle, die sich in ihrer Arbeit für soziale Gerechtigkeit engagieren.