Salma Jreige: Die Museumsführerin

Wie fängt man in einem fremden Land ein neues Leben an? Zum Beispiel, indem man eine aktive Rolle in der Gesellschaft übernimmt. Wir fördern gezielt Projekte, in denen Flüchtlinge selbst Akteure sind. In einer Mini-Serie stellen wir drei von ihnen vor. Hier: Salma Jreige, Guide im Deutschen Historischen Museum.

Jan Abele | Januar 2018
Salma Jreige, Guide im Deutschen Historischen Museum
Michael Kohls

Die Menschen, die sie durch die Ausstellungsräume des Deutschen Historischen Museums führt, sind keine Flüchtlinge, sagt Salma Jreige – sondern Neuberliner. „Jeder Mensch, der aus welchem Grund auch immer seine Heimat verlassen hat und nach Deutschland gekommen ist, hat doch seine ganz eigene Geschichte.“ Mit anderen Worten: Keine Etiketten, bitte.

Bleiben wir also bei den Museumsgruppen voller Neuberlinern. Sie alle eint, dass sie sich zurechtfinden müssen in einer neuen Gesellschaft, einer neuen Kultur, mit neuen Spielregeln. Das verlangt viel Kraft. An genau diesem Punkt setzt das Projekt „Multaka“ an, das vom Museum für Islamische Kunst initiiert wurde und für das sich Salma Jreige engagiert. 

Salma Jreige, Guide im Deutschen Historischen Museum
Michael Kohls

Salma Jreige erklärt den Besuchergruppen im Deutschen Historischen Museum jedes Detail.

„Wenn die Menschen in den Museen erfahren, welche Wertschätzung ihren Kulturen hier zuteilwird, dann ist das gut für das Selbstwertgefühl. Ein starkes Selbstwertgefühl ist eine Voraussetzung, sich willkommen zu fühlen und hilft bei der Integration.“ Sie selbst führt die Gruppen durch das Deutsche Historische Museum. Dort geht es um die deutsche Geschichte, und die ist ihr besonders wichtig. „Wer etwa aus Syrien oder dem Irak stammt und sieht, wie Berlin nach Ende des Zweiten Weltkrieges aussah, kann Hoffnung schöpfen.“ 

Wer aus Syrien stammt und sieht, wie Berlin nach Ende des Zweiten Weltkriegs aussah, kann Hoffnung schöpfen.

Das merke sie besonders, wenn sie betont, dass das Land maßgeblich von Frauen wieder aufgebaut wurde.

Wer Salma Jreige dabei beobachtet, mit welcher Konzentration sie die Menschen durch das Museum führt, präzise jedes Detail erklärt und wirklich auf jede Frage eine Antwort weiß, kann ermessen, was ihr diese Arbeit bedeutet.

Ihr Flüchtlingsschicksal sieht sie ganz rational

Für die Teilnehmer, das ist naheliegend, müssen diese Eindrücke sehr emotional sein. Doch bei dieser Frage reagiert Jreige mit einem Blick, als wolle sie Kitsch-Alarm ausrufen. Sie sei eher der rationale Typ, sagt sie. Auch die Frage nach ihrem eigenen Fluchtschicksal, nach den eigenen Ängsten und Verlusten beantwortet sie zögerlich. „Nicht jedes Flüchtlingsschicksal muss mit schlimmsten Härten verbunden sein.“ Sie wuchs in Damaskus auf, wo man bis heute relativ unbehelligt leben könne. „Ich wollte nach dem Jurastudium sowieso ins Ausland gehen, der Bürgerkrieg hat diese Entscheidung eben beschleunigt.“ 

Und dann, fast am Ende des Gesprächs, erzählt sie doch von einer Situation, die ihr naheging. Einmal habe ein usbekischer Junge bei einer Führung bemerkt, dass er Waffen ganz toll finde. Da habe Salma ihm von ihren eigenen Erfahrungen erzählt. Und am Ende der Führung sagte ihr der Junge: „Ich glaube, ich mag Waffen doch nicht.“

Salma Jreige: Die Museumsführerin
Michael Kohls

SALMA JREIGE

ist vor drei Jahren nach Berlin gekommen. Sie engagiert sich bei „Multaka“, einem Partner des gemeinnützigen Kunstprojektes „Berlin Glas“, das Künstlern
mit Fluchthintergrund hilft, sich
in Berlin eine Lebensgrundlage
zu schaffen. Es
wird von der Robert Bosch Stiftung unterstützt.