Hiba Obaid: Die Klartextschreiberin

Wie fängt man in einem fremden Land ein neues Leben an? Zum Beispiel, indem man eine aktive Rolle in der Gesellschaft übernimmt. Wir fördern gezielt Projekte, in denen Flüchtlinge selbst Akteure sind. In einer Mini-Serie stellen wir drei von ihnen vor. Hier: Hiba Obaid, Nachwuchsjournalistin bei „Alex Berlin“. 

Jan Abele | Januar 2018
Hiba Obaid floh aus Syrien
Michael Kohls

Hiba Obaid sagt, was sie denkt. Zum Beispiel, dass sie asiatisches Essen nicht mag. Zumindest nicht hier in Berlin, wo es „nicht authentisch ist“. Damit beginnt das Gespräch in einem vietnamesischen Restaurant, und man kann das für eine schmerzhaft direkte Antwort auf die Höflichkeitsfloskel „Schmeckt‘s?“ halten, es klärt aber gleich mal Grundlegendes. 

Sollte ich meinen Traum begraben, nur weil ich in Syrien aufwuchs?

Sagen, wie es ist – das ist eine journalistische Maxime, die in Diktaturen nicht funktioniert. War ihr das bewusst, als sie Journalistin werden wollte? Darauf kommt eine Gegenfrage: „Sollte ich meinen Traum begraben, nur weil ich in Syrien aufwuchs?“

Hiba Obaid will sich mitteilen, immer schon. Sie führte Theaterstücke in einer Bar in Aleppo auf, machte sich in ihren Bühnentexten sorgsam chiffriert über das Regime lustig, bis es dem Barbesitzer zu heiß wurde. Da hatte sie schon für Tageszeitungen geschrieben, den Job aber quittiert, weil sie die Zensur nicht ertrug. „Manchmal waren nicht nur die Texte umgeschrieben, sondern hatten plötzlich ein ganz anderes Thema.“ 

Sprachtalent: Hiba Obaid an ihrem Arbeitsplatz bei „Alex Berlin“.
Michael Kohls

Sprachtalent: Hiba Obaid an ihrem Arbeitsplatz bei „Alex Berlin“. 

Der regimetreue Journalistikstudiengang an der Universität Aleppo kam nicht in Frage. Sie studierte arabische Literatur, das hatte zumindest auch mit Ausdruck und Sprache zu tun. Das Recht auf die eigene Meinung setzte sie anders durch. „Mit dem Beginn der Aufstände gegen Assad haben wir ein Netzwerk von Gleichgesinnten an der Uni gegründet. Wir verteilten Flugblätter, auf denen wir das Regime anklagten.“ 

Dann kam der Tag, als einer der Freunde verschwand. Die Polizei hielt auch vor dem Haus ihrer nichtsahnenden Eltern, doch sie selbst war nicht da. „Als der Freund einige Zeit später aus dem Gefängnis kam, flehte er uns an, sofort aufzuhören. Sonst, das hatte man ihm eingetrichtert, würden sie uns alle mitnehmen, und dann käme niemand mehr zurück.“ 

Als Autorin will Hiba Obaid Augenhöhe herstellen

Seit 2015, nach ihrer Flucht über den Libanon und die Türkei, lebt Hiba Obaid in Berlin. Hier hat sie eine journalistische Ausbildung angefangen, als 27-Jährige ausgestattet mit Erfahrungen, die die meisten Journalisten in diesem Land wohl nie werden machen müssen. Sie weiß, was Meinung wirklich kosten kann. 

In Berlin schreibt sie für Tageszeitungen und Magazine, thematisiert die Probleme von Flüchtlingen im Umgang mit der Gesellschaft und arbeitet die eigenen Erlebnisse auf. Sie will Augenhöhe herstellen in einem Land, „in dem Menschen anderer Nationen für viele zeitlebens Gäste bleiben, egal, wie integrationswillig sie sind.“ Ihre Begabung als Autorin hat ihr viel Resonanz und Facebook-Follower gebracht – und ein Volontariat beim Sender „Alex Berlin“. Dort lernt sie das ganze crossmediale Handwerk, nur bei ihrem Schreibstil will sie sich nicht reinreden lassen.

Der soll so bleiben, wie er ist: immer ganz direkt.

Hiba Obaid Arbeitsplatz
Michael Kohls

HIBA OBAID

war maßgeblich an der von Exiljournalisten erstellten Publikation „Wir wählen Freiheit“ beteiligt, die der Tagesspiegel in Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung realisierte. Derzeit absolviert sie bei „Alex Berlin“ ein Integrationsvolontariat, das die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) zur Integration junger Nachwuchsjournalisten mit Fluchterfahrung auf dem deutschen Arbeitsmarkt anbietet.