Nach dem Superwahljahr in Deutschland und Europa: Wo stehen wir?

Die zentrale Frage, die Deutschland und Europa umtreibt, lautet: "Wo endet das Wir? Wieviel Verschiedenheit halten wir aus?" Antworten hierauf zu definieren, sei entscheidend, wenn Regierende erfolgreich mit den Empörungsbewegungen in ihren Ländern umgehen wollten. Das sagte Karl-Rudolf Korte, Professor für Politikwissenschaft und Experte für Wahlanalysen, beim "Gespräch im Park".
Robert Bosch Stiftung | November 2017
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Der Wahlausgang in Deutschland mit dem Einzug der AfD in den Bundestag, die schwierige Regierungsbildung mit vier Parteien, die Erwartungen der europäischen Partner an eine deutsche Regierung – wo stehen wir am Ende des Superwahljahres? Mit diesen Themen beschäftigte sich Professor Karl-Rudolf Korte, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg Essen und Experte für Wahlanalysen, beim "Gespräch im Park" in der Robert Bosch Stiftung.

Im ehemaligen Wohnhaus von Robert Bosch wies Korte darauf hin, dass Deutschland mit dem Ausgang der Bundestagswahl einen "Sonderweg" beschritten habe: Anders als in anderen europäischen Ländern und den USA sei kein erklärter "Changemaker" angetreten. Die deutschen Politiker spiegelten vielmehr einen Hang der Bevölkerung zum "Amtsadel" und zu Kontinuität. Bei den Wahlen habe sich dann auch ein "Sog zur Mitte" entfaltet – die jetzt allerdings zu einer zersplitterten Mitte mit deutlich mehr Parteien als früher geworden sei.

Vor den Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zeigte sich Korte optimistisch, dass eine Jamaika-Koalition zustande kommt und erfolgreiche Regierungsarbeit leisten wird. "Die Vielfalt ist eine Chance", strich der Politikwissenschaftler heraus. Allerdings brauche eine solch exotische Konstellation nicht einen kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern eine übergreifende Kooperationsidee. Angesichts des Klimas einer "sorgenvollen Zufriedenheit" in Deutschland sollten "Sicherheit und Identität" zentrale Elemente einer solchen Idee sein. Diese Begriffe müsse dann jede Partei in die Lebenssituationen ihrer jeweiligen Wählerklientel übersetzen und entsprechende Angebote machen.

Der entscheidende Mehrwert von Jamaika liege in den Antworten auf eine neue gesellschaftliche Konfliktlinie, die ganz Europa durchzieht und auch unser Parteiensystem verändert hat: die zwischen Globalisierungsgewinnern und Globalisierungsverlierern, also zwischen den Kosmopolitischen und denjenigen, die Halt im Nationalen und in überschaubaren Gemeinschaften suchen. Die zentrale Frage, die derzeit Deutschland und Europa umtreibt, lautet nach Korte: "Wo endet das Wir? Wieviel Verschiedenheit halten wir aus?" Antworten hierauf zu definieren, sei entscheidend, wenn Regierende erfolgreich mit den Empörungsbewegungen in ihren Ländern umgehen wollten.