Miteinander reden anstatt zu spalten
Wie lässt sich das besondere Verhältnis zwischen den USA und Europa auch in Zukunft aufrechterhalten? Die Antwort der Robert Bosch Stiftung: durch mehr Kooperation. Gemeinsam mit dem amerikanischen Think Tank The Brookings Institution startet sie die "Brookings – Robert Bosch Foundation Transatlantic Initiative". Zum Auftakt in Deutschland diskutierten internationale Experten über die aktuellen Herausforderungen im transatlantischen Verhältnis.
Donald Trump ist nicht der alleinige Störfaktor in den transatlantischen Beziehungen. Schon seit der Regierungszeit von Präsident Obama schränken die USA ihr diplomatisches und politisches Engagement in Europa ein. Und auch viele Europäer stellen die traditionell engen transatlantischen Bindungen immer öfter in Frage. Diesem Trend setzen die Robert Bosch Stiftung und Brookings mit der "Brookings - Robert Bosch Foundation Transatlantic Initiative" (BBTI) ein Zeichen entgegen.
"Wir glauben fest daran, dass wir durch Kooperation das deutsch-amerikanische Verhältnis verbessern können", sagte Prof. Dr. Joachim Rogall, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung, zur Begrüßung der rund 180 Gäste. Die BBTI soll den Ausbau transatlantischer Netzwerke und Aktivitäten fördern. Hierzu veröffentlichen Brookings-Wissenschaftler im Rahmen der Initiative unabhängige Analysen und Empfehlungen zu Themen von transatlantischer Relevanz. Fellows von The Brookings Institution absolvieren zudem Arbeitsaufenthalte an der Robert Bosch Academy in Berlin. Dr. Bruce Jones, Vizepräsident und Direktor des Foreign Policy Program an der Brookings Institution, betonte, dass beide Partner ihre Zusammenarbeit in Zeiten großer Unsicherheit ausbauen.
Die drei globalen Herausforderungen unserer Zeit
Nach Jahrzehnten einer relativ stabilen Weltordnung erkennt Bruce Jones vor allem drei globale Herausforderungen: die Entwicklungen in Nahost, die Neuordnungen zwischen den militärischen und ökonomischen Großmächten sowie politische und wirtschaftliche Umbrüche innerhalb der westlichen Industrieländer. "Europa und die USA sollten deshalb stark an der Zukunft des anderen interessiert sein", empfahl Jones. Dass diese Kooperation fruchtet, belegt Dr. Amanda Sloat. Bruce Jones stellte sie als neuen, zweiten Robert Bosch Senior Fellow at Brookings vor. Auch für die Amerikanerin ist die Stärkung der transatlantischen Beziehungen heute wichtiger denn je:
"Paradigmenwechsel oder business as usual?"
Dr. Constanze Stelzenmüller, seit 2014 der erste Robert Bosch Senior Fellow at Brookings, moderierte die abendliche Podiumsdiskussion unter dem Titel "Die Bundestagswahl und die Zukunft der transatlantischen Beziehungen - Paradigmenwechsel oder business as usual?". Stelzenmüller stellte die Frage: "Braucht es künftig eine deutsche USA-Strategie?" Jürgen Hardt, Bundestagsabgeordneter und Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, bezweifelt dies. Zwar begrüße er Debatten über das zukünftige Verhältnis zwischen Deutschland und den USA, doch eine Strategie benötige man nur für Länder, mit denen es fundamentale Schwierigkeiten gebe. "Statt uns hinter einer Strategie zu verstecken, müssen wir die ungelösten Probleme, etwa in der Handelspolitik, umgehend bearbeiten" forderte Hardt.
Dem widersprach Jan Techau, Direktor des Richard C. Holbrooke Forum an der American Academy in Berlin. Er fordert eine langfristig angelegte deutsche und europäische USA-Strategie. "Wir müssen verstehen, wofür das transatlantische Verhältnis steht. Viele sind sich dem nicht bewusst", sagte er. Eine Grundbedingung zum Verständnis des anderen ist Kommunikation, betonte Kent Logsdon, Chargé d‘Affaires an der US-Botschaft in Berlin und damit aktuell hochrangigster Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland. "Wir brauchen mehr Gespräche zwischen den Regierungen, den sicherheitspolitischen Akteuren und Vertretern des Militärs, auf wirtschaftlicher Ebene und auch zwischen Touristen und Austauschstudenten - das sind Beziehungen, die unser Verhältnis stärken."
"Lasst euch von Trumps Persönlichkeit und Rhetorik nicht in die Irre führen"
Doch welches politische Interesse haben die USA heute noch an Europa? Jan Techau sieht mehrere Belange: Erstens ist Europas Stabilität für die USA aus ökonomischen Erwägungen von größter Bedeutung. Zweitens gibt es für die USA keinen besseren Alliierten in der westlichen Welt als die Europäer, beide teilen eine Vielzahl von Werten miteinander. Und drittens stehen die USA als globale Militärmacht für ihre Sicherheitsgarantien gegenüber Europa auf dem Prüfstand. Ob und wie sie diese weiter umsetzen, ist nicht nur für Moskau und Peking von größtem Interesse, sondern auch für Südkorea und Japan im konfliktreichen ostasiatischen Raum.
Mit Blick auf die Trump-Administration warnte Kurt Volker, Direktor des McCain Institute for International Leadership und US Special Representative for Ukraine Negotiations, vor zu einfachen Schlüssen: "Lasst euch von Trumps Persönlichkeit und Rhetorik nicht in die Irre führen, es gibt auf der politischen Ebene viele Gemeinsamkeiten und Möglichkeiten der Zusammenarbeit." Zentral seien für ihn die gemeinsame Bearbeitung des Nordkoreakonflikts, die Einhegung von Russlands militärischer Stärke sowie der Kampf gegen ISIS und andere internationale Terrornetzwerke.
Multilateralismus nützt allen
Angesichts der Krise mit Nordkorea sei es jedoch problematisch, dass Präsident Trump das Atomabkommen mit dem Iran in Frage stelle, erwiderte der deutsche Außenpolitiker Jürgen Hardt. "Wir erwarten von der US-Regierung, dass sie diesen Vertrag umsetzt. Er ist ein gutes Beispiel für erfolgreichen Multilateralismus." Trump und seine Mitstreiter müssten überzeugt werden, dass dieser auch für den stärksten Partner Vorteile hat. Auch in Bezug auf Russland sollten die USA und Europa an einer gemeinsamen Strategie arbeiten, forderte Hardt. Kurt Volker stimmte ihm zu: "Russland steht bei Gesprächen zwischen den USA und Europa an oberster Stelle. Wir wollen stabile und gute Beziehungen zu Russland, aber wir sind dort noch lange nicht angekommen".
Die wichtigsten Herausforderungen aus Sicht der Panelisten
Wie kann man die Globalisierungsverlierer einbinden?
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion konnte das Publikum Fragen an die Panelisten richten. Daran beteiligten sich auch Zuschauer, die per Livestream der Veranstaltung folgten. Eine Gruppe von Alumni des Robert Bosch Foundation Fellowship Program organisierte ein Public Viewing in Washington, DC.
Zwei Fragen, die online gestellt wurden: Welche Rolle kommt Deutschland in den transatlantischen Beziehungen zu, die zunehmend von externen Akteuren und Einflüssen geprägt werden, wie etwa von einem immer selbstbewusster auftretenden China? "Sollten sich die USA politisch weiter von Europa entfernen, müsste auch Deutschland sich noch stärker auf den asiatischen Raum konzentrieren - das wäre aber nur die zweitbeste Option", sagte Jürgen Hardt. Und wie könne man die transatlantischen Beziehungen gestalten, um die Globalisierungsverlierer in Europa und den USA einzubinden? Während der amerikanische Diplomat Kent Logsdon lobende Worte für Trump fand, der die Furcht dieser Menschen erkannt habe und ihre Ängste ernst nehme, attestierte MdB Jürgen Hardt den USA eine zu lange vernachlässigte, strukturelle ökonomische Ungleichheit, die viele Menschen zurücklasse. Er empfahl demgegenüber das deutsche System, die soziale Marktwirtschaft, warnte aber auch hierzulande davor, die gefühlten Abstiegsängste der Menschen zu vernachlässigen.
Kleine Expertenrunde am Mittag
Im Rahmen des BBTI-Auftakts in Deutschland hatten sich bereits am Mittag rund 30 internationale Experten zu einem Arbeitsessen in der Repräsentanz der Robert Bosch Stiftung getroffen. Auch hier wurde intensiv über die Zukunft des transatlantischen Verhältnisses diskutiert. Neben offenen Worten und kritischen Meinungen zur Trump-Regierung sowie Europas militärischer Abhängigkeit von den USA ging es dort ebenfalls um externe Akteure wie China, Russland, Nordkorea, und die Türkei. Zudem wurden Möglichkeiten der Kooperation im Rahmen einer gemeinsamen transatlantischen Politikformulierung erörtert. Fazit dieser Diskussion: Es gibt verschiedene Wege, um miteinander zu kommunizieren, aber ein gemeinsames Ziel: Die Welt darf nicht weiter aus den Fugen geraten und dafür müsse auch Deutschland eine stärkere Führungsrolle in ohne die kleineren Staaten zurückzulassen.