Wie können Bürger:innen gemeinsam etwas bewegen und politische Prozesse in der eigenen Region mitgestalten? Unser Programm „Common Ground – Über Grenzen mitgestalten“ fördert Projekte zur grenzübergreifenden Beteiligung in acht Regionen, die Antworten auf diese Frage liefern sollen.
Patrick Barbier, Bürgermeister der französischen Gemeinde Muttersholtz, hat ein paar Wildblumen mit nach Berlin gebracht. Ein kleines Beispiel, wie gelebte Demokratie vor allem eins wird: anfassbar und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar. Die Blumen stammen von einem symbolträchtigen Ort, dem ehemaligen Zollgelände auf einer kleinen Insel mitten im Rhein. Wo früher Tausende von Kontrollen zwischen Frankreich und Deutschland stattfanden und sich heute nur ein paar vereinzelte Wildblumen durch den Beton kämpfen, will das deutsch-französische Grenzprojekt „R(h)einverbindlich“ ein Paradies für Vögel und für Menschen entstehen lassen – praktizierter Klima- und Artenschutz unter Beteiligung der Menschen beiderseits des Flusses. „Es gibt keinen besseren Ort als eine Insel mitten im Rhein, um sich diesen Fragen gemeinsam zu stellen“, würdigte Dr. Ben Behmenburg, Leiter des Referats für grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), in seiner Laudatio das Projekt.
„R(h)einverbindlich“ ist nur eines von vielen herausragenden Vorhaben, die bei der Auftaktveranstaltung des Programms vorgestellt wurden. Die deutsch-polnische Partnerstadt Frankfurt(Oder)/Słubice etwa plant zum Auftakt ihres Beteiligungsprozesses ein gemeinsames Bürgerpicknick an der Uferpromenade der Oder. Andere Grenzgemeinden wollen offene Bürgerdialoge starten oder Bürgerbeiräte gründen. So unterschiedlich die einzelnen Vorhaben auch sind, eins ist allen gemein: Die Vorfreude auf den direkten Dialog mit den Bürger:innen ist bei allen Beteiligten groß. Genauso wie der Respekt. Denn alle wissen: Menschen zu motivieren, zu aktivieren, ist nicht immer einfach, aber wenn es gelingt, ein unglaublicher Gewinn. „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit muss man wollen, dürfen und auch können“, fasste Karl-Heinz Lambertz, Parlamentspräsident der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien, die Aufgabe in treffenden Worten zusammen, „und man muss sie vor allem machen!“
Der europäische Geist war während der Veranstaltung in Berlin überall zu spüren. Französische, deutsche, englische Stimmen schwirrten durch die Luft und auch Polnisch und Schwyzerdütsch waren zu hören. Zur Auftaktveranstaltung in der Robert Bosch Stiftung waren rund 80 Vertreter:innen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft geladen. Acht Grenzregionen wurden am Dienstag, 14. Juni, feierlich in das mit 1,6 Millionen Euro dotierte Förderprogramm aufgenommen. Über drei Jahre hinweg werden die Regionen bei der Entwicklung und Gestaltung von Beteiligungsprozessen ihrer Bevölkerung inhaltlich und finanziell unterstützt. Ausgewählt wurden ganz besondere Räume: Grenzregionen, die mit ihren engen Verflechtungen mit den Nachbarstaaten viel Potenzial zur Stärkung der Demokratie, des grenzübergreifenden Miteinanders und damit des Zusammenhalts in Europa haben.
„Demokratie ist kein Selbstläufer. Demokratie muss gelebt, praktiziert und erneuert werden. Sie muss auch für Bürgerinnen und Bürger gestaltbar und erfahrbar sein“, sagte Claudia Rolf, Leiterin des Teams Demokratie der Robert Bosch Stiftung, bei ihrer Begrüßungsrede. „Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger zu öffnen und der Bürgerbeteiligung einen Platz in demokratischen und politischen Entscheidungsprozessen einzuräumen, ist eine Antwort auf die Frage, wie Demokratie gelebt und innovativ gestaltet werden kann.“ Bei der Podiumsdiskussion, zu der live aus Paris Claudia Chwalisz, Leiterin „Innovative Citizen Participation“ der OECD, dazu geschaltet war, ging es um die Chancen und Herausforderungen durch Bürgerbeteiligung. Wie lässt sich mithilfe von Beteiligungsstrukturen das Vertrauen in und die Zufriedenheit mit der Demokratie stärken? Warum muss Politik keine Angst vor Bürgerbeteiligung haben? Wie können auch die Bürger:innen erreicht werden, die der Demokratie gegenüber ambivalent eingestellt sind? „Demokratie ist mehr als nur eine Wahl alle paar Jahre“, sagte Claudia Chwalisz, „wir müssen neue Wege finden, um den Menschen eine Stimme zu geben, damit sie sich mit ihren Anliegen Gehör verschaffen können. Wir müssen ihnen eine Chance bieten, auf die Entscheidungen, die sie betreffen, direkten Einfluss zu nehmen.“
Mit „Common Ground“ fördern wir die grenzübergreifende Beteiligung der Bevölkerung an der Gestaltung und Entwicklung ihrer Grenzregion. Langfristig sollen nachhaltige Beteiligungsstrukturen entstehen.