Internationale Geber müssen sich darauf einstellen, dass der Klimawandel die soziale Gerechtigkeit untergräbt und die Wahrscheinlichkeit von Konflikten erhöht. Gleichzeitig müssen sie ihre Silo-Mentalität aufgeben und lokale Gemeinschaften stärker in ihre Arbeit einbeziehen, fordert Atje Drexler, Bereichsleiterin Globale Fragen der Robert Bosch Stiftung anlässlich des 2022 SIPRI Forum on Peace and Development in Stockholm.
Der Krieg in der Ukraine hat die erfreuliche Nachricht überschattet, dass der Bürgerkrieg im Jemen nach fast acht Jahren eingestellt wurde. Aktuell gilt ein zweimonatiger Waffenstillstand zwischen Regierung und bewaffneter Huthi-Miliz. Die Hoffnung auf ein schnelles Ende des brutalen Konflikts könnte allerdings verfrüht sein, denn bei dem Konflikt im Jemen geht es nicht nur um die Frage, wer das Land regiert. Auch die Folgen des Klimawandels sind ein wichtiger Faktor, insbesondere die vorherrschende Wasserknappheit. Internationale Geber:innen, die das Land unterstützen, müssen erkennen, dass anhaltender Frieden im Jemen nur in Verbindung mit der erfolgreichen Bekämpfung der globalen Erderwärmung möglich ist.
Bereits lange vor Ausbruch des Bürgerkriegs 2014 war Wasser immer wieder Auslöser für Stammeskonflikte. In den letzten 60 Jahren ist die Bevölkerung des Jemen um das Sechsfache auf rund 30 Millionen Menschen angewachsen. Auch die Dürreperioden haben in diesem Zeitraum zugenommen. Bereits 2005 wurde in einem Bericht des jemenitischen National Integrated Resources Management Program festgestellt, dass mehr als ein Viertel der Wasserversorgung des Landes aus tieferliegenden Grundwasserschichten stammt, die nicht wieder aufgefüllt werden können. Heute ist der Zugang zu Wasser größtenteils ein Privileg von Eliten, die über die finanziellen Mittel verfügen, Wasser von Eliten zu erwerben, die wiederum ihre eigenen Brunnen graben können. Viele Bauern unterstützen daher den Huthi-Aufstand.
Internationale Geber:innen übersehen häufig die Klimadynamik hinter den zunächst offensichtlicheren politischen Faktoren von Konflikten. Das trifft vor allem auf Regionen zu, in denen ein Konflikt andauert und sich die internationalen Hilfsleistungen auf unmittelbare humanitäre Felder konzentrieren.
Konflikte, die ihre Ursachen in den Folgen des Klimawandels haben, werden häufig durch Defizite der Regierenden ausgelöst und fortgeführt. Auf den ersten Blick besteht deshalb keine offensichtliche Verbindung zum Klimawandel. Ein Beispiel hierfür sind Städte in Israel, deren Einwohnerschaft sich vor allem aus jüdischen und arabischen Bürger:innen zusammensetzt. Minderheiten und sozioökonomisch benachteiligte Gruppen leben hier häufig in prekären Umständen und bekommen in der Regel kaum staatliche Hilfen. Das Konfliktpotenzial in diesen dichten urbanen Gebieten wird durch die Folgen des Klimawandels jedoch noch verstärkt – beispielsweise durch Wärmeinseln, die die Sommer fast unerträglich machen, oder aufgrund der Gefahren durch Überschwemmungen und den steigenden Meeresspiegel.
Geber:innen müssen dafür sensibilisiert werden, dass der Klimawandel die soziale Gerechtigkeit zusätzlich untergräbt und damit die Konfliktanfälligkeit erhöht. Am besten lassen sich die komplexen Dynamiken potenzieller und bestehender Konflikte verstehen, indem lokales Wissen genutzt wird. Dennoch schaffen es internationale Geber:innen nur selten, lokale Akteure in Hilfsprojekte zu integrieren, geschweige denn lokale Projektleitungen und eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zu ermöglichen. 2020 gingen nur 2,1 Prozent der Entwicklungs- und humanitären Hilfsleistungen an lokale und nationale zivilgesellschaftliche Partnerorganisationen. Dadurch wissen viele internationale Geber:innen zu wenig über die komplexen lokalen und regionalen Dynamiken, die Konflikte auslösen können, und ebenso wenig über potenziell kostengünstige und niederschwellige Lösungsmöglichkeiten.
Ein Beispiel: Libanesische Gemeinden in wichtigen Vogelschutzgebieten und Biosphärenreservaten setzen jahrhundertealte regionale Praktiken zum Ressourcenmanagement ein, um ihren Verbrauch in diesen weltweit anerkannten Schutzgebieten zu regulieren. Vertreter:innen der Gemeinden einigen sich darauf, wie die Ressourcen zum Lebensunterhalt verteilt und genutzt werden, ohne Raubbau zu betreiben. Diese Art der lokalen Verwaltung verringert Konflikte um die Verteilung der Wasser-, Flora- und Faunavorkommen zwischen streitenden Gruppen. Sie ist eine wesentliche Ergänzung zu traditionellen friedensschaffenden Methoden. In Konflikten, die durch Klimawandel und Umweltzerstörung verstärkt werden, müssen Maßnahmen zur Wiederherstellung des Friedens und zur Reduzierung der Klimafolgen Hand in Hand gehen. Ansätze zur Konfliktvermeidung oder -lösung, die die Verbindung dieser beiden Faktoren nicht berücksichtigen, werden keine nachhaltigen Ergebnisse erzielen.
Mit Blick auf die Situation im Jemen bedeutet dies, dass internationale Geber:innen ihre Silo-Mentalität aufgeben und die jemenitischen Gemeinden stärker einbeziehen sollten. Sie müssen langfristige Lösungen für das Wassermanagement, für den Schutz des Wassers und zur gerechten und erschwinglichen Wasserversorgung als unentbehrlichen Teil ihrer Friedensbemühungen betrachten. Nur eine nachhaltige Lösung der Wasserkrise wird verhindern, dass diese den Konflikt weiter anheizt.