Kein anderer Kontinent ist so stark vom Klimawandel betroffen wie Afrika. Deshalb ist die Medienberichterstattung in afrikanischen Ländern über die damit verbundenen Risiken und Anpassungsstrategien so wichtig. Wir haben mit Expert:innen aus drei Ländern Subsahara-Afrikas über Narrative gesprochen, die die Bedürfnisse der Menschen in den Blick nehmen – und darüber, was die Welt daraus lernen kann.
Als David Akana in den späten 1990er-Jahren bei „The Post“, einer Zeitung im kamerunischen Buea, zu arbeiten begann, waren Umweltthemen kein wesentlicher Bestandteil der Redaktionsstruktur, erzählt er. „Seitdem ist das Bewusstsein für den Klimawandel stark gewachsen – und dafür, wie der Prozess politische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen verstärkt“, sagt Akana, der heute als Kommunikationsbeauftragter für Organisationen wie die Kommission der Afrikanischen Union und als unabhängiger Medientrainer tätig ist. Im vergangenen Jahrzehnt haben „The Post“ und andere Zeitungen den Klimawandel zu einem zentralen Thema in ihrer Berichterstattung gemacht. Ein aktueller Artikel trug etwa die Headline: „Klimawandel in Yaoundé: Grausamer Regen, sengende Sonne“. Laut Akana findet diese Entwicklung in den Nachrichtenredaktionen auf dem ganzen Kontinent statt. Infolgedessen habe sich sowohl die Quantität als auch die Qualität der Berichterstattung über den Klimawandel erhöht.
Viele Jahre lang haben die Industrieländer nicht nur den Löwenanteil der weltweiten Emissionen verursacht, sondern auch den globalen Diskurs über den Klimawandel dominiert. Mittlerweile aber haben Medien, Autor:innen und Forschende unabhängige Perspektiven und Stimmen zum Klimawandel formuliert – und das ist bedeutender denn je vor der anstehenden COP27 in Ägypten. Sieben der zehn vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder liegen in Afrika. Gerade deshalb ist die Berichterstattung über den Klimawandel aus afrikanischer Sicht so wichtig. Sie hilft, fundierte politische Entscheidungen zu treffen und innovative Anpassungsstrategien bekannt zu machen.
Etwa 95 Prozent der Landwirtschaft in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara sind von Niederschlägen abhängig. Während Teile Westafrikas in diesem Jahr von unregelmäßigen und heftigen Niederschlägen überschwemmt werden, ist das Horn von Afrika von einer verheerenden Dürre betroffen. Weil die Auswirkungen des Klimawandels, eine nicht nachhaltige Landnutzung und die demografische Entwicklung den Druck auf Böden, Wasser und Ökosysteme weiter erhöhen, ist Wissen eine der wichtigsten Ressourcen.
2010 kam das Reuters Institute for the Study of Journalism zu dem Schluss, dass weniger als 0,4 Prozent der Artikel in den populärsten Zeitungen Nigerias, Ghanas und Südafrikas den Klimawandel oder damit zusammenhängende Themen behandeln. 2022 zeigt ein Blick auf die Zeitungslandschaft und die Online-Berichterstattung, dass sich die Zeiten geändert haben: Eine aktuelle Titelgeschichte in „The Continent“, einem panafrikanischen Wochenmagazin, das über Whatsapp vertrieben wird, argumentiert: „Bei den Klimagesprächen ist Afrika auf sich allein gestellt. Es ist an der Zeit, eine entsprechende Haltung zu entwickeln – und das zu thematisieren.“ Das internationale Magazin „Unbias the News“ hat Journalist:innen in Nigeria und Ägypten beauftragt, im Rahmen des Projekts „Sinking Cities“ über von Überschwemmung bedrohte Küstenstädte zu schreiben. Und das von der Robert Bosch Stiftung geförderte Projekt „Script“ in Zusammenarbeit mit der Wissenschaftsplattform SciDev.Net schult Journalist:innen unter anderem im Globalen Süden darin, verständlich über wissenschaftliche Erkenntnisse zu berichten.
Ein Großteil des Diskurses über den Klimawandel im Globalen Norden konzentriert sich auf die Reduktion von Emissionen und den Aufbau einer CO2-neutralen Wirtschaft. „Es gibt Länder wie Südafrika, die sich aufgrund der Struktur ihrer Wirtschaft auf den Klimaschutz konzentrieren. Südafrika verbraucht viel Kohle und hat den größten Treibhausgasausstoß auf dem Kontinent", erklärt Grace Mbungu, Senior Fellow und Leiterin des Klimawandel-Programms am African Policy Research Institute in Berlin, das von der Robert Bosch Stiftung unterstützt wird. „Wir müssen ein Gleichgewicht zwischen Klimaschutz und Anpassung an Klimawandelfolgen finden, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse heutiger und künftiger Generationen erfüllt werden“, sagt Grace Mbungu, „aber auf breiterer Ebene ist Anpassung die Priorität der afrikanischen Regierungspolitiker."
Der Medienkonsum, sei es über Zeitschriftenartikel, Radionachrichten, Fernsehen oder Whatsapp-Memes, hat Einfluss darauf, wie die Menschen die Welt und ihren Platz darin sehen. Doch entscheidend dafür sind auch das Bildungsniveau, der Zugang zu Medien und die Frage, wer sich mit wem austauscht. Die zunehmende Berichterstattung über den Klimawandel hat das Bewusstsein für seine Ursachen und Auswirkungen nicht überall gleichermaßen geschärft. Wenn Wissenschaftler:innen und Politiker:innen von „Klimawandelkompetenz“ sprechen, dann lautet die Minimaldefinition dafür, dass man sich des Klimawandels und seiner Verursachung durch den Menschen bewusst ist – und der zukünftigen Risiken, die er mit sich bringt. In Europa beispielsweise besitzen statistisch gesehen vier von fünf Menschen Klimawandelkompetenz.
„Die Verwendung abstrakter, offizieller oder wissenschaftlicher Begriffe wie ‚Klimawandel‘ in Umfragen kann den Anschein erwecken, die Menschen seien sich des Klimawandels nicht bewusst, obwohl sie ihn tatsächlich wahrnehmen.“
Vergleichbare Zahlen vom afrikanischen Kontinent liegen zwar nicht vor, doch Erhebungen zeigen: Wer kein Französisch, Englisch oder Portugiesisch spricht, hat statistisch gesehen ein geringeres Verständnis für die Realitäten und Risiken des Klimawandels – schlicht weil Informationen zumeist in diesen Sprachen veröffentlicht werden.
Eine zwischen 2016 und 2018 durchgeführte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Afrobarometer in 34 afrikanischen Ländern ergab, dass „das Thema ‚Klimawandel‘ nicht zu den ‚wichtigsten Problemen‘ gehört, die die Menschen von ihren Regierungen angehen lassen wollen“. Ein zweiter Blick zeigt aber, dass die Menschen sich sehr wohl Sorgen machen – über die Wasserversorgung (von 24 Prozent der Befragten genannt), Nahrungsmittelknappheit (18 Prozent) und die Landwirtschaft (17 Prozent). Von denjenigen, die vom Klimawandel gehört haben, sagen sieben von zehn, dass er gestoppt werden muss, und mehr als die Hälfte glaubt, dass jeder Einzelne zumindest ein wenig dazu beitragen kann.
„Die Verwendung abstrakter, offizieller oder wissenschaftlicher Begriffe wie ‚Klimawandel‘ in Umfragen kann den Anschein erwecken, die Menschen seien sich des Klimawandels nicht bewusst, obwohl sie ihn tatsächlich wahrnehmen“, sagt Grace Mbungu. „Wir brauchen eine umfassendere Betrachtung der Ursachen des Klimawandels und seiner Auswirkungen, nicht nur aus der westlichen Perspektive der CO2-Emissionen“, so Mbungu. „Es ist in Ordnung, wenn ‚Klimawandel‘ ein globaler Begriff ist, um zu erfassen, was auf wissenschaftlicher und internationaler Ebene geschieht, aber wir brauchen auch eine Lokalisierung und die Verwendung konkreter Begriffe – sowie Beispiele und Bilder, mit denen die Menschen etwas anfangen können.“
Im Newsfeed von Aiita Joshua Apamaku, einem jungen Wildtierbiologen und Autor aus Uganda, findet man Infografiken zum Klimawandel, Hinweise auf Jugendkonferenzen und Bilder von seltenen Landschildkröten. „Zu viele Medien konzentrieren sich nur auf das, was die Regierung tut“, sagt er, „und sprechen daher in offiziellen, technokratischen Begriffen darüber.“ Das bedeutet, dass die Medien oftmals nicht mitbekommen, wie die Menschen tatsächlich unter dem Klimawandel leiden und beispielsweise versuchen, mit starken Regenfällen oder Erdrutschen zurechtzukommen oder bessere landwirtschaftliche Methoden anzuwenden. Das blockiert die Verbreitung innovativer Ansätze und Ideen. Durch die Zivilgesellschaft und Jugendorganisationen werde die Debatte jedoch immer vielfältiger, so Apamaku. Die sozialen Medien gäben Expert:innen, Aktivist:innen und normalen Bürger:innen die Möglichkeit, gemeinsam über den Klimawandel zu diskutieren. „Heute können wir starke Smartphone-Videos von indigenen Völkern in den Regenwäldern machen, die zeigen, wie sie auf ihr Land angewiesen sind und es schützen“, sagt er. Vor 20 Jahren sei eine Verbreitung solcher Eindrücke noch schwierig gewesen. Die Rolle der traditionellen Medien, so sieht es Apamaku, bestehe nun darin, diese Geschichten und Erfahrungen zu verbreiten und mehr Menschen zum Engagement zu motivieren.
Doch die Rahmenbedingungen für guten Journalismus sind oftmals noch schwierig: Dem Bericht des Reuters Institute aus dem Jahr 2010 zufolge hatten die meisten Journalist:innen, die über den Klimawandel berichteten, weniger als drei Jahre Erfahrung und keine spezielle Ausbildung in diesem Gebiet. Und auch heute noch, erklärt der Medienexperte David Akana, stellen viele Journalist:innen oft keine Verbindungen her zwischen dem globalen Klimawandel und lokalen Ereignissen wie Ernteausfällen oder Migration. Auch hier können Fortbildungsmaßnahmen, wie sie von Internews, SciDev.Net und der Robert Bosch Stiftung gefördert werden, helfen.
„Zu viele Medien konzentrieren sich nur auf das, was die Regierung tut – und sprechen daher in offiziellen, technokratischen Begriffen darüber.“
Zudem verfügen nicht alle Universitäten in afrikanischen Städten über übersichtliche, leicht zu bedienende Online-Verzeichnisse zu Forschenden und Studienergebnissen. Afrikanische Medienpublikationen sind nicht immer online verfügbar oder leicht über Suchmaschinen zu finden. „Es ist deshalb nicht immer einfach, afrikanische Forschende oder politische Entscheidungsträger:innen zu finden, aber es gibt sie, und man kann sie erreichen, wenn man wirklich für Inklusion und die Vielfalt der Ideen einsteht.“ Hinzu komme, so David Akana, dass Expert:innen, die in der Regierung oder in der Wissenschaft arbeiten, angesichts des politischen Umfelds in ihrem Land möglicherweise nur eingeschränkt sagen dürften, was sie sagen wollen.
Die COP27 in Ägypten ist eine Chance für afrikanische wie europäische Medien, sich auf die konkreten Auswirkungen des Klimawandels in verschiedenen afrikanischen Ländern zu konzentrieren und darauf, wie Regierungen und Bürger:innen in Afrika damit umgehen. „Die eigentliche Frage ist nur“, sagt Grace Mbungu, „ob die Welt auch wirklich aufmerksam zuhört.“
Wir unterstützen die Berichterstattung afrikanischer Journalist:innen von der UN-Klimakonferenzen in Ägypten. Eine professionelle Medienberichterstattung trägt dazu bei, Debatten rund um Landnutzung in die Öffentlichkeiten vor Ort zu tragen und über die Bedeutung von UN-Prozessen und -Entscheidungen für den lokalen Kontext zu informieren.