"Krankheitserreger kennen keine Grenzen"
Im Programm Global Governance Futures Robert Bosch Foundation Multilateral Dialogues (GGF) treffen 25 Nachwuchsführungskräfte aus unterschiedlichen Fachgebieten und fünf Nationen aufeinander. In drei Arbeitsgruppen erarbeiten sie im Verlauf eines Jahres gemeinsam Szenarien für die Welt von morgen. In diesem Jahr beschäftigen sich die Teams mit den Themen globale Gesundheit, internationaler Terrorismus und Data Governance. Zum Auftakttreffen kamen sie im Mai in Washington D.C. zusammen.
Interview mit Fellow Sulzhan Bali aus Indien
Was genau verbirgt sich hinter dem Schlagwort Global Health?
Global Health bedeutet, die Gesundheit von Bevölkerungsgruppen in einem globalen und umfassenden Kontext zu betrachten. Das Besondere daran ist die interdisziplinäre Herangehensweise. Es geht nicht nur um Ansätze der klassischen Schulmedizin, vielmehr betrifft Global Health viele Bereiche: sei es Außenpolitik, der weltweite Handel oder internationales Recht. Darum ist es wichtig, dass wir vernetzt und interdisziplinär denken. Persönlich beschäftige ich mich mit der Rolle, die nichtstaatliche Akteure beim Kampf gegen Epidemien spielen können.
Wie verändern Epidemien wie Ebola oder Zika die Anforderungen an unsere heutigen Gesundheitssysteme?
Zika und Ebola haben uns deutlich vor Augen geführt, dass Krankheitserreger keine Grenzen kennen. Wie weit entfernt der Ausbruch einer Krankheit auch sein mag, er kann Auswirkungen auf das eigene Land haben. Lokal ist global und global ist lokal. Die Ebola-Epidemie hat weiterhin gezeigt, dass wir die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befähigen müssen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Es muss eine intensivere internationale Zusammenarbeit beim Kampf gegen Epidemien geben, damit wir gegenüber Epidemien widerstandsfähiger sind. Zwischen dem letzten Ebola-Ausbruch und der aktuellen Zika-Krise gab es erfreulicherweise schon Verbesserungen.
Wie kann ein effektives Global Health-System in Zukunft in die Praxis umgesetzt werden?
Das Engagement verschiedener Akteure muss mit den unterschiedlichen nationalen Prioritäten abgestimmt sein. Während der Ebola-Epidemie hat der Druck der Geberländer, zu denen vor allem die OECD Staaten zählen, die Prioritäten der nationalen Gesundheitspolitik in Liberia, Guinea und Sierra Leone verzerrt. So etwas sollte bei der Ausgestaltung zukünftiger internationaler Vereinbarungen vermieden werden. Weiterhin müssen finanzielle Mittel drastisch erhöht werden. Das gilt für die betroffenen Länder, die zum Beispiel über Steuern mehr Geld für den Ausbau ihrer Gesundheitssysteme bereitstellen müssten, aber auch für Unternehmen. Und die Geberländer müssen endlich ihr Versprechen wahrmachen, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Weiterhin müssen wir in Zukunft internationale Richtlinien besser umsetzen können. Es gibt eine hervorragende internationale Gesetzgebung im Gesundheitsbereich, die bisher nur von einem Drittel aller Länder anerkannt und umgesetzt wird. Wie können wir das ändern, um zu global bindenden Bestimmungen im Gesundheitsbereich zu kommen?
Was sind realistische Ziele, die innerhalb der nächsten zehn Jahre im Bereich Global Health erreicht werden können?
Eine Reform der WHO wird wohl längere Zeit dauern, aber die internationale Zusammenarbeit und Koordination können mittelfristig gestärkt werden. Außerdem können jetzt schon effektivere Monitoring- und Evaluierungssysteme entwickelt werden. Die Privatwirtschaft engagiert sich bereits heute mit Maßnahmen für die globale Gesundheit. Dies wird von manchen kritisch gesehen, aber ich glaube, dass die Welt insbesondere bei der Finanzierung solcher Maßnahmen in den nächsten zehn Jahren von der Privatwirtschaft profitieren wird.
Wie trägt GGF 2027 dazu bei, diese Ziele zu erreichen?
Unsere Arbeit kann von politischen Entscheidungsträgern genutzt werden. Sie können die von uns entwickelten Szenarien als mögliche Rahmenbedingungen in ihre Politikgestaltung einfließen lassen. GGF 2027 kann auch dazu beitragen, Kooperationen über Ländergrenzen hinweg zu ermöglichen. In unserem Arbeitsteam sind Experten aus Indien, China, Japan, Deutschland und den USA. Dadurch fließen die unterschiedlichsten Regionalperspektiven in unsere Arbeit ein, und dadurch gelangen wir zu einer umfassenden, im wahrsten Sinne des Wortes, globalen Perspektive.
Wie funktioniert die Arbeit in einem Team, dessen Teilnehmer unterschiedliche disziplinäre und nationale Hintergründe haben?
Sehr gut. Der Lerneffekt ist einfach größer, wenn man von diesen unterschiedlichen Sichtweisen profitieren kann. Üblicherweise sind wir in unseren disziplinären, nationalen und beruflichen "Silos" gefangen, hier verlassen wir sie. Kürzlich hat ein Fellow berichtet, wie schwierig es sonst ist, aufgrund nationaler Unterschiede zu einem Konsens zu kommen. Bei GGF 2027 erhöht die Kombination der verschiedenen disziplinären und regionalen Perspektiven jedoch die Leistungsfähigkeit der Arbeitsgruppe. Wir können die komplexen Zusammenhänge, mit denen wir uns auseinandersetzen, im Team viel schneller "runterbrechen" und zu Lösungsansätzen gelangen.