Digital trifft sozial

Immer mehr soziale Initiativen und gemeinnützige Organisationen nutzen die Digitalisierung – um ihren Aktionsradius zu vergrößern, um sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen, um Teilhabe und Inklusion zu ermöglichen. Wir stellen drei Beispiele vor, die in unserer Initiative „DigitalDabei!“ gefördert werden und deutlich machen: Digital und sozial passen sehr gut zusammen.

Katrin Stahl | März 2020
Digital Social Summit 2019
Henning Schacht

Kinoprogramm für Ältere und Menschen mit Demenz verbreiten

Sabine Distler ist Leiterin des Kulturnetzwerks Silberfilm, einem Projekt der gemeinnützigen Gesellschaft „Curatorium Altern gestalten“. Zusammen mit ihrem Team organisiert sie eine Kinoprogrammreihe für Leute im hohen Alter und Menschen mit Demenz. „Wir kuratieren die Filme nach wissenschaftlichen Kriterien“, sagt Distler. Heißt: keine Gewaltszenen, lineare Handlungsstränge, ein Happy End. Die Projektleiterin will den betagten Besuchern eine stärkere Kultur- und Medienteilhabe und eine Inklusion im Alltag ermöglichen. 

Die Filmvorführungen, die an mittlerweile sechs Standorten in Bayern stattfinden, seien gut besucht. Jetzt will Silberfilm sein Konzept in Deutschland verbreiten und arbeitet an einem Netzwerk aus Partnern und Förderern. „Es gibt überall viele tolle lokale Projekte, die aber gerade noch getrennt voneinander arbeiten. Solche Doppelstrukturen müssen nicht sein“, sagt Distler, „soziale Innovationen können wir nur mithilfe von Digitalisierung weitertragen.“ Auf einer digitalen Plattform soll daher mit Workshop-Material, Präsentationen, Bildern und Videos das gesammelte Projektwissen gespeichert und für andere verfügbar gemacht werden. „Wir wollen skalieren – und das geht nur durch Digitalisieren“, sagt Distler. Sie ist überzeugt: „Je mehr Standorte es gibt, desto stärker wird auch das Bewusstsein bei der Filmindustrie, dass hier ein großer Bedarf existiert.“

Silberfilm
Silberfilm

Silberfilm organisiert eine Kinoprogrammreihe für Leute im hohen Alter und Menschen mit Demenz.

Menschen mit Behinderung prüfen die Barrierefreiheit des Internets

Um Teilhabe geht es auch Benjamin Koepsell von der Stiftung Bethel. Er ist Leiter des Projekts „Barrierefreies Internet“ und weiß: Nicht für jeden ist das problemlose Surfen eine Selbstverständlichkeit. Lange Sätze, komplex strukturierte Webseiten, eine schwer verständliche Bedienung. Besonders davon betroffen: Menschen mit Beeinträchtigungen. „Für jemanden mit einer Sehbehinderung muss eine Software den Text vorlesen. Menschen, die nicht gut lesen können, brauchen eine Version in einfacher Sprache“, so Koepsell, der in Bielefeld auch im sogenannten PIKLS-Labor, einem inklusiven Internetcafé, arbeitet. Gesetzesbeschlüsse für einen barrierefreien Webzugang gebe es, dennoch: „Bisher wurde da fast gar nichts umgesetzt.“ Jetzt soll Bewegung in die Sache kommen. In dem Projekt prüfen Menschen mit Behinderung Internetseiten auf Barrierefreiheit und erhalten damit eine neue Beschäftigungsmöglichkeit. Wo ist das Impressum? Was bedeuten die drei Striche im Menüfeld? Kann ich die Webseite auch über die Tastatur bedienen? Mitarbeiter ergänzen die Tests mit einer technischen Prüfung der Seite und des Quellcodes. 

Inklusiv heißt: Jedes Angebot muss für jeden nutzbar sein.

Um das Verfahren zu standardisieren und die Menschen mit Behinderung beim Usability-Test zu unterstützen, arbeiten Koepsell und sein Team an einem Fragenkatalog. Die Auswertungen wollen sie an Webagenturen weitergeben. Die Ergebnisse sollen diesen dabei helfen, neue Internetseiten barrierefrei und nach bestimmten Standards zu konzipieren. „Eine inklusive Gesellschaft heißt: Jedes Angebot muss für jeden nutzbar sein“, sagt Koepsell, „deshalb müssen auch Menschen mit Beeinträchtigung von den Vorteilen der digitalen Welt profitieren können.“

PIKLS-Labor
PIKLS-Labor

Das PIKSL-Labor der Stiftung Bethel ermöglicht Menschen mit Beeinträchtigungen den Zugang zum Internet.

Ein Tool für Jura-Studenten, die Geflüchtete beraten

Eine kostenlose Rechtsberatung für Geflüchtete: Das bieten in rund 40 deutschen Städten Jura-Studenten der Refugee Law Clinics (RLC) an. „Wir alle haben das gleiche Ziel“, sagt Katrin von Horn vom Bundesverband, „aber trotzdem sind die einzelnen Standorte sehr unterschiedlich strukturiert.“ Um sich miteinander zu vernetzen, nutzten die einzelnen RLC-Teams lange Zeit klassische IT-Tools wie Dropbox, Whatsapp oder Confluence. Alles mehr oder weniger professionell. „Die Aktenverwaltungsprogramme, die in Kanzleien zum Einsatz kommen, waren zu teuer für uns“, sagt von Horn, „oft waren sie auch gar nicht für unsere Zwecke geeignet.“ Eine Lösung musste her. Ihre Idee: die Akten- und Organisationsverwaltung der RLCs revolutionieren. Im September 2018 ging die digitale Plattform „Law & Orga“ an den Start. Das System ermöglicht das Erstellen, die Durchsuchung und die Vereinheitlichung von Akten, außerdem eine Mitglieder- und Dateiverwaltung. 

Geplant sind weitere Koordinierungstools, Kalender und Statistiken. Die Vorsitzende des Dachverbandes ist überzeugt: „Vor allem jüngere gemeinnützige Organisationen wollen sich digitalisieren.“ Oft fehle im ehrenamtlichen Bereich jedoch die Grundstruktur. „Wir sind nun einmal kein professionelles Unternehmen, das einfach so umschalten kann.“ Was es brauche? Überzeugungskraft und Motivation. Die hat Katrin von Horn, denn: „Jeder weiß schließlich, dass am Ende etwas Besseres dabei herauskommt.“ 

Refugee Law Clinics
Hannah Poqué

Die Mitglieder der einzelnen RLC-Standorte wollen sich stärker vernetzen.