Deutsches Schulbarometer: Sorge um soziale Kompetenz der Generation ChatGPT
- Repräsentative Studie der Robert Bosch Stiftung wirft erstmals Schlaglicht auf KI im Klassenzimmer: Lehrkräfte fühlen sich im Umgang mit KI-Tools unsicher und fürchten negative Auswirkungen bei sozialen und kommunikativen Fähigkeiten ihrer Schüler:innen.
- Hauptbelastungen der Lehrkräfte im Schulalltag bleiben herausforderndes Verhalten von Schüler:innen und Zeitmangel.
- Jede zweite Lehrkraft wünscht sich mehr Demokratiebildung, doch die Umsetzung scheitert häufig an Zeitmangel oder Angst vor Konflikten.
Stuttgart/Berlin, 25.06.2025 – Deutschlands Lehrkräfte blicken skeptisch auf den Einfluss Künstlicher Intelligenz (KI) im Klassenzimmer: Die Mehrheit erwartet durch Chatbot-Anwendungen wie ChatGPT überwiegend negative Auswirkungen auf ihre Schüler:innen. Besonders gefährdet sehen sie soziale und kommunikative Fähigkeiten (61 Prozent) sowie das kritische Denkvermögen (60 Prozent). Gleichzeitig erkennen ebenso viele das Potenzial für personalisiertes Lernen (57 Prozent). Dies geht aus dem heute veröffentlichten Deutschen Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung GmbH hervor.
Die repräsentative Studie offenbart zudem deutliche Defizite im Umgang mit KI: 62 Prozent der Lehrkräfte fühlen sich demnach unsicher, ein Drittel hat KI-Tools im vergangenen Jahr beruflich gar nicht genutzt. Wer sie einsetzt, nutzt sie vor allem zur Aufgabenerstellung (58 Prozent) und Unterrichtsplanung (56 Prozent), seltener zur Leistungsbewertung (6 Prozent) oder Analyse von Lerndaten (3 Prozent).
„ChatGPT und vergleichbare Anwendungen sind längst Teil der Lebenswelt junger Menschen und lassen sich auch durch Verbote nicht mehr aus dem schulischen Alltag verbannen", sagt Dr. Dagmar Wolf, Leiterin des Bildungsbereichs der Robert Bosch Stiftung. „Lehrkräfte sollten eigene Erfahrungen mit diesen Technologien sammeln. Darüber hinaus sind systematische Fortbildungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Unterricht unerlässlich. Nur so können Schüler:innen zu einem reflektierten und verantwortungsvollen Umgang befähigt werden. Richtig eingesetzt, kann KI Lehrkräfte entlasten und ihnen mehr Freiraum für pädagogische Aufgaben verschaffen."
Was Lehrkräfte am meisten belastet: Verhalten der Schüler:innen und Zeitmangel
Für eine wachsende Zahl von Lehrkräften stellt das Verhalten der Schüler:innen die größte Herausforderung im Schulalltag dar. 42 Prozent der Befragten sehen darin ihre Hauptbelastung – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr (35 Prozent). Besonders stark betroffen sind Lehrkräfte an Haupt-, Real- und Gesamtschulen (52 Prozent).
An zweiter Stelle nennen die Befragten die hohe Arbeitsbelastung und den chronischen Zeitmangel (34 Prozent, 2024: 28 Prozent). Die Auswirkungen sind spürbar: Ein Drittel der Lehrkräfte fühlt sich mehrmals pro Woche erschöpft, zehn Prozent sogar täglich. Trotz dieser Belastung bleibt die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit (84 Prozent) und der eigenen Schule (90 Prozent) weiter bemerkenswert hoch.
Demokratiebildung: Wunsch nach mehr Engagement trifft auf strukturelle Hürden
Erstmals untersucht das Deutsche Schulbarometer in diesem Jahr auch, wie Lehrkräfte die Demokratiebildung an ihren Schulen einschätzen. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte (54 Prozent) ist der Meinung, dass in diesem Bereich mehr getan werden müsste. Der Umsetzung stehen aus Sicht der Befragten jedoch praktische Herausforderungen im Weg. Als größtes Hindernis nennen drei Viertel der Lehrkräfte (77 Prozent) den Mangel an Unterrichtszeit. Fast die Hälfte (45 Prozent) sieht zudem fehlendes Fachwissen des Kollegiums als problematisch an.
Deutliche regionale Unterschiede zeigen sich insbesondere zwischen den ost- und den westdeutschen Bundesländern: Lehrkräfte im Osten berichten häufiger von Desinteresse im Kollegium (38 Prozent gegenüber 26 Prozent im Westen). Auch die Sorge vor Konflikten unter Schüler:innen (29 Prozent gegenüber 17 Prozent) sowie befürchtete Widerstände von Eltern (27 Prozent gegenüber 9 Prozent) werden dort deutlich häufiger als Hürden genannt.
Widersprüchlich ist die Einschätzung der Mitbestimmungsmöglichkeiten: Zwar sehen 68 Prozent der befragten Lehrkräfte die Anliegen der Schüler:innen bei Entscheidungen an der Schule berücksichtigt, doch 45 Prozent sprechen den Schülervertretungen realen Einfluss ab.
„Demokratieerziehung findet nicht nur im Politikunterricht statt. Schulen müssen sich zu demokratischen, partizipativen und inklusiven Orten entwickeln, die von Lernenden und Lehrenden gemeinsam gestalten werden“, fordert Wolf. „Dafür brauchen wir einen echten Wandel – strukturell, personell und kulturell. Ein wichtiger Schritt ist die konsequente Umsetzung des angekündigten Investitionsprogramms Bildung und des Digitalpakts 2.0 durch Bund und Länder.“