Für einen Nationalen Aktionsplan Migration
Das Thema Migration bestimmt die Debatten in Deutschland seit mehreren Jahren. Doch es fehlt ein Gesamtansatz, der möglichst viele Akteure einbindet – und eine systematische Kommunikationsstrategie. Die Implementierung des globalen Migrationspakts könnte Anlass bieten, beides proaktiv voranzubringen.
Migration ist ein weltweites Phänomen. Im vergangenen Jahr waren global 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht vor Kriegen und Konflikten. Noch mehr Menschen suchen Auswege aus Armut oder migrieren als Fachkräfte in andere Länder. Migrationsbewegungen werden daher in Zukunft nicht abnehmen.
Neue Ansätze sind erforderlich
Doch die aktuellen Antworten auf diese große Herausforderung reichen nicht aus. Auch wenn in Deutschland viel über Migration diskutiert und getan wird, braucht es neue und vor allem abgestimmte Ansätze. Die Robert Bosch Stiftung hat in den vergangenen Jahren durch Studien und Praxisprojekte umfangreiche Erfahrungen im Thema Migration gesammelt. Diese wollen wir in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen: Zum einen braucht es in der Regierung einen interministeriellen Ansatz, um Migration besser zu gestalten. Sie ist nicht nur Thema eines oder zweier Ressorts. Daher sollten mehr Kompetenzen gebündelt werden – zum Beispiel bei der Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. So wie ein Nationaler Aktionsplan Integration, der derzeit von der Bundesregierung erarbeitet wird, auf den Weg gebracht ist, erscheint eine Übertragung auf das Thema Migration dringend geboten.
Migration im gesellschaftlichen Dialog gestalten
Aber Migration ist nicht nur eine Angelegenheit von Ministerien. Solch ein Aktionsplan braucht einen gesellschaftlichen Dialog darüber, wie Migration überhaupt gestaltet werden soll, z. B. über Migrationspartnerschaften, Fachkräftegewinnung oder Resettlement-Programme für Flüchtlinge. Für die Arbeit an solch einem Plan braucht es die Wissenschaft, die Zivilgesellschaft – inklusive der Migrantenorganisationen – und die Wirtschaft. Diasporaorganisationen können einen wichtigen Beitrag leisten, wenn es um die Zusammenarbeit mit Herkunftsländern geht. Ein Masterplan, der nicht durch viele Akteure getragen wird, muss seine Wirkung verfehlen. Denn nur wenn die Aufnahmegesellschaft breit eingebunden wird, kann es eine Akzeptanz für eine kohärente und strategische Migrationspolitik geben; das zeigt die aktuelle Debatte über den UN-Migrationspakt. Im breiten Parteienspektrum Deutschlands gibt es einen Grundkonsens darüber, dass Migration geordnet, sicher und legal erfolgen muss – genau dies sind die Inhalte des UN-Pakts. Eine von Misstrauen begleitete Diskussion ist nicht hilfreich. Die Robert Bosch Stiftung hatte bereits vor Monaten – gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung – viele Vertreter der Zivilgesellschaft zusammengebracht, um über den Pakt zu diskutieren und auch mit der Bundesregierung darüber einen Dialog begonnen. Leider mangelt es bisher an einer systematischen Kommunikationsstrategie in Sachen Migrationspolitik.
Kommunikation von Anfang an mitdenken
Genau dieser UN-Migrationspakt könnte nun den Anlass geben, den Dialog in Deutschland über eine kohärentere Migrationspolitik zu vertiefen und über die Ministerien und Sektoren hinweg neue Ideen, Lösungen und Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Denn Migration ist nicht nur eine Herausforderung, sondern immer auch eine Chance. Es gibt ebenfalls ein positives Narrativ von Migration, nämlich wie Neuankömmlinge ihre Ankunftsländer nicht nur durch Arbeit fördern und entlasten, sondern auch kulturell bereichern. Und selbst eine Rückkehr von Migranten in ihre Herkunftsländer hat längst nicht nur eine dunkle Seite. Daran gilt es mehr zu arbeiten. Jetzt müssen wir alle uns Gedanken darüber machen, nicht nur in Deutschland. Je konstruktiver Migration gestaltet wird, desto besser ist es für alle Beteiligten. Dass dabei die Kommunikation von Anfang an mitgedacht werden muss, zeigen uns die letzten Jahre und Monate.
All dies legt nahe: Für einen Nationalen Aktionsplan Migration ist es nicht zu spät – nein, es ist genau der richtige Zeitpunkt. Wir als Stiftung können beim Weiterdenken von Migrationspolitik eine vermittelnde Rolle spielen und in diesem Prozess unsere Erfahrungen und auch die Stimme der Zivilgesellschaft einbringen.
Uta-Micaela Dürig ist stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung