Ein Blick in die Zukunft: Die Welt im Jahr 2027

Globale Gesundheit, Data Governance, Transnationaler Terrorismus - drei Themen, die auch in Zukunft die internationale Agenda beherrschen dürften. 25 Nachwuchsführungskräfte aus China, Indien, Japan, den USA und Deutschland blickten im Programm "Global Governance Futures" ins Jahr 2027 voraus. In Berlin haben sie ihre Zukunftsszenarien vorgestellt.

David Weyand | Juni 2017
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Foto: Matthias Erfurt

Ein Jahr lang arbeiteten die Fellows des Programms "Global Governance Futures (GGF) - Robert Bosch Foundation Multilateral Dialogues" an ihren Zukunftsszenarien. Eine Teilnehmerin ist Laila A. Wahedi aus den USA, die an der Georgetown University promoviert und bereits Analysen für das US-Militär erstellt hat. "Die beste Erfahrung und zugleich größte Herausforderung war die Zusammenarbeit mit den internationalen Fellows: Unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven kennenzulernen, hat mir die Augen geöffnet". Sie habe bei Fragen zur globalen Weltordnung - für sie überraschend - nicht mit den deutschen Teilnehmern, die für eine multipolare Ordnung eintraten, sondern eher mit den Positionen der Chinesen übereingestimmt, die Hegemonie und klare militärische Machtverhältnisse favorisierten. "Gefragt waren darum nicht nur kritisches und kreatives Denken, sondern auch Kompromissbereitschaft", sagte sie.

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Foto: Matthias Erfurt

Berlin war nach Washington, einer gemeinsamen Woche in Tokio und Peking sowie Neu Delhi die vierte Dialogrunde der GGF-2027-Gruppe.

Grenzüberschreitende Gedankenexperimente

Alle Fellows waren entsprechend ihres beruflichen Hintergrundes einer der drei Themengruppen zugeteilt. In diesen entwickelten sie im Laufe eines Jahres zwei bis drei Zukunftsszenarien. Mitarbeiter des "Global Public Policy Institute" (GPPi) leiteten sie methodisch durch den Prozess, Regionalexperten und Fachleute für Gesundheit, Daten und Terrorismus aus den Teilnehmerländern und von kooperierenden Organisationen gaben neue Einblicke, Feedback und Tipps.

Zwischen den persönlichen Treffen diskutierten und schrieben die Gruppenmitglieder online an ihren Berichten, die sie nun abschließend in Berlin auf drei Podiumsdiskussionen den anderen Fellows und eingeladenen Experten präsentierten. Alle Gruppen betonten: Es handelt sich um Gedankenexperimente und keine konkreten Vorhersagen. Aus diesen Annahmen leiteten sie dann mögliche Handlungsempfehlungen für Regierungen ab.

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Foto: Matthias Erfurt

In drei Arbeitsgruppen blickten die 25 GGF-Fellows zehn Jahre in die Zukunft. Ihre Themen: Globale Gesundheit, Data Governance und Transnationaler Terrorismus.

"Populistischer Terrorismus" - Eine neue Bedrohung?

Wie Laila gehört auch die Deutsche Elisa D. Lux zur siebenköpfigen Gruppe "Transnationaler Terrorismus". Sie war die vergangenen Jahre politische Beraterin im Stab des UN-Beauftragten für Peacekeeping-Missionen. "Unsere Gruppe wollte über die bekannten Phänomene des Terrorismus hinausgehen und Regionen und Trends beleuchten, die sonst eher außerhalb des Scheinwerferlichtes liegen", sagte sie. Zwar ging es in ihrem ersten Szenario noch recht klassisch um religiös motivierten Terror - allerdings in Zentralasien.

Ganz neue Sichtweisen ermöglichte vor allem das zweite Szenario: Was wäre, fragte sich die Gruppe, wenn eine neue Form des internationalen Terrorismus entstehen würde? Wenn nicht mehr religiöse Fanatiker, Ideologien und Kriege im Nahen Osten Treibstoff für Terror auch im Westen wären? Stattdessen aber die Automatisierung der Wirtschaft zu Massenarbeitslosigkeit, sozialer Ungleichheit und Ausgrenzung im Westen und damit starkem Zuwachs populistischer Strömungen führen würde? In der Folge, so die Annahme, würden Abgehängte und Frustrierte terroristische Angriffe auf Einkaufszentren, Unternehmen, Migranten und Politiker in Europa und den USA verüben. Westliche Gesellschaften wären nicht nur Ziel, sondern Hauptquelle für Terrorismus - in diesem Fall "populistischen Terrorismus".

"Die Wahl von Präsident Trump und populistische Bewegungen wie der Front National in Frankreich und die AFD in Deutschland waren natürlich ein großes Thema in unseren Diskussionen", sagte Elisa. "Wir sind in unseren Annahmen von einem Sieg Trumps ausgegangen, noch bevor er tatsächlich gewählt wurde". Ereignisse, die viele für sehr unwahrscheinlich halten, spielen in den Szenarien des GGF bewusst eine Rolle.

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Foto: Matthias Erfurt

Beim GGF-Abschlusstreffen stellten die drei Arbeitsgruppen die Ergebnisse aus einem Jahr Projektarbeit vor.

Diskussionen abseits der eigenen Fachkreise

Andreas Jacobs, Koordinator für Islam und religiösen Extremismus der Konrad-Adenauer-Stiftung, ist als Experte eingeladen. Neben der Podiumsdiskussion präsentieren die Fellows ihre Zukunftsanalysen ausgewählten Fachleuten noch detaillierter. Die Gruppe wollte von Jacobs wissen, wie schlüssig ihre Annahmen sind und ob die abgeleiteten Empfehlungen Sinn ergeben. "Arbeitet an der Begriffsdefinition, aber veröffentlicht vor allem zum Populismus-Szenario weitere Aufsätze", ermunterte er.

Die Fellows hätten Terrorismus von gängigen Verknüpfungen zu "Islamismus" oder "Migration" losgelöst und so frische Perspektiven und neue Ideen über mögliche Bedrohungen ins Spiel gebracht, so Jacobs. "Gerade bei Terrorismus gilt: es gibt nicht nur eine Realität", sagte Jacobs und lobte besonders die Zusammensetzung der Gruppe: "Ihr kommt nicht nur aus verschiedenen Ländern, hier diskutieren Militärexperten, Wissenschaftler und Mitarbeiter staatlicher Organisationen, aus der Wirtschaft und von NGOs gemeinsam". Viel zu oft würden derartige Diskurse in der Blase der jeweiligen Fachkreise bleiben, sie müssten aber unbedingt zusammengeführt werden, genau wie es das GGF ermögliche.

Gruppenfoto der GGF Teilnehmer
Foto: Matthias Erfurt

In Berlin trafen die Fellows des aktuellen Jahrganges auf ehemalige Teilnehmer. Das Alumninetzwerk ist ein wichtiger Teil von GGF.

"Identitätspolitik in Deutschland"

Um andere Perspektiven besser verstehen zu lernen, wurden an allen Stationen auch Veranstaltungen angeboten, die nationale Besonderheiten in den Fokus rückten. In Berlin diskutierten sie über "Identitätspolitik in Deutschland" und erfuhren, was Begriffe wie "Gastarbeiter" oder "Willkommenskultur" bedeuten und worum es bei den Debatten zu "Leitkultur", "Parallelgesellschaften" und "doppelter Staatsbürgerschaft" ging. "Durch die Sichtweisen der Fellows konnte ich die anderen Länder noch mal ganz anders kennenlernen", sagte Elisa.

Auch die Amerikanerin Laila war zufrieden: "Ich habe viel gelernt und großartige Kontakte geknüpft." Ob das ihre berufliche Zukunft beeinflussen wird? Darüber wollte sie nicht spekulieren, ergänzte aber lachend: "Genau das will ich die ehemaligen Fellows fragen". Zum Abschluss des aktuellen Jahrgangs 2027 kamen 25 Ehemalige der bisherigen GGF-Jahrgänge 2020, 2022 und 2025 für zwei Tage nach Berlin. Und auch dort wurde auf höchstem Niveau gemeinsam diskutiert, unter anderem mit Dr. Joachim Bertele, dem stellvertretenden Leiter der außen- und sicherheitspolitischen Abteilung im Bundeskanzleramt.

Lesen Sie die Abschlussberichte

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