Einwanderungsgesellschaft

Integration Hubs für den sozialen Zusammenhalt in Nachbarschaften

Wie können Alteingesessene und Neuzugewanderte in einem konstruktiven Austausch zusammengebracht werden? Was braucht es dafür? Diesen Fragen widmet sich das von uns geförderte Konzept Integration Hub. 

Text
Johanna Günther
Bilder
More than shelters
Datum
18. Dezember 2022

Das Konzept von MORE THAN SHELTERS ist eng an die Themen Nachbarschaftsentwicklung und sozialräumliche Integration angelehnt: In Gebieten mit hoher Zuwanderung bieten sogenannte Integration Hubs die Möglichkeit, alle Akteur:innen an einen Tisch zu holen. „Es braucht einen Raum. Der kann lokalspezifisch unterschiedlich sein: vom Integrationsmobil bis hin zu einem fest verorteten Nachbarschaftszentrum“, erläutert Daniel Kerber, Gründer und Geschäftsführer von MORE THAN SHELTERS. „Eine Gemeinschaft muss um diesen Ort herum aufgebaut und gepflegt werden. Immer unter Einbindung aller.“ Zuletzt bedürfe es einer spezifischen Haltung, um ein Integration Hub erfolgreich zu machen: lösungsorientiert, menschenzentriert und potenzialorientiert müsse der Ansatz sein.

"Drei Säulen bilden das Gerüst der Integration Hubs: Raum, Gemeinschaft und Haltung."

Zitat vonDaniel Kerber, Gründer

„Oft wird zuallererst auf die Defizite der Menschen geschaut: ‚Was fehlt den Menschen, was können Sie nicht?‘. Wir wollen dieser Haltung eine andere gegenüberstellen und die Ressourcen, die Träume, Ideen und Wünsche der Menschen in den Mittelpunkt rücken – als Ergänzung zum bestehenden System“, führt Daniel Kerber aus.

Wie gelingt soziale Integration? 
 

Entstanden ist das Konzept im Rahmen zweier Projekte. Eine Befragung von Akteur:innen, die Anfang 2016 an Willkommensstandorten – z.B. Bahnhöfen und Integrationscafés – aktiv waren, widmete sich den Gelingens- und Hemmnisfaktoren von sozialen Integrationsprojekten. Diese wurde im Nachgang an 20 Standorten unter der Fragestellung vertieft: „Wie gelingt soziale Integration?“. Im nächsten Schritt machte sich das Team von MORE THAN SHELTERS in Zusammenarbeit mit der Robert Bosch Stiftung an die Konzeptentwicklung im Rahmen von Workshops und eigenen Integrationsprojekten. Erste Ideen wurden fortlaufend in Praxisprojekten getestet und evaluiert, darunter Beteiligungs- und Kreativformate im interkulturellen Kontext. Daraus entstand unter anderem ein Curriculum, das den ressourcenorientierten Ansatz in konkrete Handlungsleitlinien übersetzt. Mikroprojekte, darunter ein Kleingartenprojekt und eine interkulturelle Kochinitiative, halfen MORE THAN SHELTERS bei der Überprüfung und Weiterentwicklung dieser Leitlinien.
 

Prototypen in Berlin und Stuttgart  
 

„Irgendwann stellte sich dann die Frage: Wie gehen wir weiter? Was können wir nach diesen Testballons erreichen?“, beschreibt Daniel Kerber. Die Antworten finden sich derzeit an zwei Standorten: Stuttgart und Berlin. Während in Stuttgart innerhalb eines Stadtteils dezentral unterschiedliche Orte und kleine Initiativen geschaffen wurden, wächst das Integration Hub im Berliner Westend zu einem zentralen Campus, der unterschiedliche Akteur:innen aus Nachbarschaft, Politik und Verwaltung – darunter mehrere Berliner Senatsverwaltungen – vernetzt.

„Essentiell ist außerdem der Aufbau von Kommunikationsstrukturen, sowohl für den Kontakt zu Kommunalverwaltungen als auch für den Austausch mit der Lokalgemeinschaft. Allen muss klar sein: Der Mehrwert des Integration Hub – nämlich den sozialen Zusammenhalt in den Nachbarschaften zu stärken und nachhaltig soziale Spannungen abzubauen – ist riesig, und zwar kurz-, mittel- und langfristig.“ Zudem sei es wichtig, Integration Hubs von Anfang an als Teil der Regelstrukturen zu denken, um eine langfristige Finanzierung zu sichern. Dem Berliner Integration Hub stellte MORE THAN SHELTERS zudem eine Machbarkeitsstudie voran.  
 

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Standort des Campus im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin.

Integration Hubs in ländlichen Räumen
 

MORE THAN SHELTERS will das Konzept Integration Hub an unterschiedlichen Orten umsetzen. In ländlichen Räumen sei es wichtig, über mobile, dezentrale Lösungen nachzudenken und ein gutes Verständnis dafür zu entwickeln, wie die Gemeinschaft räumlich verteilt und vernetzt ist.

Das Vorgehen ist schrittweise: Zunächst wird eine Systemanalyse vor Ort durchgeführt, um den Kontext zu verstehen und zu ermitteln, ob das Konzept gelingen kann. Im Anschluss entwickeln die Partner:innen vor Ort ein grobes Konzept, das die drei Säulen in lokalspezifische Formen übersetzt. Es folgen Umsetzung und Test des Grobkonzepts. Die Lernerfahrungen aus diesem Test fließen wiederum in die Weiterentwicklung des Konzeptes ein. Dieser Prozess wird wiederholt, bis ein lokales Integration Hub geschaffen ist.

Daniel Kerber betont: „Noch haben wir wenige empirischen Daten zur Umsetzung von Integration Hubs in ländlichen Regionen. Aber wir haben großes Interesse daran, das Konzept auch in ländlichen Räumen zu testen. Ich bin überzeugt, dass es funktionieren kann.“
 

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