MSC 2023 – Münchner Sicherheitskonferenz

Vorausschauend denken - die Geopolitik der klimabedingten Migration

Klimabedingte Migration ist für Millionen Menschen bereits heute Realität und für viele weitere eine nicht allzu ferne Zukunft. Was folgt daraus für die Geopolitik? Was sind die Risiken und Chancen? Auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz diskutierten wir diese Fragen in unserem Side Event "Shifting (b)orders? The geopolitics of climate-related migration". 

Text
Hannes Einsporn
Pictures
MSC/Kuhlmann
Datum
20. Februar 2023

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2023 gab es viele Diskussionen zur Klimakrise: Ein halbes Dutzend Veranstaltungen im Hauptprogramm sowie eine ähnliche Anzahl an Nebenveranstaltungen standen auf der Agenda. Dabei ging es sowohl um die politischen Hindernisse bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen als auch um die geopolitischen Auswirkungen der grünen Transformation. Das Thema Migration war zwar Teil des Hauptprogramms, konzentrierte sich aber weitgehend auf die Politik des Hier und Jetzt. In unserem Side Event luden wir die Panelist:innen ein, in die Zukunft der klimabedingten Migration zu schauen. Durch die Diskussion der Risiken und Chancen klimabedingter Migration wollten wir zu einer differenzierten und informierten Debatte in sicherheits- und außenpolitischen Kreisen beitragen. 


Welche Auswirkungen kann klimabedingte Migration auf Geopolitik haben? Die Panelist:innen waren sich einig darin, dass die Folgen von klimabedingter Migration zunächst innerhalb einzelner Ländern spürbar werden, bevor sie die Beziehungen zwischen Ländern betreffen. Denn klimabedingte Migration findet derzeit größtenteils innerhalb von Ländern statt und Prognosen zufolge wird sich dies auch nicht ändern. Besonders betroffen sind dabei vor allem Länder und Regionen, die bereits als fragil und konfliktanfällig gelten. So wurde im vergangenen Jahr im krisengeschüttelten Somalia eine Million Menschen durch eine Dürre vertrieben. Der Klimawandel wird dazu führen, dass solche Extremwetterereignisse immer häufiger auftreten.  
 

Welche Rolle spielt Geopolitik?

 

Menschliche Mobilität wird unter anderem durch Grenzen immer weiter eingeschränkt – das ist bereits Realität. Menschen, die über Landesgrenzen migrieren oder fliehen, werden allen Prognosen zufolge einen kleineren Anteil der gesamten klimabedingten Migration ausmachen. Allerdings wird diese Migranten-Gruppe wahrscheinlich am stärksten von Geopolitik betroffen sein, da dadurch ihre Möglichkeiten der Mobilität bestimmt werden. Schlimmstenfalls sind sie dadurch in gefährlichen und immer schwierigeren Lebensbedingungen gefangen. Einige Staaten mit einer vorteilhaften geografischen Lage, was den Klimawandel betrifft, könnten auch eine potenziell destabilisierende Wirkung von klimabedingter Migration ausnutzen, um konkurrierenden Staaten zu schaden.


Nach der Analyse dessen, was ist und was sein könnte, folgte eine Diskussion darüber, was zu tun ist. Migration ist eine Anpassungsstrategie an die Auswirkungen des Klimawandels. Gleichzeitig müssen die betroffenen Bevölkerungsgruppen ihre Resilienz erhöhen, um den Auswirkungen des Klimawandels standzuhalten. Das gilt insbesondere – aber nicht nur – wenn sie an ihren angestammten Wohnorten bleiben wollen. Bei Lösungen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit sollten die betroffenen Bevölkerungsgruppen selbst im Lead sein. Denn: Ein äthiopischer Landwirt weiß am besten, was in seinem lokalen Umfeld funktioniert, um kontinuierliche Ernteerträge zu erzielen. Internationale Akteure können zusätzliche Ideen aus ihrer Arbeit in verschiedenen Ländern und Regionen einbringen. 

Das sollte aber nicht alles sein. Der diesjährige Munich Security Report zeigt erneut, dass Bürger:innen in aller Welt beunruhigt sind über nicht-traditionelle Sicherheitsherausforderungen, zu denen im Bericht auch die klimabedingte Migration gezählt wird. Die Politiker:innen täten gut daran, in offene und inklusive Gesellschaften zu investieren, statt ein Schreckensszenario von klimabedingter Migration zu zeichnen, mit dem sich kurzsichtige Maßnahmen rechtfertigen lassen, wie ein Diskussionsteilnehmender  argumentierte. Auf internationaler Ebene wurde die Vereinbarung über die Finanzierung von Verlusten und Schäden auf der letztjährigen Klimakonferenz als vielversprechend diskutiert. Wenn die Menschen in der Lage sind, sich in geplanter Art und Weise aus klimabedingten Gefahrenzonen weg zu bewegen, können Schäden und Verluste verringert werden. Flucht hingegen ist fast immer mit großen Verlusten verbunden. Eine stärkere Zusammenarbeit von Klimabewegung und humanitären Hilfe, wie etwa bei der Identifizierung derjenigen, die am stärksten betroffen sein werden, wäre wichtig. Bisher ist diese Chance weitgehend verpasst worden.

Was bleibt nach unserem Side Event? 

 

Unsere Diskussion verlasse ich hoffnungsvoll, aber auch mit einem geschärften Bewusstsein dafür, dass klimabedingte Migration viele Länder betrifft und noch betreffen wird. Dadurch werden die Bedingungen für internationale Kooperation nicht zwangsläufig einfacher. Stattdessen braucht es dringende und entschlossene Maßnahmen. Wir als Robert Bosch Stiftung werden unseren Teil dazu beitragen, auch indem wir das Thema weiterhin auf die Agenda der wichtigen internationalen Foren setzen, zu denen auch die Münchner Sicherheitskonferenz gehört. 
 

Strategische Partnerschaft mit der MSC

Die Robert Bosch Stiftung ist seit 2016 strategische Partnerin der Münchner Sicherheitskonferenz und fördert auch die International Crisis Group seit vielen Jahren. An dem Side-Event der Stiftung bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2023 diskutierte die Botschafterin Dr. Namira Negm (Direktorin der Afrikanische Beobachtungsstelle für Migration bei der Afrikanischen Union) unter anderem mit David Miliband (Präsident & CEO des Internationalen Rettungskomitees) und Andrew Gilmour (Geschäftsführer der Berghof Foundation und ehemaliger stellvertretender UN-Generalsekretär für Menschenrechte) über nachhaltige Strategien und Konzepte für klimabedingte Migration.

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