Die Ausschreibung und der Auswahlprozess des Förderprogramms wurde von sechs Expert:innen mit umfassender Erfahrung und Expertise zu ökonomischer Ungleichheit begleitet. Sie haben mit ihrem Wissen und Einsichten die Auswahl- und Bewertungskriterien beeinflusst und Hinweise zur Umsetzung des Programms gegeben. Sie haben die die Stiftung in der Gestaltung einer inklusiven Ausschreibung und eines barrierearmen Auswahlprozesses beraten, dessen Ziel es war auch Organisationen und Gruppen, die direkte Erfahrungen mit ökonomischer Ungleichheit haben, eine Bewerbung zu ermöglichen. Schließlich hat die Jury die Förderempfänger ausgewählt.
Hope Chigudu
Aktivistin, Feministin und unabhängige Beraterin.
Hope, wie trägt der Aufbau von Macht zur wirtschaftlichen Gerechtigkeit bei?
„Strukturelle Ungleichheiten schränken das Leben von Frauen, Mädchen und Menschen ein, die sich nicht an traditionelle Geschlechterrollen halten. Stärkung solidarischer Bündnisse über Bewegungsgrenzen hinweg bedeutet in diesem Zusammenhang, anzuerkennen, wie Geschlecht – gemeinsam mit Faktoren wie Klasse, Hautfarbe, Sexualität und anderen – unsere Erfahrungen von Unterdrückung und Befreiung prägt. Es heißt auch, dekoloniale Perspektiven zu nutzen, um sich zu organisieren, Ressourcen zurückzuerobern und die Kräfte der Natur bewusst und verantwortungsvoll zu nutzen.“
Hope arbeitet mit Entwicklungsorganisationen auf dem afrikanischen Kontinent und in einigen Ländern Asiens zusammen. Ihre Arbeit konzentriert sich auf körperliche, emotionale und finanzielle Ganzheitlichkeit. Sie ist eine Katalysatorin für Energie, Fürsorge und Wohlbefinden und eine Vermittlerin für die Verbindung mit der Natur und indigenen Ressourcen. Hope unterstützt Organisationen dabei, ihren Geist zu befreien, um sich auf radikale Vorstellungskraft einzulassen, Lustaktivismus zu fördern und liebevolle Organisationen zu schaffen. Alles ist miteinander verbunden, denn es geht darum, eine Welt zu schaffen, in der jeder Mensch dazugehört, sich entfalten kann und das Gefühl hat, dass seine Bedürfnisse erfüllt werden können. In ihrer Arbeit mit Organisationen vermittelt sie praktische Fähigkeiten und Werkzeuge für ein erweitertes Bewusstsein, das erforderlich ist, um ganzheitlicher und umfassender mit den verschiedenen Gruppen zu arbeiten.
Marija Jakovljevic
Participatory Resource Distribution Manager, Dalan Fund
Marija, wie trägt der Aufbau von Macht zur wirtschaftlichen Gerechtigkeit bei?
„Die Geschichte Jugoslawiens lehrt uns, wie wichtig es ist, unser emanzipatorisches Erbe zu schützen und Raum für Experimente und kollektives (De-)Lernen zu schaffen, um herauszufinden, wie wirtschaftliche Gerechtigkeit und ein menschenwürdiges Leben in der Praxis aussehen können. Heute zeigt sich der Kampf um wirtschaftliche Gerechtigkeit etwa im Widerstand gegen den Lithiumabbau in Serbien. Der Abbau soll die sogenannte „grüne“ Transformation der EU unterstützen – doch er geschieht auf Kosten von Ländern wie Serbien, die an den Rand gedrängt werden. Breite Mobilisierung, Selbstorganisation und Selbstvertretung sind zentrale Voraussetzungen dafür, solidarische Bündnisse über Bewegungsgrenzen hinweg zu stärken und unsere wirtschaftlichen Rechte praktisch umzusetzen. Sie helfen, unser Land vor irreversibler Zerstörung zu schützen und den Weg für tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel zu ebnen. Es ist ein Prozess des Widerstands, der Verteidigung, der Heilung – und des gemeinsamen Neudenkens und Wiederaufbaus gerechter Wirtschaftsformen.“
Marija verfügt über fast 20 Jahre Erfahrung als Aktivistin und Fachkraft in den Bereichen Feminismus, Menschen- und Umweltrechte, Friedensförderung, Solidarwirtschaft und progressive Philanthropie. Über ein Jahrzehnt lang beschäftigte sie sich als Forscherin, Aktivistin, Programmkoordinatorin, Beraterin, Organisatorin und Community-Mobilisiererin mit wirtschaftlicher Gerechtigkeit und Alternativen. Sie arbeitete an der Wissensproduktion zu den Themen Besteuerung, wirtschaftliche Alternativen und Zugang zu Sozialleistungen. Mit Roza – einer Organisation für Frauenarbeitsrechte – verfasste sie das erste Manifest für kollektive Fürsorge in Serbien. Ihr aktuelles Interesse gilt Sicherheitsnetzen für Aktivist*innen. Marija hat einen Master-Abschluss in Soziologie. Sie ist Absolventin der Social Change Initiative und Sakharov-Stipendiatin für 2024.
Gillian Katungi
Executive Director of Kinfolk Network
Gillian, wie trägt der Aufbau von Macht zur wirtschaftlichen Gerechtigkeit bei?
"Unsere Gesellschaften sind geprägt davon, dass Reichtum und Entscheidungsgewalt ungerecht auf wenige verteilt sind. Die Folgen von Ausbeutung, Landverlust, entwerteter Arbeit, ausbeuterischen Wirtschaftsweisen und der Kriminalisierung von Armut haben uns voneinander, von uns selbst und von der Erde entfremdet. Stärkung solidarischer Bündnisse über Bewegungsgrenzen hinweg bedeutet, dass Gemeinschaften sich gegen diese ungerechten Strukturen stellen – nicht nur durch Protest, sondern auch durch gemeinsame Visionen und konkretes Handeln. So können wir unsere Bedürfnisse selbst definieren und unsere Zukunft aktiv mitgestalten. Wirtschaftliche Gerechtigkeit heißt, dass wir selbst bestimmen, wie unsere Bedürfnisse erfüllt werden – gemeinsam und in Verantwortung füreinander. Organisierte Gemeinschaften können Institutionen zur Rechenschaft ziehen und neue, gerechtere Systeme aufbauen. Besonders für Menschen, die stark ausgegrenzt werden, entstehen dadurch Räume für Fürsorge, Verbundenheit und gegenseitige Unterstützung. So können wir Solidarität und lokale, gemeinschaftsbasierte Wirtschaftsformen zurückgewinnen – getragen von Lebensfreude und dem Willen zum Überleben. Wirtschaftliche Gerechtigkeit bedeutet, dass wir gemeinsam aufblühen und eine gerechte, lebenswerte Zukunft gestalten."
Gillian (Gee) Katungi ist Mutter, Strategin, Künstlerin und Organisatorin, die sich für Rassengerechtigkeit und Systemwandel einsetzt. Als Geschäftsführerin des Kinfolk Network unterstützt sie landesweit schwarze Führungskräfte, Kampagnenleiter:innen und Aktivist:innen dabei, sich zusammenzuschließen, um Strategien zu entwickeln, Ressourcen zu teilen und bewegungsübergreifende Beziehungen zu stärken. Gee bringt umfassende Erfahrungen aus dem öffnetlicheun und gemeinnützigen Sektor mit und war in den Bereichen politische Interessenvertretung, Öffentlichkeitsarbeit, Kampagnenarbeit, Jugendarbeit, Governance, Strategie und Finanzierungsreform tätig. Ihre Arbeit ist stets von Schwarzer feministischer Praxis geprägt. Gee engagiert sich intensiv für Gerechtigkeit, Beziehungsarbeit, Rechenschaftspflicht und transformative Ansätze für wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit. "Ich brenne für die Vernetzung und Stärkung solidarischer Bündnisse. Ich bin hier für Solidarität, Freude und kollektive Heilung."
Âurea Mouzinho
Program Manager, Africa Thousand Currents
Âurea, wie trägt der Aufbau von Macht zur wirtschaftlichen Gerechtigkeit bei?
„Im Kern geht es bei wirtschaftlicher Gerechtigkeit darum, dass die Wirtschaft für die Menschen, die Mehrheit und die Randgruppen funktioniert. Da unser derzeitiges Wirtschaftssystem nicht darauf ausgerichtet ist, können die Menschen nur durch die Rückgewinnung ihrer kollektiven Macht eine gerechtere Wirtschaftspolitik und -ordnung durchsetzen.“
Ȃurea Mouzinho ist eine feministische Aktivistin für wirtschaftliche Gerechtigkeit aus Luanda, Angola, mit einer zehnjährigen Karriere in den Bereichen Forschung, Fördermittelvergabe, Interessenvertretung und Bewegungsaufbau für Frauenrechte und wirtschaftliche Gerechtigkeit in Afrika und den Ländern des Globalen Südens. Sie ist Mitbegründerin und ehemalige Koordinatorin von Ondjango Feminista, einem Kollektiv angolanischer Frauen, das sich aus einer transformativen afrikanischen feministischen Perspektive, die Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität in den Mittelpunkt stellt, für die Rechte der Frauen einsetzt. Derzeit ist sie Vorstandsmitglied der Association of Women in Development (AWID). Aurea hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Monash University und der University of Cape Town sowie einen Master in Entwicklungsstudien der SOAS, University of London.
Leanne Sajor
Director, Funders for a Just Economy at Neighborhood Funders Group
Leanne, wie trägt der Aufbau von Macht zur wirtschaftlichen Gerechtigkeit bei?
"Wir müssen Bewegungen für wirtschaftliche Gerechtigkeit gezielt unterstützen – besonders jene, die von Gruppen im Globalen Süden getragen werden und ihre Arbeit auf intersektionale und dekoloniale Ansätze gründen. Wie Audre Lorde uns erinnert: „Wir führen keine Kämpfe, die nur ein Thema betreffen.“ Diese Organisationen sind in besonderer Weise dazu in der Lage, die materiellen Bedürfnisse ihrer Gemeinschaften zu adressieren – und dabei auf Strategien und Stimmen aus einer vielfältigen Landschaft sozialer Bewegungen zurückzugreifen: von den Rechten von Sexarbeiter:innen über Klimagerechtigkeit und Hausarbeitskämpfe bis hin zu Bewegungen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Intersektionalität spiegelt nicht nur die Komplexität unserer Kämpfe wider – sie ist das verbindende Gewebe zwischen den Bewegungen. Sie sorgt dafür, dass unsere Kämpfe für Gerechtigkeit miteinander verbunden bleiben, lebendig sind und in Solidarität verwurzelt."
Leanne Sajor (she/her) is from the Philippines and New York City, with 20 years of experience working with social justice, human rights and transnational feminist spaces. She began organizing with workingclass immigrant families in New York after 9/11, focusing on antimilitarism and immigrant rights which led her to specialize in participatory models for building collective power. She has organized with students, migrant domestic workers, workers in the informal sector, trade unions, and other justice movements globally through coalition building, political education programs, participatory action research projects and policy advocacy campaigns. Currently, she is the Director of Funders for a Just Economy at Neighborhood Funders Group. Leanne is also a Senior Fellow at the Atlantic Institute for Social and Economic Equity at the London School of Economics and Political Science.
Alberto Vasquez Encalada
Co-director, Mad Thinking
Alberto, wie trägt der Aufbau von Macht zur wirtschaftlichen Gerechtigkeit bei?
„Macht aufzubauen ermöglicht wirtschaftliche Gerechtigkeit. Wir können keine Veränderungen in unseren Gemeinden bewirken, wenn wir keine Macht aufbauen und unsere Bewegungen stärken. Nur wenn wir zusammenkommen, gewinnen wir die kollektive Kraft, um ungerechte Systeme in Frage zu stellen, Rechenschaft einzufordern und unsere eigenen Lösungen zu entwickeln. Dies ermöglicht es uns, Strukturen zu verändern, die Ausgrenzung aufrechterhalten, und sicherzustellen, dass unsere Gemeinden mehr Kontrolle über Ressourcen, Chancen und die Entscheidungen haben, die unser Leben prägen – und letztendlich wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit voranzubringen.“
Alberto ist Aktivist für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen mit 20 Jahren Erfahrung im Bereich Behindertenrechte und psychische Gesundheit. Co-Direktor von Mad Thinking, mit Schwerpunkt auf der Stärkung der Organisation von Menschen mit Behinderungen und dem Aufbau von Solidarität zwischen verschiedenen Bewegungen. Er ist Rechtsanwalt mit einem Master-Abschluss in Behindertenrecht und -politik der NUI Galway und war als Berater für verschiedene UN-Organisationen tätig. Er hat in Peru, Lateinamerika und anderen Regionen an Rechtsreformen, der Gestaltung von Politik, der Überwachung der Menschenrechte und der Forschung gearbeitet. Er ist außerdem Gründungsmitglied der RedEsfera Latinoamericana por las Culturas Locas, la Diversidad Psicosocial, la Justicia, el Buen Vivir y el Derecho al Delirio.