Wüstenbildung in Niger

Mit ihren eigenen Händen

Jedes Jahr verliert der Niger 100.000 Hektar fruchtbares Land. Die Robert Bosch Stiftung fördert NGOs in der Region, die Landwirt:innen dabei unterstützen, den Boden wieder nutzbar zu machen.

Text
Katharina Mau
Bilder
Ali Tondi Moctar (Afroto)
Datum
29. April 2022

Mariama Aboubacar hat miterlebt, wie sich ihr Land verändert hat. „Früher gab es mehr Bäume“, sagt sie. Früher, als es in Illéla, einer kleinen Gemeinde im Südwesten Nigers, noch mehr regnete als heute. Aboubacar ist 65, alt genug, um sich an eine Zeit zu erinnern, als die Böden noch nicht so stark von den Folgen der Klimakrise geschädigt waren. Zuletzt aber konnten die Menschen in Illéla auf ihrem Land kaum noch etwas anbauen. „Wir haben uns zusammengetan und sind zum Chef des Dorfs gegangen. Er hat dann mit den lokalen Behörden gesprochen“, erzählt Aboubacar. Daraufhin bekamen die Dorfbewohner:innen Unterstützung: Die NGO World Resources Institute (WRI) organisierte den Austausch mit anderen Landwirt:innen und Behörden – so lernten Aboubacar und ihre Nachbarn bewährte und neue Methoden kennen, um ihr Land wieder aufzubauen.

Mariama Aboubacar
Mariama Aboubacar (65) mit ihrem wichtigsten Werkzeug.

Mehr als 80 Prozent der Menschen in Niger leben von der Landwirtschaft. Doch das wird immer schwieriger. Jedes Jahr verliert das Land etwa 100.000 Hektar fruchtbaren Boden – und seine Bewohner:innen damit die Voraussetzung, ausreichend Nahrungsmittel anzubauen. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Einerseits werden Extremwetterereignisse wie Dürren durch die Klimakrise häufiger. Andererseits laugen Landwirtschaft, Viehhaltung und Abholzung die Böden aus. Es gibt immer weniger Brachen, die Böden können sich nicht mehr erholen.

Um die Entwicklung aufzuhalten, hat Niger sich 2015 verpflichtet, auf einer Fläche von 3,2 Millionen Hektar Land wieder fruchtbar zu machen – bis zum Jahr 2029. Damit ist Niger Teil der African Forest Landscape Restoration Initiative (AFR100). Sie umfasst 32 Länder, die zugesagt haben, bis 2030 insgesamt 128 Millionen Hektar Land zu regenerieren – dies entspricht einer Fläche, die mehr als dreimal so groß ist wie Deutschland.

Wassergräben im Niger
Gräser im Niger
Die Gräben sollen Regenwasser auffangen und so eine Bewirtschaftung des Landes wieder möglich machen.

Es braucht die Beteiligung aller

In Illéla unterstützt die Robert Bosch Stiftung ein Projekt des WRI, eines der Hauptpartner von AFR100. Die Organisation arbeitet vor Ort mit der lokalen Bevölkerung und Verwaltung zusammen – und mit Wissenschaftler:innen, die die Region kennen. Das Projekt baut auf Techniken auf, die die Menschen in ihrer Heimat seit jeher verwenden, um den Boden vor weiterer Landdegradation (dem Verlust von Fruchtbarkeit und Produktivität) zu schützen und bereits degradierten Boden wieder aufzubauen. Die Landwirt:innen graben zum Beispiel mit Pflügen kleine Gräben in den Boden, um Regenwasser aufzufangen. Begrenzungen aus Steinen verhindern, dass die fruchtbare Krume mit dem ablaufenden Regenwasser weggeschwemmt wird.

Community Meeting im Niger
Kommunikation und Beteiligung sind genauso wichtig wie Feldarbeit: Hier besprechen ein Experte des WRI und eine Dorfgemeinde bei Illéla das weitere Vorgehen.

Für die nächste Generation

Kamayé de Batodi hat sich schon als Kind die Techniken seiner Onkel abgeschaut. „Wir haben zusammen auf dem Feld gearbeitet, und wir Jüngeren haben den ganzen Tag beobachtet, was die Älteren machen.“ Heute hat de Batodi sein eigenes Feld. Wenn darauf Bäumchen sprießen, gräbt er rundherum Löcher in den Boden – so wie er es einst bei seinen Verwandten gesehen hat. Die füllen sich mit Regenwasser, das der Baum nach und nach aufnehmen kann. Die Bäume schützen seine Felder vor Wind und Wetter – und spenden Schatten, in dem man sich von der Feldarbeit erholen kann. Nach der Schule begleitet das ältere von de Batodis beiden Kindern ihn manchmal aufs Feld – damit das Wissen auch in dieser Generation nicht verloren geht.

Lokale Lösungen für globale Probleme

Obwohl der Globale Norden Hauptverursacher der Klimakrise ist, leiden die Menschen im Globalen Süden am stärksten unter ihren Folgen. In Ländern wie Niger müssen sich die Menschen schon jetzt an stark veränderte Bedingungen anpassen. Der Weltklimarat (IPCC) betont in seinem neuesten Bericht, wie wichtig es ist, bei der Anpassung das Wissen und die Erfahrung der lokalen Bevölkerung miteinzubeziehen. Nur so lässt sich verhindern, dass zum Beispiel Regierungen Maßnahmen planen, die den Menschen vor Ort oder bestimmten benachteiligten Gruppen nicht zugutekommen.

Blick in den Himmel, Niger
Ibrahim Abdoulaye aus dem Niger
Was bringt die Zukunft? Der Landwirt Ibrahim Abdoulaye (re.) kann von seinem Stück Land nun seine Familie ernähren.

In Illéla waren es die Menschen selbst, die die Veränderungen der Umwelt beobachteten und lernen wollten, wie sie die Bewirtschaftung des Landes an die Folgen des Klimawandels anpassen können. Die Ergebnisse sind ermutigend: Tahirou Amadou, der Leiter der Renaturierungsarbeiten in Beidi, im Bezirk Illéla, berichtet, dass die Menschen in Illéla den Ertrag der Hirse verdoppeln oder sogar verdreifachen konnten. „Ich habe wieder mehr Ertrag als vor dem Projekt“, sagt Landwirt Ibrahim Abdoulaye. Er baut Baumwolle an und zusätzlich Kohl, Wassermelonen und Zwiebeln. „Ich bin nicht mehr gezwungen, wegzuziehen, um meine Familie zu ernähren“, sagt Abdoulaye. „Durch die Arbeit auf meinem Feld kann ich heute gut für sie sorgen.“

„Es sind die Menschen vor Ort, die direkt von den Konsequenzen der Landdegradation betroffen sind“, sagt Yacouba Seybou vom Ministerium für Umwelt und den Kampf gegen die Wüstenbildung in Niger. „Deshalb war es uns von Anfang an wichtig, dass die Bevölkerung den Wiederaufbau und die Wiederbelebung der Böden selbst in die Hand nehmen kann.“

Zur Orientierung

Westafrika

Illéla liegt im Südwesten des Nigers. Das Reporter:innen-Team der Robert Bosch Stiftung brauchte mehr als zehn Stunden, um den Ort von der Hauptstadt Niamey aus mit zwei Jeeps des Forstamts zu erreichen. Das Frühjahr ist die heißeste Jahreszeit – tagsüber hatte es selten weniger als 45 Grad Celsius.

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Über das Projekt

African Forest Landscape Restoration Initiative

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Die Wiederherstellung von Waldlandschaften als wichtige Kohlenstoffspeicher unseres Planeten ist für unseren Kampf gegen den Klimawandel und die Stärkung von Klimaresilienz von entscheidender Bedeutung. Der politische Wille, sich des Themas anzunehmen, wächst: Die African Forest Landscape Restoration Initiative (AFR100) umfasst 32 Länder, die zugesagt haben, bis 2030 insgesamt 128 Millionen Hektar Land aufzuforsten – eine Fläche mehr als dreimal so groß wie Deutschland. Nun müssen diese nationalen Zusagen in Restaurationserfolge vor Ort verwandelt werden. Wir unterstützen das World Resources Institute (WRI), eines der Hauptpartner der AFR100, darin, Restauration in zwei Schlüsselregionen, Makueni in Kenia und Illéla in Niger, voranzutreiben und entlang von Gerechtigkeitsprinzipien neu zu denken.

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