Klimaaktivismus

Mein persönliches Klimaziel

Klimaaktivist:innen aus Afrika erleben die Folgen des Klimawandels auf dem Kontinent bereits heute unmittelbar. Wir fragten fünf von ihnen, was sie sich von der Weltklimakonferenz COP27 erwarten – und welches Klimaziel sie persönlich erreichen wollen.

Text
Mia Raben
Illustrationen
Laura Breiling
Datum
24. Oktober 2022

„Ich will mitentscheiden!“

Illustration von Esther Nyamekye Opoku
Esther Nyamekye Opoku, 24, eine Aktivistin aus Ghana, kämpft schon seit ihrer Kindheit gegen den Klimawandel. Sie engagiert sich im „Climate Youth Negotiator Programme“, das von der Robert Bosch Stiftung gefördert wird.

„Ich war schon als kleines Kind viel in der Natur unterwegs. Meine Mutter war in der Kommune Wa in Nord-Ghana die Beauftragte für Umwelt und Gesundheit. Gemeinsam haben wir viele Bäume gezogen und diese, sobald sie etwas gewachsen waren, an die Familien unserer Gemeinde verschenkt. Mit dem Pflanzen vieler Bäume kann die weitere Austrocknung und Erosion des Bodens verhindert werden – das Land bleibt fruchtbar. In der Schule erzählte ich meinen Mitschüler:innen von unserer Arbeit. Und auch sie kamen mit ihren Familien, um Bäume abzuholen – und nach und nach konnten wir so einen kleinen Teil des Landes wieder aufforsten. Leider werden in Ghana aber bis heute viele Bäume gefällt, um Brennholz zum Kochen und für andere Einsatzwecke im Haushalt und in der Industrie zu gewinnen. Das Problem ist, dass viele Menschen nicht wissen, dass Abholzung zum Klimawandel beiträgt. Dagegen hilft nur Aufklärung. Ich habe deshalb viele ‚Ökoklubs‘ an Schulen ins Leben gerufen, um mit Kindern im Alter von zehn bis 15 Jahren über das Leben in Zeiten der Klimakrise zu reden. Zum Beispiel sage ich ihnen, dass sie keine Einmalverpackungen aus Plastik benutzen und später niemals Bäume fällen sollen. Ich erkläre ihnen auch, dass die steigende Arbeitslosigkeit ebenfalls mit der Klimakrise zu tun hat. Wenn es nicht regnet, geht die Saat kaputt, und die Landwirt:innen haben keine Ernte. Also brauchen sie keine Arbeiter:innen und keine Fahrer:innen, die ihre Ware zum Markt fahren. Und so geht es immer weiter. Beim ‚Green Ghana Day‘, einer landesweiten Pflanzaktion, habe ich gesehen, dass die jungen Leute in meinem Land wirklich etwas bewegen wollen. Wir waren so viele. Das macht mir Hoffnung. 

Um diese Energie zu nutzen, muss der Klimasektor mehr sinnvolle Unterstützung und Möglichkeiten für gefährdete und unterrepräsentierte Gruppen wie Frauen und Jugendliche, die in ländlichen Gemeinden leben, anbieten. Deshalb freue ich mich auch so sehr darauf, mit der Delegation meines Landes zur COP27 zu reisen. Ich möchte als junge Stimme gehört werden und mitverhandeln. Denn ich weiß, wovon ich rede.“

„Soziale Folgen des Klimawandels bekämpfen“

Illustration von Leonida Odongo
Leonida Odongo aus Kenia fördert mit ihrer Initiative „Haki Nawiri Africa“ soziale Gerechtigkeit, verbindet Klima-Communitys in Kenia und ist Mitglied der „Climate Action Group“ der Alliance for Food Sovereignty Africa (AFSA).

„Ich bin Community-Trainerin und engagiere mich für das Klima. Allein in diesem Jahr habe ich schon mit 31 verschiedenen Gruppen gearbeitet. Mit unserer Initiative ‚Haki Nawiri‘, die von der AFSA unterstützt wird, wollen wir die kenianische Bevölkerung dazu bringen, endlich gemeinsam zu handeln. Durch Formate wie Workshops bringen wir Menschen in sogenannten Frontline Communities zusammen, die vom Klimawandel besonders betroffen sind. Dafür ist es notwendig, dass die Menschen die konkreten Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Leben verstehen und überlegen, was sie dagegen tun können. Dessen Folgen sehe ich jede Woche, wenn ich durchs Land reise, zum Beispiel am Viktoriasee. Da sich das Wasser im See stark erwärmt hat und verschmutzt ist, gibt es immer weniger Fische. Die Fischer – traditionell wird der Beruf von Männern ausgeübt – reisen den Schwärmen hinterher. Und auch die Frauen, die traditionell für den Verkauf der Fische zuständig sind, sind ebenfalls von den schwindenden Fischbeständen betroffen. Um ein Einkommen zu haben, müssen sie sicherstellen, dass die Fischer den Fang wirklich an sie weitergeben. Deshalb bieten viele Frauen im Austausch auch sexuelle Leistungen an. Diese Form von Prostitution, unter der die Frauen sehr leiden, ist eine direkte Folge des Klimawandels. Das Phänomen ist lokal als ‚Jaboya‘ bekannt.

Zur COP27 erwarte ich von den Industriestaaten, dass sie endlich zuhören, was der Klimawandel alles Schreckliches auslöst, und dagegen etwas unternehmen. Wir wollen endlich Taten sehen. Wir erwarten von den Industrienationen, dass sie uns jetzt technische Lösungen liefern, um die von ihnen verursachten Probleme auf unserem Kontinent zu lösen, zum Beispiel moderne Bewässerungsanlagen, mit denen das wenige Wasser effektiv direkt an die Wurzeln gebracht wird. Landwirtschaft wäre dann weiterhin möglich. Das wäre ein winziger Beitrag für ein riesiges Problem – den Klimawandel –, den der Globale Norden beinahe allein verursacht hat.“

„Fruchtbares Land für den Frieden“

Illustration von Adenika Oladosu
Adenike Oladosu, 28, Klimaaktivistin aus Nigeria, erklärt Kindern in ihrer Heimat, was Klimawandel konkret bedeutet – und was man dagegen tun kann.

„Was der Klimawandel konkret bedeutet, habe ich im Jahr 2015 hautnah bei mir auf dem Campus miterlebt. Ich studierte an der Universität für Landwirtschaft im nigerianischen Makurdi. Das ist die Hauptstadt des Bundesstaates Benue, der auch als ,Brotkorb der Nation‘ bezeichnet wird. Aufgrund des Klimawandels gibt es hier immer weniger fruchtbares Land, um das Landwirte und Viehhirten streiten. Während einer besonders schlimmen Dürre flohen immer mehr Menschen und kamen auf das Gelände der Universität. Täglich wurden es mehr, das Wasser wurde knapp. Damals konnten wir Studierende auf drastische Weise lernen, dass Klimawandel eben nicht nur eine ökologische Katastrophe ist, sondern direkt zu sozialen Verwerfungen, Gewalt und Kriminalität führt. Die meisten Menschen in Nigeria kennen diesen Zusammenhang nicht. Wenn du nicht einmal weißt, warum ein Problem besteht, findest du auch keine Lösungen. Damals habe ich beschlossen, Pädagogin zu werden. 2018 machte ich meinen Abschluss an der Uni. Seither erkläre ich Kindern und Jugendlichen, wie zum Beispiel Dürren zu Konflikten führen. Was mir Hoffnung gibt, ist die Erkenntnis: Wenn du einen Menschen aufklärst, klärst du viele Menschen auf. Das Kind geht los und erzählt es seinen Eltern und seinen Freund:innen. So wächst das Bewusstsein in der Bevölkerung dafür, dass wir für den Frieden die Fruchtbarkeit unseres Landes erhalten müssen. Dazu brauchen wir entsprechende Ressourcen und eine dauerhafte Finanzierung, zum Beispiel für organischen Dünger und einheimische Setzlinge.

Oft denke ich mir, dass Vertreter:innen der reichen Länder im Globalen Norden diesen einfachen Zusammenhang auch noch lernen müssen. Im Jahr 2009 beim Klimagipfel in Kopenhagen wurde vereinbart, dass die reichen Länder spätestens ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar für die ärmsten Länder bereitstellen müssen, damit sie sich gegen die Effekte der Erderwärmung wappnen können. Im Jahr 2019 waren es aber nur 80 Milliarden Dollar. Ich will keine Versprechungen mehr hören. Ich will Taten sehen.“

„Meine klimasmarte Farm“

Illustration von Yokateme Tii-kuzu
Yokateme Tii-kuzu, 31, Agrarunternehmer in Kolo Fuma, Demokratische Republik Kongo, gibt sein Wissen als Coach und Speaker im Global Landscapes Forum (GLF) weiter.

„Die COP27 ist für mich sehr weit weg. Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass diese Konferenz für mich einen großen Unterschied machen wird. Ich setze auf die Jugend bei uns im Land und auf der ganzen Welt. Die jungen Leute spüren die Folgen des Klimawandels jeden Tag und wissen, dass ihre Zukunft dadurch bestimmt wird – also werden wir auch etwas dagegen tun, so wie ich. Ich setze auf meine eigenen Lösungen und will das Leben der Menschen positiv beeinflussen. Nach meinem Agrarstudium in Südafrika bin ich deshalb in meine Heimat zurückgekehrt, in die Demokratische Republik Kongo, und habe meine eigene Firma gegründet. Sie heißt ,MabeleAgric‘. Mabele bedeutet ‚Erde‘ auf Lingala. Der Start war nicht einfach: Wir hatten begrenzte Investitionen und keine Vertriebskanäle. Und als ich im Herbst 2018 anfing, einheimisches Gemüse zu säen, habe ich die komplette Saat verloren. Der Oktoberregen kam einfach nicht. Die Wasserpumpe war kaputt, die Reserven leer. Ich habe damals erkannt, dass ich meine Bewirtschaftung klimasmart weiterentwickeln muss. Dafür braucht man in erster Linie intelligente Bewässerungssysteme, die das wenige Wasser ohne Verluste verteilen. Außerdem müssen wir uns unabhängig machen von importiertem Saatgut und Dünger. Dafür brauche ich noch Investoren und mehr Erfahrung, aber ich bin fest entschlossen und zuversichtlich. Denn aus meiner Sicht ist Afrika am allerbesten geeignet, dem Klimawandel zu begegnen, weil unser Kontinent noch so wenig industrialisiert ist. Wir sind noch sehr nah an der Erde dran. Als ich das begriffen hatte, hat mir das wahnsinnig viel Energie gegeben. Wir müssen als Vorbilder vorangehen. Die Jugend muss bei uns Landwirt:innen sehen, wie das funktionieren kann. Das motiviert mich jeden Tag.“

„Wir brauchen effektive Flutwarnsysteme“

Illustration von Chido Cleopatra Mpemba
Chido Cleopatra Mpemba, 34, aus Simbabwe arbeitete in mehreren afrikanischen Ländern im Bankensektor und engagiert sich als Klimaaktivistin. Seit 2021 ist sie Jugendvertreterin der Afrikanischen Union (AU) und wird in dieser Funktion zur COP27 reisen.

„In meinem Beruf als Bankerin in Simbabwe war ich für Risikobewertung zuständig. Der Job gefiel mir gut, weil ich mich schnell und tief in komplexe ökonomische Sachverhalte einarbeiten musste und Daten analysieren konnte. Im März 2017 kam es zu starken Regenfällen. Das ist in dieser Jahreszeit nichts Ungewöhnliches. Aber weil die Böden stark ausgetrocknet waren und durch Erosion beschädigt, konnte das Wasser nicht versickern und verursachte eine Jahrhundertflut in Simbabwe. Mehr als 250 Menschen starben. Für mich als Risikoanalystin war das erschreckend, weil wir die Gefahr nicht hatten kommen sehen. Und ich habe in der Bank hautnah miterlebt, wie die Menschen unter den Folgen der Flut litten: Viele Existenzen wurden zerstört. Vor allem junge Menschen, die ihr Studium über einen Kredit finanzierten, konnten diesen oft nicht zurückzahlen und landeten in der Schuldenfalle. 

In der Folge mussten viele junge Menschen ins Ausland migrieren. Ich fand das unfassbar frustrierend, weil wir die nächste Generation brauchen, um den Klimawandel endlich effektiv zu bekämpfen. In meiner Arbeit als Jugendvertreterin der Afrikanischen Union merke ich, wie sich die jungen Menschen engagieren wollen. Es gibt so viele Beispiele: Schüler:innen etwa, die bei großflächigen Wiederaufforstungsaktionen mithelfen. Gepflanzt werden dabei Bäume, die auch Nahrungsmittel liefern, wie Orangenbäume oder der Meerrettichbaum Moringa. Allerdings werden diese Maßnahmen die Situation erst in mehreren Jahren verbessern. Wir brauchen schon jetzt Hilfe – etwa in Form von effizienten und smarten Flutwarnsystemen. Ich fahre zur COP27, um der afrikanischen Jugend eine Stimme zu geben und von unserem täglichen Kampf gegen die Folgen des Klimawandels zu berichten. Meine größte Furcht ist, dass es wieder nur bei Reden und vagen Zusagen bleibt. Meine Hoffnung: dass wir endlich ernst genommen werden.“ 

Über das Projekt

Climate Youth Negotiator Programme

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Indigene Gruppen, lokale Gemeinschaften, Frauen und junge Menschen sind am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen – und haben bisher zu wenig Mitsprachemöglichkeiten. Die Robert Bosch Stiftung unterstützt die „Climate Youth Negotiators“ aus Subsahara-Afrika, die es jungen Menschen ermöglicht, als Verhandler:innen im Auftrag ihrer jeweiligen Länder an der COP27 teilzunehmen und die Interessen ihrer Generation auf der globalen Bühne zu vertreten. 

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Über das Projekt

Global Landscapes Forum 

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Wir fördern das Global Landscapes Forum (GLF) bei der Unterstützung lokaler Initiativen, die sich aktiv für die Wiederherstellung degradierter Trockengebiete und anderer Landschaften in Subsahara-Afrika einsetzen, voneinander lernen und gemeinsam handeln wollen. Das GLFx-Netzwerk ermöglicht es den einzelnen Initiativen, Wissen auszutauschen, mit Expert:innen weltweit zusammenzuarbeiten und mit ihren Projekten auf internationaler Ebene sichtbar zu werden. Sie stellt die Stärkung marginalisierter Gruppen in den Mittelpunkt, insbesondere von Frauen, jungen Menschen sowie ländlichen und indigenen Gemeinschaften.
 

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Das Dossier zum Thema
UN-Klimakonferenz COP27

Wie Menschen in Afrika gegen die Folgen des Klimawandels kämpfen

Die Klimawandelfolgen sind bereits spürbar. Wir geben unterrepräsentierten Gruppen in Afrika eine Stimme.
24. Oktober 2022
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Globale Fragen

Klimawandel

Wie können durch eine gerechte Transformation der Landnutzung Leben und Lebensgrundlagen erhalten werden?