Gastbeitrag

„Schulen müssen sich auf die stetige Veränderung vorbereiten …“

… und dabei benötigen sie Unterstützung, argumentiert Karin Prien, Präsidentin der Kultusministerkonferenz. In ihrem Gastbeitrag erklärt sie, wie sich das deutsche Bildungssystem in Zukunft verändern muss – und welche Rolle dabei Initiativen wie der Deutsche Schulpreis spielen.

Text
Karin Prien
Bilder
Fotofinder.com, Frank Peter
Datum
12. September 2022

Unsere Gesellschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess, der von hoher Geschwindigkeit geprägt ist. Die Digitalisierung, das Engagement für Klimaneutralität und der demografische Wandel erfordern grundlegende Veränderungen in allen Lebensbereichen. Diese gehen über einen rein technischen Fortschritt hinaus und führen zu einem breit angelegten kulturellen und gesellschaftlichen Wandel. Die Veränderungsdynamik wurde durch die Pandemie, den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Folgen für die Energieversorgung noch einmal deutlich beschleunigt. Auch das Lehren und das Lernen verändern sich. Es ist die Aufgabe von Schule, Kinder und Jugendliche auf ein selbstbestimmtes Leben in einer sich wandelnden digitalen Gesellschaft vorzubereiten.

Welche Zukunftskompetenzen und Fähigkeiten sind notwendig, um in der digitalen Welt bestehen zu können? Welche Lernprozesse werden benötigt? Wie stärken wir die Resilienz von Kindern und Jugendlichen, damit sie Krisen besser bewältigen und sie sogar als Chance begreifen? Die Bedeutung einer stabilen psychischen Gesundheit ist gerade in dieser Zeit deutlich geworden.

Die Kompetenzen, die für Teilhabe, Mitwirkung, Gestaltung und schließlich den Erfolg in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz des 21. Jahrhunderts relevant sind, umfassen zahlreiche Fähigkeiten und erfordern eine hohe Lernbereitschaft.

  • Im Bereich der Lern- und Innovationsfähigkeiten kommt es auf kritisches Denken und Problemlösung, Kommunikation und Zusammenarbeit, Kreativität und Innovation an.
  • Zur Ausprägung dieser Kompetenzen sind lebenslanges Lernen und ein Umgang mit der schnelllebigen technischen Entwicklung, fachübergreifende Medienkompetenzen, informatische Kompetenzen, aber auch fachspezifisch spezielle IT-Kompetenzen erforderlich (digitale Kompetenz).
  • Dazu kommen Berufs- und Lebenskompetenzen: Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, Initiative und Selbststeuerung, soziale und interkulturelle Interaktion, Produktivität und Verantwortungsbewusstsein.

Viele dieser Fähigkeiten werden auch als Schlüsseleigenschaften einer Bildung für das 21. Jahrhundert bezeichnet. Um diese Kompetenzen zu vermitteln, müssen wir unsere Bildungssysteme von der vorschulischen Bildung bis zu den weiterführenden Schulen und den Hochschulen weiterentwickeln und junge Menschen auf eine lebenslange Lernbereitschaft vorbereiten.

Der digitale Pioniergeist ist gewachsen

Unsere Bildungssysteme brauchen eine Kultur der Digitalität. Es geht darum, analoge Lehr-Lern-Szenarien und methodisches Lernen gezielt mit digitalen Verfahren und Methoden anzureichern und so die Verbindung der Kompetenzbereiche zu erreichen.

Der Pioniergeist ist in den letzten Jahren und Monaten in der Nutzung der digitalen Möglichkeiten gewachsen. Das zeigt auch der Deutsche Schulpreis. Er zeichnet Schulen aus, die durch ihre pädagogische Innovationskraft überzeugen.

Die sechs Qualitätsbereiche, die von der Jury begutachtet werden, haben sich inzwischen zu allgemein anerkannten Kennzeichen für gute Schulqualität entwickelt. Ich finde es ermutigend, dass die Konzepte der Preisträgerschulen allen Schulen zugänglich gemacht werden und die Schulen für einen gezielten Austausch zur Verfügung stehen.

Ich bin den Stiftungen für ihr Engagement sehr dankbar. Um die Innovationskraft und -fähigkeit unseres Bildungssystems nachhaltig zu stärken, brauchen wir alle Akteure an Bord. Deshalb stehen wir bei der Weiterentwicklung von Schule auch im engen Dialog mit den Universitäten und den unterschiedlichen Forschungseinrichtungen.

Wissenschaft braucht den Dialog mit der Schulpraxis

Es muss sichergestellt werden, dass die Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Forschung Eingang in die schulische Praxis finden, um dadurch Schulen in ihrem Transformationsprozess zu einer Schule der Zukunft zu unterstützen.

Um die Bedarfe der Schulpraxis zu berücksichtigen, ist es bedeutsam, dass auch die Schulpraktiker:innen in Forschungsvorhaben eingebunden sind. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können im Dialog mit den Lehrkräften ihre Konzepte in den Schulen erproben und gemeinsam feststellen, was in der Praxis funktioniert. Nur so können Forschungsergebnisse mit Relevanz generiert und für die Weiterentwicklung nutzbar gemacht werden.

„Eine erfolgreiche Bildungspolitik gestalten wir längerfristiger als in den bekannten politischen Perioden von vier oder fünf Jahren.“

Zitat vonKarin Prien
Zitat vonKarin Prien

Hierbei unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Länder durch den Aufbau von „Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten in Schule und Weiterbildung“. Dabei handelt es sich um ein umfassendes Forschungs-, Innovations- und Transferprojekt. Ziel ist es, in Kooperation mit den Ländern eine verbesserte digitalisierungsbezogene Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften zu erreichen.

Eine erfolgreiche Bildungspolitik gestalten wir längerfristiger als in den bekannten politischen Perioden von vier oder fünf Jahren. Dabei sollten wir uns darauf konzentrieren, was uns wirklich nach vorne bringt: gut ausgebildete Lehrkräfte, die Expertinnen und Experten für die Gestaltung von Lernprozessen sind; Lehrkräfte, die als Vorbilder für ihre Schülerinnen und Schüler dienen.

Denn der Mensch steht auch in Zukunft im Mittelpunkt guter Bildung.

Zur Person

Karin Prien

Die Juristin arbeitete ab 1994 als Rechtsanwältin in Hamburg, Leipzig und Hannover. 2011 wurde sie Mitglied in der Hamburger Bürgerschaft und war Fachsprecherin Wirtschaft und Schule. Seit 2017 ist die CDU-Politikerin Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein und hat Anfang 2022 turnusgemäß die Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz (KMK) übernommen.

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