Interkulturelle Öffnung in Thüringer Kommunen

Thüringen hat seit Jahren eine rückläufige Bevölkerung, wobei sich der Rückgang des Anteils der Erwerbspersonen in den nächsten Jahren nochmals beschleunigen wird. Ursachen dieser demographischen Entwicklung sind neben der Alterung der Gesellschaft vor allem die Abwanderung von Fachkräften, darunter zahlreichen Menschen mit Migrationsgeschichte. Nicht selten werden negative Erfahrungen mit Behörden und eine fehlende Willkommens- und Anerkennungskultur als Gründe genannt.  

Diesen Entwicklungen wollen wir begegnen, indem wir interkulturelle Öffnungsprozesse in Behörden anstoßen und begleiten. Nach mehrjähriger Akquisearbeit, gefördert durch die Thüringer Landesregierung und umgesetzt vom Thüringer Zentrum für Interkulturelle Öffnung, haben sich vier Kommunalverwaltungen für diversitätsorientierte Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen entschieden: die Stadtverwaltung Weimar, die Stadtverwaltung Altenburg, das Landratsamt Altenburger Land und das Landratsamt Gotha.  

Von der Stärkung der interkulturellen Handlungskompetenz und dem Abbau diskriminierender Strukturen profitieren nicht zuletzt die Verwaltungen selbst, da sie als Arbeitgeber:innen attraktiver und in ihrem Profil gestärkt werden. Auch die Migrantenorganisationen in den Regionen sollen in diese Prozesse einbezogen werden, indem ihre Bedarfe ermittelt und Austauschformate zwischen den migrantischen Communities und den Behörden erprobt werden.

Unter Zukunftsfähigkeit verstehen wir, dass die Kommunalverwaltungen über die notwendigen interkulturellen und kommunikativen Kompetenzen verfügen, um mit der erhöhten Komplexität ihrer Aufgaben produktiv umgehen zu können. Entsprechend zielen unsere Maßnahmen für Mitarbeitende und Führungskräfte in Behörden darauf ab

• die Handlungssicherheit in interkulturellen Situationen zu fördern,
• Konfliktlösungskompetenzen zu stärken,
• Vorurteile gegenüber Zugewanderten abzubauen,
• die Selbstwirksamkeit und damit die Motivation der Mitarbeitenden zu stärken
• die Kommunikation zwischen den Verwaltungen und Zugewanderten zu verbessern.

Parallel dazu sollen die Bedarfe der Migrantenorganisationen vor Ort, die sie im Kontakt mit der Verwaltung haben, erhoben werden und in die Konzeption der Maßnahmen einfließen. Geplant ist ebenfalls ein Austausch zwischen Migrantenorganisationen und den Verwaltungen. So sollen die Kommunen in der Lage sein, auch für
(Neu-)Zugewanderte attraktive Bleibeperspektiven entwickeln zu können. Ein mittel- bis langfristiges Ziel ist es, den Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte in den Kommunalverwaltungen zu erhöhen.

Im ersten Schritt werden gemeinsam mit den Akteur:innen vor Ort – also Verwaltungen und Migrantenorganisationen – Problemfelder identifiziert. Im zweiten Schritt werden passgenaue Trainings und Beratungen durchgeführt, beispielsweise zu Einfacher Sprache, zum Umgang mit schwierigen Situationen, aber auch zu Herausforderungen, die in der Organisationsstruktur begründet sind. Entscheidend dabei ist, den Prozess gemeinsam mit den Mitarbeitenden der Behörde zu gestalten und dabei auch Zweifel und Ängste der Belegschaft ernst zu nehmen. Das Projekt lässt zudem die Bedarfe und Perspektiven von Zugewanderten einfließen.  

Um eine nachhaltige Veränderung der Organisationskulturen zu erreichen, ist eine professionelle Begleitung des Prozesses mit ganzheitlichem Blick auf Personalentwicklung und Kommunikation in den beteiligten Verwaltungen notwendig. Aus diesem Grund ist die Projektdauer auf mindestens 20 Monate, also bis Ende 2025 angelegt. Eine Weiterführung wird angestrebt.

Das Projekt kooperiert mit dem vom Freistaat Thüringen geförderten Thüringer Zentrum für Interkulturelle Öffnung, das seit 2019 das Thema Interkulturelle Öffnung an Thüringer Verwaltungen heranträgt. Zudem kann das Projekt auf Erfahrungen aufbauen, die in einem vom Freistaat geförderten Modellprojekt aus den Jahren 2021/22 gewonnen wurden. Dieses Modellprojekt hat die besondere Bedeutung eines partizipativen Prozesses bestätigt, der mögliche Widerstände der Belegschaft adressieren und der ihre Akzeptanz für die externen Veränderungsimpulse deutlich steigern konnte.