Zwei Jahre Ukraine-Krieg

Was wird aus unserem Ukraine-Engagement?

Am 24. Februar 2024 jährt sich der Beginn des großflächigen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zum zweiten Mal und leider ist kein Ende in Sicht. Das Land braucht weiterhin unsere Unterstützung, deshalb hat die Robert Bosch Stiftung sich zu einem neuen Vorgehen entschieden.

Text
Eva Bolta
Bilder
Anastasia Vlasova
Datum
21. Februar 2024
Lesezeit
5 Min.
500 Tsd.Militärangehörige getötet oder verletzt*

Angesichts der schrecklichen Ereignisse im Nahen Osten und der innenpolitischen Lage in Deutschland ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine medial in den Hintergrund gerückt. Aber der Krieg geht unvermindert weiter. Zuletzt hat es wieder verstärkte Drohnenangriffe auf Kiew, Charkiw und weitere Städte gegeben. Die militärische Situation ist schwierig, der Ausgang des Krieges aktuell völlig offen. Die Ukraine benötigt daher weiterhin jede Art von Unterstützung.

Zwei Jahre lang hat die Robert Bosch Stiftung Sondermittel zur Verfügung gestellt. Nun ist die Grundsatzentscheidung gefallen: Wir werden das Ukraine-Engagement verstetigen und einen mittelfristigen Beitrag zur Stärkung der ukrainischen Zivilgesellschaft leisten.  

Ein Rückblick: Wie sah unser Engagement bisher aus?

Kurz nach Beginn des umfassenden russischen Angriffskrieges am 24. Februar 2022 hat die Robert Bosch Stiftung Mittel in Höhe von 4,5 Mio. für humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt. Um möglichst schnell und großflächig zu helfen, wurden gemeinsam mit unterschiedlichen Partner:innen insgesamt 40 Projekte gefördert.

2023 wurden noch einmal 4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, nun aber mit einem anderen Ansatz: Um eine längerfristige Fortführung der Förderung zu ermöglichen, sollten die Projekte enger mit unseren etablierten Themen verknüpft werden. So konnten 13 Vorhaben gefördert werden, zum Teil fortgeführt aus der Förderung von 2022, andere wurden neu gestartet.

„Als europäische Stiftung sehen wir uns in besonderer Verantwortung gegenüber der Ukraine. Wir werden die Ukraine für weitere fünf Jahre in dieser schwierigen Lage unterstützen. Wir wollen die ukrainische Zivilgesellschaft stärken und ihr helfen, einen wirksamen Beitrag zum Wiederaufbau zu leisten.“

Zitat vonOttilie Bälz, Bereichsleiterin Globale Fragen

Worauf konzentrieren wir uns aktuell und in Zukunft?

Aufgrund unserer früheren Fördertätigkeit in Osteuropa verfügen wir über lange Beziehungen in der Ukraine und ein breites Partnernetzwerk vor Ort. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Notlage wird die Robert Bosch Stiftung ihre Förderung in der Ukraine für weitere fünf Jahre fortsetzen. Dabei werden wir den Fokus künftig auf die Stärkung der Zivilgesellschaft legen. Unsere Förderung fließt also nicht in die Erneuerung von Infrastruktur, sondern in die Stärkung des Zusammenhalts in einer Gesellschaft, die traumatisiert ist: Menschen haben im Krieg gekämpft und z.T. verloren, viele sind geflohen, Familien wurden auseinandergerissen.

13 Mio.Menschen auf der Flucht**

Wir unterstützen zivilgesellschaftliche Organisationen, die vor Ort arbeiten – beispielsweise in der Hilfe von Binnenvertriebenen oder in der Entwicklung von Ideen für einen gerechten und klimaresilienten Wiederaufbau. Wir möchten erreichen, dass zivilgesellschaftliche Akteur:innen am Entwurf eines Zukunftsbilds für die ukrainische Gesellschaft beteiligt werden – dies sollte nicht allein staatlichen Stellen vorbehalten bleiben. Aus diesem Grund fördern wir auch die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure an der gemeinsam von der Ukraine und Deutschland in Berlin ausgerichteten Ukraine Recovery Conference (11./12. Juni 2024).

Warum es wichtig ist, jetzt den Wiederaufbau vorzubereiten, obwohl der Krieg noch nicht beendet ist

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Die Vorstellung, Krieg und Wiederaufbau würden schematisch aufeinander folgen, deckt sich nicht mit der Wirklichkeit. Die Menschen in der Ukraine brauchen jetzt eine neue Perspektive, müssen ihr Leben in einem großflächig zerstörten Land miteinander gestalten. Auch befreite Gebiete, in denen der Wiederaufbau schon begonnen hat, können wieder zu Kriegsschauplätzen werden. Deshalb ist ein Nebeneinander von Nothilfe und strategischem Wiederaufbau notwendig. Auch für den großen Wiederaufbau nach Ende des Krieges müssen Vorbereitungen getroffen und Strukturen geschaffen werden. Hierfür stellt die Robert Bosch Stiftung in den kommenden fünf Jahren 20 Millionen Euro bereit.

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Ukrainer:innen müssen gehört werden

Als die Konrad Adenauer Stiftung am 19. Februar 2024 das zweite Cafe Kyiv in Berlin veranstaltete, um mit rund 4.000 Expert:innen, Medienschaffenden und Besucher:innen aus Deutschland, der Ukraine und anderen Ländern über „Die Zukunft der Ukraine in Europa“ zu diskutieren, ermöglichte die Robert Bosch Stiftung 12 Akteurinnen aus der Ukraine die Teilnahme. Gemeinsam mit unserem Partner Commit by MitOst e.V. organisierten sie an diesem Tag vier sehr gut besuchte Veranstaltungen:

  • How we move on (or lose motion) in/out the war (Performance)
  • How we come back (or not) (Diskussion)
  • How we heel (or not) (Diskussion)
  • War against nature (Filmvorführung und Diskussion)

Unsere Partnerinnen machten damit auf Themen aufmerksam, die bislang nur wenig diskutiert und noch weniger in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden: Wann und wie kehren Geflüchtete nach Hause zurück? Wie sehen die Gebliebenen ihre Situation? Wie gelingt es, die Kräfte von ganz unterschiedlichen Gruppen für den Wiederaufbau zu bündeln? Annegret Wulff, Geschäftsführerin von Commit, diskutierte mit ukrainischen Zivil- und Kulturaktivistinnen – und zwar sowohl mit denen, die geblieben sind, als auch mit denen, die zurückgekommen sind. 

„Es ist ungeheuer wichtig, kontroverse Perspektiven sichtbar zu machen. Das sehr emotionale Thema der Rückkehr darf kein Tabuthema werden, das in gegenseitigem Unverständnis und Sprachlosigkeit versinkt.“

Zitat vonAnnegret Wulff, Geschäftsführerin Commit by MitOst e.V.

Im Rahmen des Förderprojekts Vidnova Fellowships betreut Yulia Alenina Rückkehrer:innen aus dem Ausland und insbesondere Veteranen, die von der Front heimkehren. Im Cafe Kyiv fand sie klare Worte: „Veteranen können ihre Erfahrungen nicht an der Front zurücklassen, sie bringen sie mit nach Hause. Aber die Regierung hat keine Ahnung, wie sie ihnen helfen soll.“ Hier kommt die Zivilgesellschaft ins Spiel, indem sie die Veteranen unterstützt, beruflich und gesellschaftlich wieder Fuß zu fassen und ihre Traumata zu verarbeiten. 

Wichtig für den Wiederaufbau ist auch das Thema „Green Recovery“. Dazu zeigten Nina Dyrenko, Wissenschaftlerin und Landschaftsarchitektin, und Darya Pyrogova, Fellow Vidnova Lab, mit ihrem Projekt „30 %“ die Auswirkungen des Krieges auf die Natur: Neben Städten sind auch hunderttausende Hektar Land durch Überflutungen, Kontaminierungen mit Schwermetallen und Landminen zerstört. Durch Videoaufnahmen und Interviews mit Expert:innen haben Darya und Nina eine Diskussion darüber angestoßen, was nach der Rückeroberung dieser Gebiete mit ihnen geschehen soll. Angelehnt an den European Green Deal und an internationale Abkommen zum Biodiversitätsschutz regten sie an, 30 % dieser Gebiete zukünftig zu Naturschutzgebieten zu machen, statt z.B. zerstörte Staudämme wieder aufzubauen oder die Flächen wieder für industrielle Landwirtschaft zu nutzen. So könnte der Krieg zu einer Chance werden, unsere Einstellung zur Natur grundlegend zu verändern, so Darya Pyrogova. 

„Das Café Kyiv hat beeindruckend die Stärke und Vielfalt der ukrainischen Zivilgesellschaft gezeigt. Diese werden wir weiter in ihrer für die Ukraine und Europa so wichtigen Arbeit unterstützen", kommentiert Ottilie Bälz ihren Besuch der Konferenz.

 

*Quelle: New York Times (August 2023)

**Quelle: UNHCR, Statista

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Ukraine-Engagement

Imago/ZUMA Wire
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