Deutsches Schulbarometer 2024

Jede zweite Lehrkraft beobachtet Gewalt an der eigenen Schule

Wie ist die aktuelle Situation an Deutschlands Schulen? Vor welchen Herausforderungen stehen Lehrkräfte? Das Deutsche Schulbarometer – eine repräsentative längsschnittliche Panelstudie – wirft ein Schlaglicht auf die Lage an deutschen Schulen.

Text
Michael Herm/Claudia Hagen
Illustrationen
©Agentur Navos
Datum
24. April 2024

Das Verhalten und die Vielfalt ihrer Schüler:innen stellen Lehrkräfte derzeit vor die größten Herausforderungen. Das sind Ergebnisse der aktuellen Befragung des Deutschen Schulbarometers unter Lehrkräften an deutschen Schulen. Fast jede zweite Lehrkraft sieht an der eigenen Schule ein Problem mit psychischer oder physischer Gewalt unter Schüler:innen. Besonders betroffen sind dabei Schulen in sozial benachteiligter Lage. Gewalt an der eigenen Schule erhöht das Burnout- und Stressrisiko von Lehrkräften deutlich, wie die Befragung ergab. Mehr als jede dritte Lehrkraft fühlt sich mehrmals pro Woche emotional erschöpft, das sagen vor allem jüngere und weibliche Lehrkräfte sowie Grundschullehrer:innen. 

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In der Folge sehen mehr als zwei Drittel der Lehrkräfte in sozialen Kompetenzen wie Empathie und Eigenverantwortung die wichtigsten Fähigkeiten, die Schule heute Kindern und Jugendlichen vermitteln muss, um sie aufs Leben vorzubereiten. Die Vermittlung von gesellschaftlichen Werten wie Toleranz, Respekt und Demokratiefähigkeit hält fast ein weiteres Drittel für zukunftsrelevant. 

Auch die wachsende Heterogenität ihrer Schülerschaft stellt Lehrkräfte vor Herausforderungen. Auf einen inklusiven Unterricht sehen sich Lehrkräfte nicht gut vorbereitet und fühlen sich auch im schulischen Alltag damit überfordert. Die Hälfte sieht Inklusion eher kritisch. Es zeigt sich aber auch: Je besser Lehrkräfte für einen inklusiven Unterricht qualifiziert werden, desto positiver stehen sie ihm gegenüber.

„Wir sehen in den Ergebnissen die Momentaufnahme eines kranken Systems.“

Zitat vonDr. Dagmar Wolf, Leiterin des Bereichs Bildung der Robert Bosch Stiftung

„Lehrer:innen müssen seit langem die Folgen des massiven Personalmangels ausgleichen und immer neue Belastungen bewältigen," so Dagmar Wolf. „Das führt dazu, dass bereits Berufseinsteiger:innen den Schuldienst gar nicht erst antreten oder schnell wieder verlassen wollen. Die einen, weil sie dem Druck nicht standhalten, die anderen, weil sie immer wieder an Grenzen stoßen und den Kindern und Jugendlichen nicht so helfen können, wie sie es sich vorgestellt haben. Das berufliche Wohlbefinden wird in Zukunft enorm wichtig sein, um Lehrer:innen an den Schulen zu halten und den Beruf für junge Menschen wieder attraktiver zu machen.“

Zu den Ergebnissen

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Lesen Sie die den Forschungsbericht des aktuellen Deutschen Schulbarometers mit den detaillierten Ergebnissen und Handlungsempfehlungen.   

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Dringendster Handlungsbedarf an der eigenen Schule: Personalmangel und marode Schulgebäude 

Auf die Frage nach dem dringendsten Handlungsbedarf an der eigenen Schule nennen die Befragten an erster Stelle die Behebung des Personalmangels, dicht gefolgt von Investitionen in marode Schulgebäude und in die technische und digitale Ausstattung. Vor allem Lehrkräfte an Grundschulen sehen im Personalmangel das größte Problem. 

Die Ergebnisse zeigen aber auch: Trotz der Herausforderungen ist die große Mehrheit der Lehrer:innen mit ihrem Beruf zufrieden. Alarmierend ist jedoch, dass jede vierte Lehrkraft den Schuldienst verlassen würde, wenn sie die Möglichkeit dazu hätte. 

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Lehrkräfte bekommen kaum Rückmeldung zur eigenen Arbeit

Zum ersten Mal beleuchtet das Deutsche Schulbarometer auch die Fortbildungen im deutschen Schulsystem und vergleicht die Ergebnisse mit der internationalen TALIS-Studie (Teaching and Learning International Survey der OECD, 2018). Demnach werden Fortbildungen zu pädagogischen Kompetenzen oder individualisiertem Lernen in Deutschland deutlich seltener besucht. Direktes Feedback durch Kolleg:innen der eigenen Schule erhält nur etwas mehr als ein Viertel. Jede vierte Lehrkraft hat im letzten Jahr überhaupt kein Feedback zur eigenen Arbeit erhalten.

Dennoch gibt es eine große Bereitschaft unter Lehrkräften, sich weiterzubilden: 65 Prozent haben im vergangenen Jahr eine Fortbildung zu digitalen Medien besucht. Fast zwei Drittel der Lehrkräfte setzen regelmäßig digitale Medien im Unterricht ein, sie fühlen sich aber nicht gut vorbereitet.

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„Die Überlastung der Lehrkräfte im Alltag zeigt sich auch beim Thema Fortbildung“, sagt Wolf. „Wir brauchen in Deutschland eine Kultur des gemeinsamen Lernens, in der sich qualitativ hochwertige Fortbildungen mit gegenseitigen Hospitationen und einer systematischen Feedback-Kultur ergänzen. Dazu gehört auch der Austausch in schulübergreifenden Netzwerken. Im internationalen Vergleich sind unsere Lehrkräfte hier noch viel zu sehr auf sich selbst fokussiert.“

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Deutsches Schulbarometer

Zum Projekt

Das Deutsche Schulbarometer ist eine repräsentative längsschnittliche Panelstudie an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland. Das Deutsche Schulbarometer ermöglicht es, frühzeitig Entwicklungen zu beschreiben, indem Beobachtungen und Einschätzungen von Personen erfasst und untersucht werden, die Schulen täglich mitgestalten und erleben. Für die aktuelle Ausgabe wurden zwischen dem 13. November und 3. Dezember 2023 insgesamt 1.608 Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland vom Meinungsforschungsinstitut forsa befragt. Die Befragung und der Ergebnisbericht wurden in enger Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Forschungsteam konzipiert.

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