Publikationsreihe

Anstoß für politisches Handeln bei klimabedingter Migration

Starkniederschläge und Überschwemmungen, Stürme, Dürren und der Anstieg des Meeresspiegels werden die Klimamobilität weltweit erhöhen - insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent. In ihrer neuen Publikationsreihe liefert das Climate Mobility Africa Research Network faktenbasierte Analysen und Handlungsempfehlungen zu zentralen Herausforderungen im Zusammenhang mit klimabedingter Migration.

Text
Jassin Irscheid
Bilder
United Nations Photo/Albert González Farran, modified
Datum
21. August 2023

Die afrikanischen regional-politischen Vereinbarungen zu klimabedingter Mobilität werden häufig als umfassender und fortschrittlicher als ihre internationalen Pendants gelobt. Doch die Umsetzung in die Praxis hinkt hinterher. Zu diesem Schluss kommt das Climate Mobility Africa Research Network (CMARN) durch aktuelle Analysen zum Thema. Das von uns geförderte Netzwerk hat kürzlich die Publikationsreihe Climate Mobility Africa Insights veröffentlicht.

Kurze Fact Sheets und Policy Briefs bieten Analysen zu zentralen rechtlichen und politischen Fragen im Zusammenhang mit klimabedingter Mobilität - der Migration von Menschen, die durch plötzliche oder schleichende Folgen des Klimawandels verursacht wird. Mit dieser Reihe unterstützt das CMARN nicht nur relevante Akteur:innen, sondern auch die Stimmen afrikanischer Forscher:innen in internationalen Diskussionen und Debatten zum Thema. Bisher wurden in der zweisprachigen Reihe die Themen Anpassung an den Klimawandel, Katastrophenvorsorge, Weidewirtschaft, Menschenrechte sowie sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt (SGBV) behandelt.

"Während Klimamobilität als potenziell lebensrettende und Rechte stärkende Anpassungsmaßnahme gesehen werden kann, kann sie auch die bestehende Vulnerabilität bestimmter Gruppen wie Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen und Jugendliche verschärfen."

Zitat vonAdemola Oluborode Jegede

Jegede ist Klimawandel-Experte und Professor für Recht an der Universität Venda, Südafrika. Er untersucht, wie bestehende afrikanische Instrumente zum Menschenrechtsschutz genutzt werden können, um die Rechte verschiedener vulnerabler Gruppen im Kontext der Klimamobilität zu fördern. Dazu zählen die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker, die Kampala-Konvention oder die Afrikanische Charta über die Rechte und das Wohl des Kindes.

Seine Analyse zeigt, dass diese Instrumente verschiedenen Akteur:innen wie NGOs, Anwält:innen und Menschenrechtsinstitutionen die Möglichkeit bieten, sich für die Rechte vulnerabler Gruppen einzusetzen, die von klimabedingter Vertreibung betroffen sind. Das erschließen ergänzender Instrumente zum Schutz dieser Menschen ist besonders wichtig, da durch die Mobilität ohnehin unzureichende Schutzstrukturen wegfallen können, was zur Vulnerabilität dieser Gruppen weiter beiträgt. Die genannten Akteur:innen können in ihrem Engagement für vulnerable Gruppen bereits etablierte, gerichtsähnliche und rechtliche Gremien nutzen. Zu den Gremien zählen die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker, der Afrikanische Gerichtshof und der Afrikanischen Expertenausschuss für die Rechte und das Wohlergehen des Kindes. Sie können Menschenrechte im Zusammenhang mit Klimamobilität durch Berichtsmechanismen, Klagen und Auslegungsfunktionen fördern und schützen.

Oluwatoyin Adejonwo, Dozentin an der juristischen Fakultät der Universität Lagos und Juristin am Obersten Gerichtshofs von Nigeria, betont, dass der Klimawandel vor allem Frauen und Mädchen betrifft. Umweltzerstörung, Ressourcenknappheit und Konflikte erhöhen die Mobilität und setzen diese Gruppen einem erhöhten Risiko von SGBV aus. Die Gefahr von Gewalt ist auf Reisen besonders hoch, da Unterstützungsnetzwerke schwerer zugänglich sind oder zurückgelassen wurden. Adejonwo argumentiert, dass bestehende regionale Strategien und Aktionspläne zum Klimawandel die Möglichkeit bieten, Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen vor SGBV während klimabedingter Mobilität zu schaffen. Während einige Strategien bereits geschlechtsspezifische Aspekte berücksichtigen, gehen nur wenige explizit auf SGBV ein. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, umfassende Strategien zur SGBV-Prävention zu entwickeln.

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CMARN

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CMARN wurde 2021 mit dem Ziel gegründet, evidenzbasierte rechtliche und politische Antworten auf die Herausforderungen im Kontext von Klimamobilität zu fördern. Es ist ein multidisziplinäres, bilinguales (EN und FR) Netzwerk von Forscher:innen und politischen Entscheidungsträger:innen auf dem afrikanischen Kontinent.

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Nicodemus Nyandiko beschreibt in seinem Beitrag, wie die Integration von Mobilität in Gesetze, Strategien und politische Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge in afrikanischen Staaten gestaltet werden sollte. Er ist Senior Research Fellow in der Abteilung für Katastrophenmanagement und nachhaltige Entwicklung an der Masinde Muliro University of Science and Technology. Laut Nyandiko spielt die Integration aller Dimensionen der menschlichen Mobilität – einschließlich Vertreibung, Migration und geplanter Umsiedlung – in die Rahmenwerke zur Katastrophenvorsorge der afrikanischen Staaten eine zentrale Rolle. Wichtig ist dabei die Berücksichtigung geschlechtersensibler und menschenrechtsbasierter Ansätze. Darüber hinaus sollten solche Rahmenwerke alle Phasen der Vertreibung durch Katastrophen abdecken, einschließlich Prävention, Schutz und dauerhafte Lösungen wie Rückkehr, Reintegration und geplante Umsiedlung.

Der Professor an der Université Assane Seck in Ziguinchor, Cheikh Tidiane Wade, sieht in der Mobilität von Viehzüchter:innen im Kontext des Klimawandels eine Anpassungsstrategie. Dabei unterstreicht er die vielfältigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beiträge der Weidewirtschaft. Er beschreibt, wie ihre Mobilität nicht nur ein Schlüsselelement für die ländliche Entwicklung darstellt, sondern auch eine potenzielle Quelle von Konflikten um den Zugang zu Wasser und Weideflächen sein kann. Diese Probleme werden durch den Klimawandel sowie durch geopolitische Krisen und sicherheitspolitische Herausforderungen verschärft. Wade ruft daher dazu auf, die Mobilität der Viehzüchter:innen als eine entscheidende Anpassungsstrategie an den Klimawandel zu verstehen. Darüber hinaus betont er die Notwendigkeit, das partizipative Management von Weidegebieten zu unterstützen, Wanderungsrouten zu kennzeichnen und lokale Verwaltungssysteme zu stärken, um Konflikten vorzubeugen.

Publikationsreihe

Insights

Lesen Sie die vollständigen Policy Briefs und Handlungsempfehlungen (EN und FR).

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