Internationale Wochen gegen Rassismus

Rassismus geht uns alle an!

Rassismus verletzt nicht nur die Betroffenen, er schadet der gesamten Gesellschaft. Dagegen anzugehen heißt auch, die eigene Rolle im Machtgefüge zu reflektieren. Ein Beitrag von Mitarbeitenden unserer Stiftung.

Text
Dr. Ferdinand Mirbach
Bilder
Adobe Stock/Tverdokhlib
Datum
20. März 2024

Geheimtreffen rechtsextremer Zirkel, in denen die Deportation von Millionen von Menschen mit Migrationsgeschichte diskutiert wird: Die Enthüllungen des journalistischen Rechercheteams von Correctiv haben Deutschland zu Beginn des Jahres erschüttert. Grundlage für derlei Gedankenspiele ist ein rassistisches Weltbild, wonach Menschen aufgrund von Merkmalen wie Hautfarbe, Herkunft oder Religion nicht gleichwertig seien oder durch ihre Werte- und Traditionsprägung nicht zur deutschen Gesellschaft passen würden.

Auch wenn die Correctiv-Recherche eine neue Qualität rassistischer Umtriebe offenbart hat: Neu ist das Phänomen des Rassismus in Deutschland nicht. Zur traurigen Wahrheit gehört: 2022 wurde mit 10.038 registrierten fremdenfeindlichen Straftaten ein neuer Höchststand erreicht. Zudem belegen mehrere repräsentative Studien weit verbreitete rassistische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung. Dabei ist besonders das Bild vom Ausländer verbreitet, der nur nach Deutschland komme, um den Sozialstaat auszunutzen. In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation scheinen solche Ressentiments besonders gut zu tragen und werden von einigen politischen Kräften in spalterischer Absicht bewusst geschürt.

Warum Rassismus schadet

Was ist dem zu entgegnen? Rassismus unterminiert die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen und unser deutsches Grundgesetz, die die gleichen Rechte aller Menschen und ein Diskriminierungsverbot festschreiben. Rassismus zerstört Zusammenhalt und steht einer Kultur entgegen, in der gesellschaftliche Vielfalt als Bereicherung erachtet wird und zu mehr Produktivität und Kreativität führt. Rassismus verwehrt Menschen Teilhabe und Zugehörigkeit und verkennt damit die Beiträge, die sie zum gesellschaftlichen Erfolg leisten können.

Zum Autor

Ferdinand Mirbach

ist Senior Expert im Thema Einwanderungsgesellschaft, außerdem Diversitätsbeauftragter der Robert Bosch Stiftung.

Neben solchen ethischen und sozialen Argumenten stehen ökonomische: Rassismus ist ein zentrales Hindernis für die so dringend benötigte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften und beschädigt den Ruf Deutschlands in der Welt. Und Rassismus negiert, dass die von vielen als „ausländisch“ gelesenen Menschen durch ihre Arbeitskraft, ihr Unternehmertum und ihre Steuern dazu beitragen, das hohe Wohlstandsniveau Deutschlands zu halten. Aus all diesen Gründen schadet Rassismus nicht nur den von Rassismus betroffenen Menschen; er schadet auch denjenigen, die nicht von Rassismus betroffen sind oder womöglich selbst andere rassistisch diskriminieren.

Unser Beitrag im Kampf gegen Rassismus

Wir als Robert Bosch Stiftung wollen deshalb einen Beitrag im Kampf gegen Rassismus leisten. Wir tun das durch unsere Förderung von Projekten, die über Rassismus aufklären oder Menschen stärken, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind. Wir tun es aber auch, indem wir uns mit unserer eigenen Rolle im gesellschaftlichen Machtgefüge auseinandersetzen und daraus Rückschlüsse für unser Handeln ziehen.

Wir sehen es als Verpflichtung, uns aktiv gegen Rassismus und Ausgrenzung zu positionieren und denjenigen eine Stimme zu geben, die zu oft überhört werden. Wir verfügen über Ressourcen und Zugänge, die wir teilen möchten, um gesellschaftliche Ungleichheit zu reduzieren. Wir fördern bestimmte Communities nicht nur, sie sind auch Mit-Entwickler von Projekten. Dieses „Powersharing“ stärkt beide Seiten.

Darüber hinaus bekennen wir uns mit unserer Vielfaltsstrategie zur gesellschaftlichen Diversität. Wir verstehen diese als Mehrwert und nehmen uns selbst in die Pflicht, Zugehörigkeit für alle zu schaffen. Zentral ist für uns dabei, eine rassismus- und diskriminierungsfreie Organisation zu sein, die nach innen das lebt, was wir uns nach außen von unserer Gesellschaft wünschen.

Unsere Projekte gegen Rassismus - eine Auswahl

Das gleichberechtigte Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft und der Abbau von Ungleichheit sind zentrale Anliegen der Robert Bosch Stiftung. Rassistische Diskriminierung steht Beidem entgegen. Deshalb engagiert sich die Robert Bosch Stiftung aktiv gegen Rassismus und für die Stärkung von Menschen mit gelebter Rassismuserfahrung.

  • Im Projekt „Schuleo – Bildung mit Respekt“ der RAA Berlin unterstützen wir den strukturellen Abbau rassistischer Diskriminierung an Schulen.
  • Mit dem Chatbot YANA unterstützt die Robert Bosch Stiftung ein digitales Angebot, das Menschen mit Diskriminierungserfahrung 24/7 als erste Anlaufstelle zur Verfügung steht.
  • Im Programm „Support for Racial Justice in Europe“ fördern wir Organisationen von Menschen mit gelebter Erfahrung von Rassismus in ihrer Interessensvertretung gegenüber politischen Institutionen auf europäischer Ebene.
  • Und wir untersuchen gemeinsam mit Partner:innen aus der Wissenschaft, wie sich Rassismus in Europa zeigt und was dagegen unternommen werden kann.

Was wir alle tun können

Die vielen Gesichter des Rassismus haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder und weltweit gezeigt. Erinnert sei an die Ermordung von George Floyd durch einen weißen Polizisten – das Motiv: anti-schwarzer Rassismus. Oder der antisemitisch motivierte Überfall auf die Synagoge in Erfurt. Oder die regelrechte Hinrichtung von vornehmlich als muslimisch gelesenen jungen Menschen in Hanau durch einen Rechtsradikalen.

Die darauf folgenden gesellschaftlichen Diskussionen über Polizeigewalt und rechtsradikale Netzwerke haben offenbart, dass Rassismus und Hass kein individuelles, sondern oft ein strukturelles Problem sind. Umso wichtiger ist es, hinzuschauen, zuzuhören, Position zu beziehen und die eigene Rolle zu reflektieren. Das ist es, was wir alle tun können und sollten, denn: Rassismus geht uns alle an!

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