Die Robert Bosch Stiftung hat viele Jahre lang die Staaten Mittel- und Osteuropas in ihren gesellschaftlichen Transformationsprozessen unterstützt und verfügt über ein breites Netzwerk in der Region. Markus Lux, Bereichsleiter für Demokratie und Einwanderungsgesellschaft im Fördergebiet „Globale Fragen“, hat zahlreiche Projekte in Mittel- und Osteuropa begleitet. Im Interview teilt er seine persönlichen Eindrücke und sagt, warum wir auch die Menschen in Russland (siehe Bild) nicht vergessen dürfen, die sich gegen den Krieg wenden.
Durch unsere Projekte in Mittel- und Osteuropa sind wir Teil eines grenzübergreifenden Netzwerks, in dem die Menschen sich kennen und einander helfen möchten. Was sie über alle Länder hinweg eint, ist eine große Sorge. Unsere Freunde und Partnerorganisationen in der Ukraine sind natürlich direkt vom Krieg betroffen. Gleichzeitig zeigen die Menschen in der Ukraine einen großen Durchhaltewillen. In Russland wiederum fällt es vielen Menschen sehr schwer zu akzeptieren, dass ihr Land einen Krieg begonnen hat. Die Menschen dort sind zwar vorsichtig, aber dennoch auch mitunter äußerst mutig. Es gibt Leute, die sich positionieren und „Njet” zum Krieg sagen oder auch über die sozialen Medien Solidarität mit der Ukraine äußern.
Wir haben europäische Partner mit herausragender Expertise, die wir unterstützen. Auch über unsere Alumni-Organisationen, wie beispielsweise MitOst, haben wir ein starkes Netzwerk in der Region. Ihnen können wir zum Beispiel ad hoc helfen. Neben der Soforthilfe gilt aber mittelfristig: Wir analysieren, wo Hilfe bereits vorhanden ist und wo sie fehlt und welche Bedarfe wir mit unseren Mitteln erfüllen können.
Jeder Einzelne kann etwas tun. Zum Beispiel, indem man sein Mitgefühl zeigt mit den Menschen in der Ukraine, aber auch mit den Menschen in Belarus und Russland, die sich gegen den Krieg wenden. Das fängt schon bei einem Like oder Kommentar in den sozialen Medien an, um zu zeigen: Ihr seid nicht allein! Oder auch indem man Personen aus der Ukraine im Bekanntenkreis direkt anspricht. Wir können auch aktiv etwas tun, indem wir spenden – neben großen internationalen Hilfsorganisationen auch für kleine lokale Initiativen, die sich in der Region auskennen. Mittelfristig stellt sich die Herausforderung, wie wir in Deutschland und der EU mit ukrainischen Geflüchteten umgehen werden. Wie wir ihnen ein Leben in Würde ermöglichen.
Es geht um ganz konkrete Fragen: Wie können wir den Menschen vor Ort Schutz gewähren? Wie organisieren wir Annahme und Unterbringung in den nächsten Wochen und Monaten? Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Und es ist wichtig, dass die demokratischen Staaten in Mittel- und Osteuropa ihre Rolle als Einwanderungsgesellschaft annehmen – und Menschen aus verschiedenen Ländern entsprechend respektvoll behandeln. In Deutschland leben zum Beispiel viele russisch-stämmige Menschen, die sich aktuell in einer schwierigen Situation befinden. Wir müssen als liberale Gesellschaft sicherstellen, dass wir sie nicht auf Grund ihrer Herkunft diskriminieren.
Bei all diesen Krisen und Problemen sehe ich aber auch positive Entwicklungen: Wie sehr Menschen in vielen Ländern für Frieden, Demokratie und Freiheit einstehen. Wie auch die zivilgesellschaftlichen Osteuropa-Netzwerke in der Notlage greifen und funktionieren. Das ist schon beeindruckend.