"Der Imperativ der „Nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen“ ist zentral für unsere Gesellschaft"

Die heutige Weltwirtschaft beruht auf der Übernutzung natürlicher Ressourcen. Der Ökonom Dr. Oliver Schenker entwickelt Modelle, die es Entwicklungsländern ermöglichen, auf nachhaltige Energiesysteme umzustellen. Mit der Robert Bosch Juniorprofessur "Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen" stellt ihm die Sitftung über fünf Jahre eine Million Euro zur Verfügung.
Robert Bosch Stiftung | April 2016
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Photo: Viktor - Fotolia

Klima- und umweltpolitische Instrumente in Schwellen- und Entwicklungsländern

Dr. Oliver Schenker beschäftigt sich als Robert Bosch Juniorprofessor mit der Wirkung von klima- und umweltpolitischen Instrumenten in Schwellen- und Entwicklungsländern. Insbesondere wird er sich mit den Wechselwirkungen zwischen Politikinstrumenten und ihrer Resilienz gegenüber externen Schocks beschäftigen.

Ziel von Oliver Schenkers Forschung ist es, energie- und klimapolitische Gestaltungsoptionen aufzuzeigen, die die nötige Entwicklung der Energiesysteme in Schwellen- und Entwicklungsländern hin zu einer nachhaltigen und kohlenstoffarmen Gesellschaft anstoßen und steuern können.

Im Interview spricht er darüber, was Wissenschaft für ihn bedeutet und was das Besondere an seinem Forschungsvorhaben als Robert Bosch Juniorprofessor 2016 ist.

Was gefällt Ihnen daran Wissenschaftler zu sein?

Als Wissenschaftler kann ich meiner Neugier nach dem Verständnis von Zusammenhängen folgen. Was mir an der wissenschaftlichen Arbeit gefällt, ist die Möglichkeit in eine Frage tief einzutauchen und genügend Raum zu haben, diese zu verstehen und eine befriedigende Antwort darauf zu finden. Wenn diese Antworten dazu beitragen können, gesellschaftliche Probleme zu lösen, umso besser.

Warum sind Sie Wirtschaftswissenschaftler geworden?

Ich bin Ökonom geworden, weil mich die Funktion der Gesellschaft und die Interaktion ihrer Individuen und Institutionen schon immer interessiert haben. In meiner Doktorarbeit habe ich mich erstmals intensiver mit den ökonomischen Zusammenhängen von Umwelt- und Klimafragen beschäftigt. Dieses komplexe und vielschichtige Themenfeld ist eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen, die die Menschheit nur als Ganzes lösen kann und die den Kern unseres bisherigen Wirtschaftens betreffen.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft?

Im Bereich der Politikgestaltung sind meiner Meinung nach vor allem zwei Probleme zu adressieren.

Eine enorme Herausforderung ist das Handeln und Entscheiden unter Unsicherheit über einen sehr großen Zeitraum. Verfügbare Technologien, Institutionen, aber auch die Präferenzen ändern sich unvorhersehbar. Man sieht das z.B. an der Situation der großen Energieversorger in Europa. Sie müssen heute mit Rahmenbedingungen umgehen, die vor 30 oder 40 Jahren, als viele noch heute genutzte Investitionen des Sektors getätigt wurden, nicht vorhersehbar waren, wie z.B. die Einführung des Emissionshandels und die Energiewende. Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern ändern sich viele Dinge gleichzeitig und es braucht einen Rahmen, der Orientierung bietet und gleichzeitig die nötige Flexibilität und Anpassungsfähigkeit schafft, um auf künftige unvorhergesehene Veränderungen adäquat reagieren zu können.

Die zweite große Herausforderung ist meines Erachtens die Komplexität der Systeme, in denen diese Transformation gelingen muss: Nehmen wir z.B. China. Die Kohlenstoffemissionen Chinas werden zu einem großen Teil durch Kohleverbrennung im Energiesektor verursacht. Eine Transformation des Energiesystems ist daher dringend notwendig. Wir haben dort einen komplexen, regulatorischen Rahmen aus markt- und planwirtschaftlichen Elementen. Es gibt die Politik der Zentralregierung, aber auch Regional- und Provinzpolitiken, die Bedeutung für die Umsetzung von Klimaschutzstrategien haben. Verschiedene Regulierungen interagieren miteinander und machen es alles andere als trivial den Effekt einzelner Politikmaßnahmen zu verstehen. Dieser Komplexität Herr zu werden ist aber zentral, um schließlich erfolgreiche Maßnahmen zu implementieren und umzusetzen.

Was ist das Neue und Besondere an Ihrem Forschungsansatz im Rahmen der Robert Bosch Juniorprofessur?

Ich erforsche, mit welchen Politikmaßnahmen die Transformation zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern bestmöglich umzusetzen sein wird. Zentral für meinen Ansatz ist dabei, dass ich die Wirkung und Wechselwirkung politischer Instrumente in ihrem Politikmix analysiere. Zusätzlich beziehe ich Unsicherheiten z.B. von konjunkturellen Zyklen in die Analyse mit ein. Dabei soll vor allem auf ökonomische Gleichgewichtsmodelle zurückgegriffen werden, die entsprechend weiterentwickelt werden sollen. Der Schwerpunkt vieler umweltökonomischer Analysen lag bisher in den Industrieländern. Aber gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern, wo im Moment z.B. zahlreiche Kohlekraftwerke gebaut und in Betrieb genommen werden, ist es wichtig, Entwicklungen miteinander in Beziehung zu setzen und Probleme zu adressieren.

Mit welchen Instrumenten könnte der Bau von Kraftwerken womöglich gestoppt werden und welche Probleme spielen hier mit hinein?

Die zurzeit sehr tiefen Preise von Kohle auf den Weltmärkten machen es gerade sehr attraktiv, entsprechende Kraftwerke zu bauen und zu betreiben. Sinkende Transportkosten und bessere Infrastruktur in vielen Schwellen-und Entwicklungsländern ermöglichen den profitablen Betrieb solcher Kraftwerke auch fernab von Kohleförderregionen. Eine glaubhafte und stringente Bepreisung der entstehenden CO2-Emissionen ist dabei das erfolgversprechendste Mittel. Allerdings ist in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern der Zugang zu preisgünstiger Elektrizität ein noch dringenderes Thema. So will beispielsweise Indien trotz des Klimaschutzabkommens von Paris seine Kohleförderung bis 2020 verdoppeln, um kostengünstigen Strom für die schnellwachsende Bevölkerung und Wirtschaft bereitzustellen. In diesem Dilemma müssen heute die richtigen Weichen gestellt werden, damit Indien auf einen nachhaltigeren Wachstumspfad einschwenken kann, der trotzdem einen kostengünstigen Zugang zu Energie für alle ermöglicht.

Warum haben Sie sich auf die Robert Bosch Juniorprofessur beworben?

Der Imperativ der „Nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen“ ist zentral für unsere Gesellschaft. Es ist wichtig, sich aus verschiedenen Blickwinkeln dieser Thematik zu nähern. Die Robert Bosch Juniorprofessur ermöglicht es mir in einem anspruchsvollen Umfeld mit Anwendungsbezug und mit einer tollen Ausstattung zu forschen und neue Antworten auf diese Fragen zu finden.