Pressemeldung

Deutsches Schulbarometer: Jede zweite Lehrkraft beobachtet Gewalt an der eigenen Schule

  • Repräsentative Umfrage der Robert Bosch Stiftung zeigt hohe emotionale Erschöpfung bei Lehrkräften.
  • Die größte Herausforderung sehen Lehrkräfte aktuell im Verhalten der Schüler:innen und im Umgang mit heterogenen Klassen. Den dringendsten Handlungsbedarf an der eigenen Schule sehen sie beim Personalmangel und bei maroden Schulgebäuden. 
  • Im internationalen Vergleich werden in Deutschland deutlich weniger Fortbildungen zu pädagogischen Kompetenzen besucht und es fehlt eine systematische Feedback-Kultur.

Stuttgart/Berlin, 24. April 2024 – Fast jede zweite Lehrkraft (47 Prozent der Befragten) sieht an der eigenen Schule ein Problem mit psychischer oder physischer Gewalt unter Schüler:innen. Besonders betroffen sind Schulen in sozial benachteiligter Lage (69 Prozent). Das geht aus dem heute veröffentlichten Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung GmbH hervor. Die repräsentative Befragung von Lehrkräften zeigt auch, dass Gewalt an der eigenen Schule das Burnout- und Stressrisiko von Lehrkräften deutlich erhöht. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) fühlt sich mehrmals pro Woche emotional erschöpft, vor allem jüngere und weibliche Lehrkräfte sowie Grundschullehrer:innen sind betroffen. Obwohl die große Mehrheit (75 Prozent) der Lehrkräfte mit ihrem Beruf zufrieden ist, würde mehr als ein Viertel der Befragten (27 Prozent) den Schuldienst verlassen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten.

„Wir sehen in den Ergebnissen die Momentaufnahme eines kranken Systems“, sagt Dr. Dagmar Wolf, Leiterin des Bereichs Bildung der Robert Bosch Stiftung. „Lehrer:innen müssen seit langem die Folgen des massiven Personalmangels ausgleichen und immer neue Belastungen bewältigen. Das führt dazu, dass bereits Berufseinsteiger:innen den Schuldienst gar nicht erst antreten oder schnell wieder verlassen wollen. Die einen, weil sie dem Druck nicht standhalten, die anderen, weil sie immer wieder an Grenzen stoßen und den Kindern und Jugendlichen nicht so helfen können, wie sie es sich vorgestellt haben. Das berufliche Wohlbefinden wird in Zukunft enorm wichtig sein, um Lehrer:innen an den Schulen zu halten und den Beruf für junge Menschen wieder attraktiver zu machen.“
 

Dringendster Handlungsbedarf an der eigenen Schule: Personalmangel und marode Schulgebäude 

Die größten Herausforderungen sehen Lehrkräfte derzeit im Verhalten der Schüler:innen (35 Prozent) und im Umgang mit heterogenen Klassen (33 Prozent; an Grundschulen 45 Prozent), in denen die Schüler:innen individuelle Lernbiografien, unterschiedliche kulturelle und familiäre Hintergründe und unter Umständen auch besondere Förderbedarfe haben. Auf die Frage nach dem dringendsten Handlungsbedarf an der eigenen Schule nennen sie die Behebung des Personalmangels (41 Prozent, an Grundschulen 51 Prozent), dicht gefolgt von Investitionen in marode Schulgebäude und in die technische und digitale Ausstattung (35 Prozent). 
 

Fortbildungen und Feedback: Kaum Rückmeldung zur eigenen Arbeit

Erstmals beleuchtet das Deutsche Schulbarometer auch die Fortbildungen im deutschen Schulsystem und vergleicht die Ergebnisse mit der internationalen TALIS-Studie (Teaching and Learning International Survey der OECD, 2018). Demnach werden Fortbildungen zu pädagogischen Kompetenzen (Deutschland: 23 Prozent; international: 73 Prozent) oder individualisiertem Lernen (Deutschland: 20 Prozent; international: 49 Prozent) in Deutschland deutlich seltener besucht. Auch informelle Fortbildungsangebote wie der Austausch mit Lehrkräften anderer Schulen werden in Deutschland deutlich seltener genutzt (Deutschland: 21 Prozent; international: 41 Prozent). Direktes Feedback durch Kolleg:innen der eigenen Schule erhält nur etwas mehr als ein Viertel (28 Prozent). Jede vierte Lehrkraft (24 Prozent) hat im letzten Jahr überhaupt kein Feedback zur eigenen Arbeit erhalten.

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr vor allem Fortbildungen zum Einsatz digitaler Medien besucht. Obwohl sich zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) zu diesem Thema weitergebildet haben, fühlt sich aktuell nur die Hälfte der Lehrkräfte (49 Prozent) gut auf einen digital gestützten Unterricht vorbereitet. 

„Die Überlastung der Lehrkräfte im Alltag zeigt sich auch beim Thema Fortbildung“, sagt Wolf. „Wir brauchen in Deutschland eine Kultur des gemeinsamen Lernens, in der sich qualitativ hochwertige Fortbildungen mit gegenseitigen Hospitationen und einer systematischen Feedback-Kultur ergänzen. Dazu gehört auch der Austausch in schulübergreifenden Netzwerken. Im internationalen Vergleich sind unsere Lehrkräfte hier noch viel zu sehr auf sich selbst fokussiert.“
 

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