Ein Ball auf seinem langen Weg zur WM
Drei Monate lang ist „The Ball“ durch 18 Länder getourt: von England nach Deutschland, durch den Balkan und Asien bis Russland. Eingepackt haben ihn der ehemalige Fußballprofi Andrew Aris und sein Erfurter Verein „Spirit of Football“. Seit 2002 reisen sie mit einem Team von Trainern und Pädagogen zu jeder Fußball-WM. Immer im Gepäck: "The Ball", eine Art „Olympische Fackel des Fußballs“. Auf seiner von der Robert Bosch Stiftung unterstützten Tour besucht der Verein kleine und große Fußballclubs, Schulklassen und Bildungsinitiativen. Das Team gibt Workshops und kickt mit Profis und Politikern, Kindern und Flüchtlingen. Und jeder, der den Ball einmal köpft oder passt, darf auf ihm unterschreiben. Über die Ziele von „The Ball“ haben wir mit Andrew Aris gesprochen.
Andrew Aris, stilvoll mit einer karierten Mütze auf dem Kopf, lädt zum Handshake vor dem Anstoß für "The Ball" in Großbritannien.
Herr Aris, in diesem Jahr reisen Sie bereits zum fünften Mal mit einem Ball im Gepäck monatelang durch etliche Länder zu einer Fußball-Weltmeisterschaft. Wie kommt man auf so eine Idee?
Wir von „Spirit of Football“, dem Verein hinter dem Projekt „The Ball“, glauben an die gute Kraft des Fußballs. In jeder Gemeinde, jeder Stadt, in jedem Land der Welt spielen Menschen Fußball. Es ist ein globales Spiel, eine globale Sprache. Fußball bringt Menschen zusammen und verbindet sie. Wenn wir also auf unseren Reisen unseren Fußball auspacken und anfangen, mit den unterschiedlichsten Menschen zu kicken, dann entsteht eine Verbindung. Dann fangen wir an zu reden, uns auszutauschen, mitzuteilen – und uns zu verstehen.
Und worüber reden Sie mit den Menschen auf Ihrer Tour?
Wir erzählen von den Erlebnissen auf unserer Reise und von den Menschen, die wir getroffen haben. Dabei versuchen wir zu zeigen, dass egal, wie unterschiedlich Regionen, Länder und Menschen sind, sie doch oftmals die gleichen Wünsche, Ideen und Vorstellungen teilen. Egal, wohin wir kommen, fast überall stehen die Kids zum Beispiel auf Ronaldo als Fußballer – und auf ein faires Spiel.
Das Motto von „The Ball“ lautet in diesem Jahr „One Ball, One World“. Was möchten Sie den Menschen damit nahebringen?
Viele Regeln, die für den Fußball und den Sport wichtig sind, werden auch in vielen Gemeinschaften weltweit gelebt. Oder zumindest wird das versucht. Mit unseren Workshops und Veranstaltungen möchten wir diese Prinzipien und Regeln vermitteln – wie Fair Play, Respekt, Toleranz, Ehrlichkeit, Gleichberechtigung und Zusammenhalt. Wir möchten zeigen, dass es wichtig ist, miteinander zu reden, Vorurteile und Ängste abzubauen und gemeinsam etwas zu schaffen.
„Der Fußball sorgt für einen gemeinsamen Moment, der dann zu Gesprächen führt.“
Ein Imam der Sultan-Ahmed-Moschee in Istanbul hat zu uns gesagt: „In Zeiten, in denen die großen Weltreligionen die Menschen nicht mehr erreichen, sind es vielleicht Symbole, an die die Menschen glauben können. „The Ball“ ist ein fantastisches Symbol dafür, wie Menschen in Frieden und Liebe zusammenkommen können.
„The Ball“ führt Sie in diesem Jahr vor allem durch Europa. Was steht dabei im Fokus?
Zum einen möchten wir die Vorteile einer starken Europäischen Gemeinschaft deutlich machen. Auf unserer diesjährigen Tour überqueren wir viele offene Grenzen, können ganz einfach von Land zu Land reisen. Das ist in vielen anderen Regionen der Welt nicht so einfach möglich. Die Reise-, aber auch die Meinungsfreiheit in der Europäischen Union nehmen die Menschen hier oft als selbstverständlich hin. Wenn wir von unseren Erlebnissen zum Beispiel aus Afrika oder Südamerika erzählen, wird vielen deutlich, was für ein Gewinn die Europäische Gemeinschaft ist – und dass es sich lohnt, gemeinsam für Demokratie, Freiheit und Werte wie Respekt und Toleranz zu kämpfen.
Zum anderen führt uns unsere Reise auch durch Länder außerhalb der EU, wie zum Beispiel durch den Balkan. Hier möchten wir Menschen aus den ehemaligen Kriegsregionen zusammenbringen und versuchen, durch „The Ball“ Brücken zu bauen und vielleicht sogar zu versöhnen. Unsere Reise hat uns auch nach Jordanien und in den Libanon geführt. Es ist wichtig, dass wir als Europäer uns bewusst sind, dass wir für die hier herrschenden Kriege und Auseinandersetzungen mitverantwortlich sind. Europa kann nicht in Frieden existieren, wenn es seine Nachbarn nicht können.
Zu Gast bei den Kleinen und Großen des Fußballs: Andrew Aris mit "The Ball" bei Liverpools Trainer Jürgen Klopp.
Wie erreichen Sie die Menschen mit Ihrer Botschaft?
Wir versuchen immer möglichst offen auf die Menschen zuzugehen, nicht nach strikten Vorgaben, sondern je nach Situation den richtigen Ansatz zu finden. Und bloß nicht zu langweilen.
Wir haben das Gefühl, dass viele Schulsysteme mit ihren Maßnahmen die Schüler nicht immer erreichen, sondern mit ihrem Frontalunterricht eher langweilen. Wir sehen Lernen hingegen eher als Bewegung. Und je mehr Spaß man dabei hat, umso mehr kann man lernen. Daher versuchen wir mit unserem Ball eine Umgebung mit jeder Menge Spaß zu bieten, ohne Wettbewerbsdruck. Dafür aber mit vielen Möglichkeiten, sich selbst auszudrücken.
Wie sehen diese Bildungseinheiten konkret aus?
Meistens beginnen wir einfach damit, den Ball vorzustellen und einander zuzuspielen. Dabei fragen wir nach Regeln, die allen wichtig sind, und erzählen von Erlebnissen auf unseren Reisen. Spätestens da wird deutlich, dass viele die gleichen Werte teilen.
Aber wir spielen nicht nur Fußball, sondern auch Theater, machen Musik und gestalten zum Beispiel gemeinsam Graffitis. Dabei versuchen wir immer, Prinzipien und Werte in Alltagssituationen zu übersetzen, so dass vor allem Kinder diese Regeln verinnerlichen können und sie zu ihren eigenen machen.
Zu vielen Workshops laden Sie auch Flüchtlinge ein. Was möchten Sie damit vermitteln?
Zunächst möchten wir uns damit zu einer starken Willkommenskultur in Europa bekennen. Außerdem soll „The Ball“ Menschen unterschiedlichster Schichten und Herkunft zusammenbringen, um Gemeinschaften aufzubauen. Also bringen wir auf unserer Tour immer wieder Flüchtlinge mit der lokalen Bevölkerung zusammen. Der Fußball sorgt dabei für einen gemeinsamen Moment, der dann zu Gesprächen führt. Vor allem bei Jugendlichen sehen wir immer wieder, dass durch das gemeinsame Spiel Vorurteile und auch Ängste abgebaut werden.
Seit diesem Jahr ist die Robert Bosch Stiftung Hauptförderer von „The Ball“. Was bedeutet das für das Projekt?
Wir sind wahnsinnig froh über diese Unterstützung, die uns unsere doch recht aufwändige Reise in dieser Form überhaupt ermöglicht. Die Stiftung gibt uns das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein, dass es sich lohnt, Menschen zusammenzubringen und für ein vereintes Europa zu werben. Mit Hilfe der Stiftung haben wir unsere Inhalte noch einmal überdacht, unsere Workshops verbessert und eine Evaluation entworfen. Wir sind uns unserer Wirkung und Verantwortung noch stärker bewusst geworden. Und das ist ein gutes Gefühl.
Das Ziel Ihrer Reise ist die WM in Russland. Was erwarten Sie von der Veranstaltung?
Unsere Reise ist gerade auch wegen Russland als Austragungsort spannend, denn was dort politisch vorgeht, wird in vielen Ländern als seltsam und unverständlich empfunden. Auch darüber reden wir auf unserer Reise. Hinzu kommt die Rolle der FIFA, die heute leider nicht mehr uneingeschränkt für die Werte wie Fairplay, Respekt und Toleranz steht. Trotzdem werden am Ende bei der WM in Russland Menschen aus aller Welt zusammentreffen, die vom Fußball begeistert sind. Sie werden kommunizieren, sich austauschen, gemeinsam jubeln, trauern und feiern. Ich bin sicher, dass die Russen offene und freundliche Gastgeber sein werden. Am Ende wird die WM ein großartiges Fest. Wie so oft.