Porträt

Was macht eigentlich ein Islamberater?

Wie werden Muslime aktive Partner im Gemeindeleben? Wie entsteht ein Dialog zwischen den Konfessionen? Dr. Hussein Hamdans Job ist es, auf diese Fragen Antworten zu finden. Hier erzählt Deutschlands erster Islamberater von den Aufgaben und Herausforderungen, die seine außergewöhnliche Arbeit bereithält.

Text
Jan Abele
Bilder
Lena Giovanazzi
Datum
28. Juni 2023

Mein Tag beginnt nie wie der letzte. Ich bin viel unterwegs, weil ich in der Regel vor Ort berate. Bislang nehmen vor allem Vertreter:innen von Kommunen mein Angebot in Anspruch. Ich bin überrascht, wie wenige Kenntnisse Kommunen über den Islam und die Muslime in Deutschland haben. Manchmal fühlt es sich an, als lebten erst seit drei Tagen Muslim:innen in diesem Land. Es sind in der nichtmuslimischen Gesellschaft so viele Vorbehalte, Klischeevorstellungen und Falschinformationen verbreitet. Ich habe also gut zu tun.

Dr. Hussein Hamdan

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Der promovierte Islam- und Religionswissenschaftler ist an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart als Fachbereichsleiter Muslime in Deutschland tätig. Er wirkt außerdem als Islamberater für kommunale Einrichtungen. Bekannt ist er als Autor und Sprecher der Kolumne "Islam in Deutschland" des SWR. Seine Schwerpunkte sind Muslime in Deutschland, Interreligiöser Dialog, Humor im Islam sowie Einführungen in die Grundlagen, Quellen und Geschichte des Islam. Er leitet u.a. das Projekt "Muslime als Partner in Baden-Württemberg", das von der Robert Bosch Stiftung gefördert wird.

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Als Islamberater stellt Hamdan Nähe und Vertrauen her

Manchmal geht es um ganz einfache Dinge: ein Bürgermeister, der ein Stadtfest plant und die Moscheegemeinde in seinem Ort einbeziehen will. Er weiß aber gar nicht, wen er ansprechen soll. Und vor allem: wie. Manchmal geht es um weniger Alltägliches. Ein Sufi-Verein wollte Asylbewerber:innen in einer Gemeinschaftsunterkunft unterstützen. Ich wurde von der Kommune um eine Einschätzung dieser Gruppe gebeten. Als promovierter Islam- und Religionswissenschaftler habe ich auch die Expertise, den Sufismus einzuordnen. 

Ich werde in meiner Funktion immer wieder als „Türöffner“ oder „Brückenbauer“ zwischen Muslimen und Deutschen bezeichnet. Ich finde, das stimmt nur zum Teil. Ich befähige die Menschen auch dazu, in Dialog zu treten, indem ich sie aufkläre und mit Sachverstand ausstatte. Was die Menschen dann daraus machen, liegt bei ihnen. Ich habe zum Beispiel in einer Stadt zusammen mit der Verwaltung, Kirchen und einer Moschee einen „runden Tisch“ eingeführt, der Bürgermeister nimmt jetzt ganz selbstverständlich beim Fastenbrechen im Ramadan teil. Das sorgt für Nähe und Vertrauen. Ich sehe in diesem Land noch so viel brachliegendes Potenzial. Das zu ändern und Muslime in Deutschland zu integrieren, motiviert mich.

Es gibt aber auch die anderen Momente. Wenn ich spüre, dass trotz meiner Arbeit eben kein Dialog stattfindet; das kann die verschiedensten Ursachen haben. Ich wünsche mir von den muslimischen Gemeinden manchmal mehr Eigeninitiative, mehr Verbindlichkeit, mehr Professionalität in der Kommunikation. Einmal begrüßte mich ein Bürgermeister damit, dass wir nur eine halbe Stunde für das Gespräch hätten, um mir dann erst mal lange zu erklären, wie die Welt funktioniert. Dann bin ich deutlich geworden. Jetzt rede ich, habe ich gesagt und habe das Wort ergriffen. 

„Ich treffe im Berufsalltag neben großer Dankbarkeit auch auf Herablassung und Unverständnis, aber ich bringe auch einen persönlichen Erfahrungsschatz mit. Er ist mein Rüstzeug für solche Situationen.“

Zitat vonDr. Hussein Hamdan

Das möchte ich noch kurz erklären: Ich bin im Alter von sieben Jahren mit meinen Eltern aus dem Libanon nach Deutschland gekommen und in Rheinland-Pfalz aufgewachsen. Ich bin diesem Land für vieles dankbar, kenne aber auch das Gefühl, ausgegrenzt zu werden. In der Jugend hat mich dann besonders der Fußball getragen.

Hussein Hamdan spielt Fußball

Wie funktioniert Gemeinschaft? Hussein Hamdan hat das auch beim Fußball gelernt.

Einmal musste ich als letzter Spieler im Nieselregen beim Elfmeterschießen zum Punkt. Diese unerträglichen Sekunden, wenn man den Ball hinlegt und beim Anlaufen allen der Atem stockt, die können einen formen. Als ich einmal in einer für mich schwierigen Projektphase auf dem Weg zu einem Beratungstermin war und am liebsten nach Hause gegangen wäre, erinnerte ich mich an dieses Elfmeterschießen. Das hat mir geholfen, meiner Verantwortung gerecht zu werden und die Menschen über die Widerstände hinweg von meinen Ideen zu überzeugen. Jeder Beratungstermin verläuft anders, gemein haben sie, dass ich immer zu 100 Prozent vorbereitet und konzentriert sein muss. 

Oft endet ein Tag mit Musik, besonders, wenn er sehr anspruchsvoll war. Ich bin Beatles-Fan. Musik hilft mir, runterzukommen.

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