Das Schulbuch auf dem Smartphone
Das „Forum Bildung Digitalisierung“ unterstützt Schulen dabei, digital zu werden. Wie aber kann guter Unterricht mit digitalen Medien aussehen? Ein Gymnasium bei München hat sich auf den Weg gemacht. Hier erzählen Schüler, wann digitaler Unterricht in ihren Augen Sinn macht, wo digitale Lernmittel besonders hilfreich sind und warum sie manchmal doch nicht auf Stift und Papier verzichten wollen.
Der Gong kündigt den Beginn der dritten Stunde an. „Any questions, anything not clear?“, fragt Englischlehrerin Andrea Holler, 33, ihre Klasse. Ein Beamer wirft eine Aufgabenstellung an die Wand. Die 29 Schüler der 6c des Oskar-Maria-Graf-Gymnasiums in Neufahrn schnappen sich die iPads aus einem silberfarbenen Koffer, den Holler mitgebracht hat. Dann zerstäubt die 6c in alle Himmelsrichtungen. In einem Lernzirkel soll sich die Klasse mit dem Sherwood Forest in Nottinghamshire beschäftigen.
Das Thema stammt aus den gedruckten Schulbüchern für die sechste Klasse, „die aber nicht mehr ganz auf dem neuesten Wissensstand sind“, sagt Holler. Zum Glück gibt es jetzt die iPads, 90 hat die Schule mittlerweile angeschafft.
Was denken Schüler über Unterricht mit digitalen Medien?
Im Fremdsprachenunterricht haben sich die Tablets längst bewährt: Die Schüler können damit Mindmaps gestalten, interaktive Videos ansehen, Hörverständnisübungen machen oder sich beim Rollenspiel filmen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das kooperative Lernen fördert die soziale Kompetenz, der Medieneinsatz das Hören und Sprechen der Schüler. Am erstaunlichsten ist, wie leise die Klasse dabei ist.
Auch im Physikkurs oder im Deutschunterricht werden die iPads regelmäßig verwendet, über alle Klassenstufen hinweg. Wie kann guter Unterricht mit digitalen Medien aussehen? Und wann sind digitale Lernmittel hilfreich? Die Schüler des Oskar-Maria-Graf-Gymnasiums geben Antworten.
Florian Fischer, 15, 9. Klasse: „An einer digitalen Schule kann jeder selbstständig an seinen Schwächen arbeiten. Ich bin nicht so gut in Geometrie, dafür kann ich Algebra. Vor einer Klassenarbeit würde ich vor allem Geometrie-Aufgaben mit dem Tablet machen.“
Lilly Sparr, 17, 11. Klasse: „Unsere Schulbücher haben wir mittlerweile auch digital auf dem Smartphone. Ich kann Stellen markieren und Notizen machen. Das darf ich bei normalen Büchern aus der Schule natürlich nicht. Den Überblick finde ich superpraktisch.“
Johannes Steinberger, 15, 10. Klasse: „Das Programm GeoGebra hilft mir, mathematische Zusammenhänge in der Geometrie zu veranschaulichen und komplizierte Dinge zu verstehen. Das einzige Problem ist, dass das Programm nicht bei jedem meiner Mitschüler zu Hause funktioniert.“
Manuel Huber, 16, 11. Klasse: „Für Referate suche ich nach Erklärseiten oder benutze Wikipedia, weil man dort Zusammenfassungen zu fast jedem Thema bekommt. Wenn wir aber vor einer Klassenarbeit den Stoff nicht verstanden haben, hilft uns das Internet auch nicht weiter.“
Lillith Lermen, 13, 8. Klasse: „Im Unterricht mache ich schon oft Notizen mit dem Stift. Meine Hausaufgaben mache ich aber digital, über unsere Lernplattform. Da können wir unseren Lehrern Fragen schicken. Wenn es so weitergeht, brauchen wir Papier und Stift irgendwann nicht mehr.“
Martin Dietrich, 12, 8. Klasse: „Ich mag es, wenn wir in Deutsch spielerische Übungen mit den Tablets machen. Das ist nicht so langweilig wie ein Hefteintrag, weil wir uns den Stoff selbst erarbeiten können. Wir sind unsere eigenen Lehrer, dürfen zum Glück aber auch Fehler machen.“
Daniela Gelic, 13, 8. Klasse: „Mein Vater sagt, ich müsse wissen, wie ein Computer funktioniert, weil ich das später in vielen Berufen brauche. Meine Mutter ist dagegen, dass Schulbücher abgeschafft werden. Das finde ich auch. Vokabeln lerne ich am besten, wenn ich sie in ein Heft schreibe.“
Paul Jastrow, 14, 8. Klasse: „Es gibt Lehrer, die schreiben einfach nur die Tafel voll. Und danach sollen wir den Stoff verstanden haben. Unsere Deutschlehrerin stellt Übungsaufgaben auf die Lernplattform, bei denen mir sofort angezeigt wird, wenn ich etwas falsch mache. Damit kann ich mir den Stoff besser merken.“
Das Oskar-Maria-Graf-Gymnasium war eine von 38 Schulen aus ganz Deutschland, die an der „Werkstatt schulentwicklung.digital“ teilnahm, die auch von der Robert Bosch Stiftung unterstützt wird. Ein Jahr lang wurde dort über Bildung im digitalen Wandel nachgedacht. Es war ein Erfahrungsaustausch über Grenzen hinweg, denn Bildung ist eine Hoheitsaufgabe der Länder. Das macht die Verständigung über sinnvolle Standards nicht leichter.
Doch die Schule hat sich in den vergangenen Jahren durch umsichtige Investitionen in neue Technik und eine gute Mitarbeiterführung von innen heraus erneuert wie ein mittelständisches Unternehmen. Das Gymnasium könnte gerade deshalb ein Vorbild für Schulen sein, die sich noch nicht auf den Weg in eine digitale Zukunft gemacht haben.