Neue Biografie über Robert Bosch erschienen

Erfolgreicher Unternehmer und engagierter Bürger, Pionier der sozialen Marktwirtschaft und innovativer Querkopf: In seiner Biografie über Robert Bosch porträtiert Peter Theiner einen der erfolgreichsten deutschen Industriellen des 20. Jahrhunderts, dessen Lebenswerk und Werte in Unternehmen und Stiftung bis heute fortbesteht. Im Interview erklärt Theiner, warum Bosch, sein Denken und Wirken in der heutigen Zeit wieder von Bedeutung sind.

Robert Bosch Stiftung | März 2017
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Vor 75 Jahren starb Robert Bosch, einer der erfolgreichsten deutschen Industriellen des 20. Jahrhunderts und Pionier der sozialen Marktwirtschaft. Als politisch engagierter Bürger setzte er sich unter anderem für sozialen Ausgleich, die deutsch-französische Verständigung und die europäische Einigung ein. Dass sein Denken gerade heute wieder aktuell ist, zeigt die neue Biografie von Peter Theiner mit dem Titel "Robert Bosch. Unternehmer im Zeitalter der Extreme". Die Biografie porträtiert Bosch in seinem wirtschaftlichen, politisch-gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld. Sein Vermächtnis, aus dem 1964 die Robert Bosch Stiftung entstanden ist, beruht auf dem Selbstverständnis, als Unternehmer und Bürger auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen zu müssen. Der Autor der Biografie, Peter Theiner, ist promovierter Historiker und Direktor für den Bereich "Geschichte der Philanthropie" der Robert Bosch Stiftung.
 

Interview

 

Herr Theiner, warum ist Robert Bosch, sein Denken und Wirken auch in der heutigen Zeit von Bedeutung?

Es gibt ja die Maxime "Zukunft braucht Herkunft". Das gilt besonders für Stiftungen. Auch die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu wissen, woher wir als gemeinnützige Organisation kommen, hat Anspruch auf Transparenz. Denn Herkunft ist Teil unserer Identität.

Sich mit der Biografie von Robert Bosch auseinanderzusetzen, ist ein geistiges Abenteuer. Er war tatsächlich ein Citoyen, ein politisch denkender Bürger in einem Zeitalter der Extreme, wie ein bedeutender britischer Historiker seine Lebensspanne genannt hat. In seinem Werdegang geht es um Freiheit und Selbstbestimmung, die Suche nach Werten, um Neugier und Innovation, um sozialen Zusammenhalt und Gemeinsinn, um unternehmerischen Ehrgeiz und um sozialen Ausgleich, um die Fähigkeit und Bereitschaft zum Querdenken und auch zum Widerstand gegen totalitäre Versuchungen im politischen Raum. Insofern ist die historische Persönlichkeit unseres Stifters von hoher Aktualität!

Gab es während Ihrer Recherchen für die Biografie "Robert Bosch. Unternehmer im Zeitalter der Extreme" neue Erkenntnisse, von denen Sie selbst überrascht waren?

Nun, ich habe ja nicht bei null angefangen. Jeder Historiker hat die Pflicht, Ergebnisse anderer Historiker sorgfältig zur Kenntnis zu nehmen. Robert Bosch und das von ihm gegründete Unternehmen und in gewissem Maße auch die Stiftung sind recht gut erforscht. Denken Sie an die Arbeiten von Joachim Scholtyseck, Johannes Bähr und Paul Erker. Auch das Robert Bosch Archiv der Firma hat vorzügliche Dokumentationen für die historisch interessierte Öffentlichkeit gemacht. Mich hat neben einzelnen Befunden zu politischen Zusammenhängen und Querververbindungen die Konsequenz verblüfft, mit der Robert Bosch seinen eigenen Grundsätzen gefolgt ist. Dies im Detail zu rekonstruieren, war eine faszinierende Gedankenreise durch wichtige Stationen der neueren deutschen Geschichte, vor allem auch der Geschichte des deutschen Südwestens.

Hier und da wurde auch ein anderer Blick auf die Person und das Umfeld möglich. Nehmen Sie nur das Stichwort vom "Vater Bosch". So wurde schon zu seinen Lebzeiten über ihn gesprochen und geschrieben. Das war ein Zeichen der Verehrung. Aber man muss hinschauen. Denn das Attribut muss nicht bedeuten, dass Bosch ein "Patriarch" war, wie man gelegentlich lesen kann, irgendwie schulterklopfend, jovial und großzügig, aber auch ziemlich autoritär und zugleich wohlwollend bei Wohlverhalten. Seine betriebliche Sozialpolitik war überaus freiheitlich gedacht und umgesetzt. Er wollte nicht Dankbarkeit, Demut und politische Anpassung an seine Meinungen erzeugen, sondern Leistungen honorieren, Teilhabe ermöglichen, nicht aber Gesinnungen formen. Das war in seiner Zeit sehr ungewöhnlich. Da war er schon eine Ausnahmeerscheinung und wurde deshalb auch "der rote Bosch" genannt. Das war natürlich gezielte Polemik, um einen unternehmerischen Querkopf zu verspotten. Ausdruck dieser unbefangenen Liberalität war die berühmte, während des Nationalsozialismus "gesäuberte" Werksbücherei: sie enthielt auch Werke marxistischer Klassiker – für eine Unternehmensbibliothek eigentlich erstaunlich. Die Leute sollten also ruhig Texte lesen, die den Untergang des Unternehmers vorhersagten. Man nennt das die Selbstfinanzierung der bürgerlichen Selbstkritik, also etwa Publikationen zu unterstützen, die einen Bürger in seiner Rolle fundamental in Frage stellen. Und Robert Bosch hatte – und dies ist auffällig und für sein Handeln entscheidend – Vertrauen in die Urteilsfähigkeit seiner Mitarbeiter.

Robert Bosch war einer der erfolgreichsten deutschen Industriellen des 20. Jahrhunderts und ein Pionier der sozialen Marktwirtschaft. In Unternehmen und Stiftung wirkt sein Lebenswerk bis heute fort. Wie würden Sie einen Robert Bosch des 21. Jahrhunderts charakterisieren?

Robert Bosch hätte sich selbst nicht als Vorbild oder als kommendes Denkmal inszeniert. Und Historiker sind ja vorsichtig, wenn es um das Lernen aus der Geschichte geht. Wir können kein Handlungswissen aus der Geschichte beziehen. Wohl aber kann die Beschäftigung mit historischen Prozessen, Strukturen und Personen Orientierungswissen bereitstellen. Hier hat die Biografie von Robert Bosch einiges zu bieten. Als Unternehmer war er überaus zielstrebig und ehrgeizig. Aber ihm ging es dabei nicht um Gewinnmaximierung um jeden Preis. Sondern er sah sein Unternehmen eingebettet in einen freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat, das war gewissermaßen die Zielutopie, der er verpflichtet war und auf die er auch die Manager seines wachsenden Unternehmens verpflichtet hat.

Zu diesem Gesellschaftsbild gehörte das Teilen – deshalb seine stifterischen Aktivitäten und die in seiner Zeit zukunftsweisende betriebliche Sozialpolitik. Als Unternehmer und Stifter sah er sich nicht als "Herr im Hause", sondern als Träger von Pflichten und Verantwortlichkeiten. Er konnte durchaus streitbar und kantig sein, hatte aber auch einen scharfen Blick für seine eigenen Grenzen als Person und als Unternehmer. Er suchte Kompromisse bei festgefahrenen Konflikten, in der Firma ebenso wie in Staat und Gesellschaft. Das galt auch im grenzüberschreitenden Austausch. Er war ein Pionier der Globalisierung und deshalb, aber auch aus ethischen Gründen, ein Anwalt der Völkerverständigung und dabei ganz konkret ein Förderer der deutsch-französischen Verständigung und der europäischen Einigung. Als ich mit den Vorarbeiten zu dem Buch begonnen habe, war nicht erkennbar, dass gerade auch seine europapolitischen Anschauungen bald wieder so brennend aktuell werden sollten.

Die Biographie

Robert Bosch. Unternehmer im Zeitalter der Extreme
Eine Biographie

von Peter Theiner, erschienen im Verlag C.H.Beck

ISBN 978-3-406-70553-3

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